Der Grillparzer=Preis für Artur Schnitzler.
Das Kuratorium für die Verleihung des Grillparzer¬
freises hat gestern seine entscheidende Beratung abgehalten und den
greis Artur Schnitzler für dessen vor zwei Jahren im Burg¬
geater aufgeführtes Schauspiel „Zwischenspiel“ zuerkannt. In
kimischen Literatenkreisen wird diese Nachricht mit aufrichtiger Genug¬
ung aufgenommen werden. Ist es doch ein österreichischer Dichter, dem
sesmal diese Auszeichnung zufällt, — was lange nicht der Fall gewesen
st. Denn die letzten Preise wurden an reichsdeutsche Dichter vergeben;
sor drei Jahren erhielt Hauptmanu zum dritten Mal den Preis
fund zwar zuletzt für seinen „Armen Heinrich“, vorber für „Hannele“
und „Fuhrmann Henschel"), vor sechs Jahren wurde Otto Erich Hart¬
leben der Preisträger (für „Rosenmontag"). Das Preiskollegium hat
galso mit seiner Entscheidung (die nach dem Stiftsbriefe einstimmig
eerfolgen muß) Schnitzlers „Zwischenspiel“ für das „beste deutsche
dramatische Werk erkannt, das im Laufe der letzten drei Jahre auf
seiner namhaften deutschen Bühne zur Aufführung gelangte und nicht
schon von einer anderen Seite durch einen Preis ausgezeichnet worden
ist.“ So lautet nämlich die für die Preisrichter maßgebende wichtigste
Bestimmung des Stiftbriefes.
Die Bedeutung Artur Schnitzlers für unsere dramatische Literatur
braucht nicht erst ausführlich dargelegt zu werden; seit seinem „Anatol“ gilter
als der hervorragendste und auch dem Theater nächststehende Vertreter
der Jung=Wiener Richtung. Sein Schauspiel „Liebelei“ hat ihm vor
Jahren zum ersten Male das Tor unsexer ersten Bühne gebffnet. Sein
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40. Janner 1908
ins Tragische gerücktes Wiener Mädel, die „Schlager=Mizzi“ steht an der
Schwelle einer neuen Wiener Gestaltenwelt, die den Hintergrund einer
Literatur von Nachahmern und Anempfindern werden sollte. Nach der
„Liebelei“ (1885) kam drei Jahre später „Das Vermächtnis“ ins
Repertoire des Burgtheaters. Wieder war es eine Tragödie aus bürger¬
lichen Gesellschaftskreisen, die Schnitzler mit seiner dichterischen
Beobachtung durchdrang. Ein Jahr später sehen wir ihn mit einem
Einatterzyklus an der Hofbühne („Paracelsus“, „Die Gefährtin“, „Der
grüne Kakadu“), deren Schicksale noch in aller Erinnerung stehen. Die
übersiedelten ins Volks¬
Pariser Revolutionsszenen („Kakadu")
theater, wo dieses dramatischeste aller Schnitzler=Stücke noch heute
auf dem Repertoire steht und nie ohne tiefe Wirkung ge¬
spielt wird. Das Volkstheater brachte auch den Zyklus
„Lebendige Stunden“, mit denen Brahm, ein eifriger Verkünder
Schnitzlers, die Wiener anläßlich eines Ensemble=Gastspieles bekannt¬
gemacht hat. Vor drei Jahren hat Brahm auch den „Einsamen Weg“.
gebracht, jenes Stück, das Schnitzler selbst am höchsten schätzt und das
als sein innerlichstes Werk gelten mag. Der Konflikt, der sich an die
Nichtaufführung des Dramas „Der Schleier der Beatrice" knüpfte, das
der Dichter dem Buratheater eingereicht hatte, gab seinerzeit zu viel
Erörterungen Anlaß. Es trat eine Periode der Spannung zwischen
Schnitzler und dem Burgtheater ein, sie waren „böse“. Die Aufführung
von „Zwischenspiel“ bedeutete gleichsam die Versöhnung des
Dichters mit dem Burgtheater. Das Stück wurde dort am 12. Oktober
1905 zum erstenmal und seither siebzehnmal aufgeführt. Anfangs schien
es nicht, als ob gerade dieses Stück der größte Burgtheatererfolg des
Dichters werden sollte, obgleich Kainz mit Begeisterung und mit
zündender Kraft im Dienste der hohen dialektischen Kunst Schnitzlers stand.
Und neben ihm, dem Darsteller des Komponisten Amadeus, wirkte Frau
Witt als dessen Gattin Cäcilie. Mit seinem jüngsten Stück „Der Ruf
des Lebens“ kam Schnitzler bisnun nur in Deutschland zur Aufführung,
aber ohne viel Erfolg zu erzielen. Die Verleihung des Grillparzer¬
Preises wird nun Schnitzler mit manchen schmerzlichen Wendungen ver¬
söhnen, die auch seinem Dichterschicksal nicht erspart geblieben sind. —
Artur Schnitzler ist 1862 zu Wien als der Sohn des bekannten
Universitätsprofessors Schnitzler geboren. Er studierte hier Medizin und
war selbst Arzt von Beruf, übt jedoch seit Jahren die ärztliche Tätigkeit
nicht mehr aus.
Als Mitglieder des Preisgerichtes fungieren gegenwärtig die Herren
Hofrat Dr. Burckhard, Ludwig Hevesi, Professor Dr. Minor,
Direktor Dr. Paul Schlenther und Professor Dr. Erich Schmidt
(Berlin). Der Preis beträgt 5000 Kronen. Die Verwaltung des Fonds
ist durch den Stiftsbrief der philosophisch-historischen Klasse der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften übertragen.
Wie verlautet, sollen mehr als neunzig Werke der Prüfung unter¬
zogen worden sein. Neben Schnitzler trat ein anderer österreichischer
Dichter Karl Schönherr in den Vordergrund, allein das Kollegium
hätte ihm den Preis nur auf Grund seines Dramas „Familie“ verleihen
können. Doch dieses Stück hat trotz seiner Vorzüge am Burgtheater
nur wenige Aufführungen erreicht und es ist nabeliegend, daß bei der
Entscheidung dieser Umstand in Erwägung gezogen worden ist. Die
anderen Stücke Schönherrs konnten nach den Bestimmungen des Stifts¬
briefes nicht in Betracht kommen, denn sowohl „Erde“ als auch „Das
Königreich“, die neuen Schöpfungen des Dichters, sind bisher unauf¬
geführt.
—
Der Grillparzer-Preis.
Für Dr. Artur Schnitzlers „Zwischenspiel“.
(Originarvericht des „Neuen Wiener Journal“.)
Gestern nachmittag hat in der Akademie der Wissenschaften
die Sitzung des Preisrichterkollegiums über den Grillparzer=Preis
stattgefunden. Es wurde das Ergebnis publiziert, wonach der
Preis im Betrage von 5000 Kronen Herrn Dr. Artur
Schnitzler für sein im Repertoire des Burgtheaters stehendes
Schauspiel „Zwischenspiel“ einstimmig zuerkannt wurde.
Die Tatsache, daß nun ein österreichischer Dichter jenen
Preis erhielt, der bereits viermal nach Deutschland wanderte,
wird mit Genugtuung aufgenommen werden, obgleich „Zwischen¬
spiel“ trotz seiner Feinheiten nicht zu den kritisch einwandlosesten
dramatischen Werken Schnitzlers gehört. Mit der Zuerkennung des
Preises drückte das Kollegium den gesamten Werken dieses fein¬
sinnigen Poeten die bedeutendste Anerkennung aus, über die
es verfügt. 94 Stücke standen in Konkurrenz und in den letzten Tagen
hieß es, daß die Jury in ihren Entschlüssen wankend sei. Man sprach #
von der „Rabensteinerin“ Wildenbruchs und von „Familie“ von nur sagen, daß
Schönherr als von Werken, von denen das eine oder andere Schichten und so
Phantasiel
den Preis erhalten solle. Schließlich entschloß man sich für
Schnitzler, wohl in der Erwägung, daß diesem Dichter eine lange welches ich Ihne
und vielfältige Reihe von wertvollen dramatischen Werken zu Leben eines Py
verdanken sei. Den Preis erhielt bereits dreimal Gerhart sertappe ich mich
Hauptmann für den „Armen Heinrich", „Hannele“ und lang wie etwas
„Fuhrmann Henschel", und einmal Otto Erich Hartlebensich habe schon zu
für „Rosenmontag“. Unter den österreichischen Dichtern wurde schloß der Dichte
bloß Ludwig Anzengruber mit dem Preis einmal aus= Hand reichte.
gezeichnet.
„Zwischenspiel“ entstand im Jahre 1904 und wurde zum
erstenmal am 12. Oktober 1905 und zuletzt am 6. September
1907 am Burgtheater aufgeführt, im ganzen 17mal. Das Stück
behandelt ein interessantes psychologisches Problem aus dem Ehe¬
leben eines Künstlerpaares und es ist mehr auf das geistvolle
Räsonnement als auf starke dramatische Vorgänge gestellt.
Einer unserer Mitarbeiter suchte gestern unmittelbar nach
der Entscheidung der Jury Herrn Artur Schnitzler auf und
berichtet uns über seine Unterredung wie folgt:
Bei Artur Schnitzler.
Auf einem Spaziergange um den Türkenschanzpark, in dessen
Nähe Schnitzler seit einigen Jahren sein Heim aufgeschlagen hat,
treffe ich den Dichter an, noch überrascht durch die ihm kurz
vorher zugegangene Nachricht von der Zuerkennung des Grillparzer¬
Preises. Daß ihm die Auszeichnung und insbesondere dem
„Zwischenspiel“ zuteil werden wird, daran hatte Schnitzler nicht
gedacht, zumal die Nachricht zuletzt kursierte, daß das Kollegium
Schönherr und Wildenbruch in Betracht gezogen habe. Wir gehen
eine Strecke lang an verschneiten Gärten und Villen vorbei, sehen
einen Moment der Schuljugend zu, die auf etwas abschüssiger
Bahn unter Lachen und Lärmen dem Rodelsport huldigt.
„Eigentlich gehört „Zwischenspiel“ nicht zu den Sachen, die
mir innerlich nahestehen,“ sagte Schnitzler, „seine kleine Welt er¬
scheint mir zu abgeschlossen, die Fenster der Stuben, in denen das
Stück spielt, sind einem kleinen Garten zugewendet, und es ist mit
dem ganzen Drama so, daß von ihm kein Weg ins große Leben
führt, zu anderen Menschen. Es fehlen die großen Beziehungen
zu einem Allgemeinen und deshalb wohl kann es mich
nicht befriedigen. Mir selbst ist der „Einsame Weg“, ja auch¬
„Der Ruf des Lebens“ durch seine ersten Akte, auf denen, wie
ich glaube, Schicksalsschwere liegt, sympathischer. Es ist bei mir
so, daß ich eine empfangene Stimmung oder Idee in einem ein¬
zigen Werke nicht in allen Verzweigungen und Nuancen ausgeben
kann, daß mir noch ein Ueberschuß bleibt, der in mir aufs neue
produktiv wird und mich zu anderen Gedankengängen und Stim¬
mungen hinüberführt. „Zwischenspiel“ ist abgeschlossen und für
mich abgetan. Anders, wie noch bei vielen Sachen, erging es mir
beim „Einsamen Weg“. Gestalten, die ich in dieses tück bannen
wollte, lösten sich los, kamen in andere Konflikte und es ent¬
standen andere Stücke, Szenen. Diese Sachen haben dann keine
andere innere Verwandtschaft als vielleicht etwa des Tones und
der Stimmung, die mir vielleicht eigen sind. Oder aber es ge¬
schieht, daß ich ein Stück oder eine Novelle fast bis zur Voll¬
endung bringe, es aber in einer Stimmung der Abneigung lange
liegen lasse, und eines Tages ruft es mich gleichsam wieder an,
meldet sich, aber nun ist alles in mir anders und das Stück
erhält eine innere Umformung, hat sich in mir stilisiert und es
wird etwas ganz anderes, gehört dann einer anderen Stilart als
Das Kuratorium für die Verleihung des Grillparzer¬
freises hat gestern seine entscheidende Beratung abgehalten und den
greis Artur Schnitzler für dessen vor zwei Jahren im Burg¬
geater aufgeführtes Schauspiel „Zwischenspiel“ zuerkannt. In
kimischen Literatenkreisen wird diese Nachricht mit aufrichtiger Genug¬
ung aufgenommen werden. Ist es doch ein österreichischer Dichter, dem
sesmal diese Auszeichnung zufällt, — was lange nicht der Fall gewesen
st. Denn die letzten Preise wurden an reichsdeutsche Dichter vergeben;
sor drei Jahren erhielt Hauptmanu zum dritten Mal den Preis
fund zwar zuletzt für seinen „Armen Heinrich“, vorber für „Hannele“
und „Fuhrmann Henschel"), vor sechs Jahren wurde Otto Erich Hart¬
leben der Preisträger (für „Rosenmontag"). Das Preiskollegium hat
galso mit seiner Entscheidung (die nach dem Stiftsbriefe einstimmig
eerfolgen muß) Schnitzlers „Zwischenspiel“ für das „beste deutsche
dramatische Werk erkannt, das im Laufe der letzten drei Jahre auf
seiner namhaften deutschen Bühne zur Aufführung gelangte und nicht
schon von einer anderen Seite durch einen Preis ausgezeichnet worden
ist.“ So lautet nämlich die für die Preisrichter maßgebende wichtigste
Bestimmung des Stiftbriefes.
Die Bedeutung Artur Schnitzlers für unsere dramatische Literatur
braucht nicht erst ausführlich dargelegt zu werden; seit seinem „Anatol“ gilter
als der hervorragendste und auch dem Theater nächststehende Vertreter
der Jung=Wiener Richtung. Sein Schauspiel „Liebelei“ hat ihm vor
Jahren zum ersten Male das Tor unsexer ersten Bühne gebffnet. Sein
Seite 11
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ins Tragische gerücktes Wiener Mädel, die „Schlager=Mizzi“ steht an der
Schwelle einer neuen Wiener Gestaltenwelt, die den Hintergrund einer
Literatur von Nachahmern und Anempfindern werden sollte. Nach der
„Liebelei“ (1885) kam drei Jahre später „Das Vermächtnis“ ins
Repertoire des Burgtheaters. Wieder war es eine Tragödie aus bürger¬
lichen Gesellschaftskreisen, die Schnitzler mit seiner dichterischen
Beobachtung durchdrang. Ein Jahr später sehen wir ihn mit einem
Einatterzyklus an der Hofbühne („Paracelsus“, „Die Gefährtin“, „Der
grüne Kakadu“), deren Schicksale noch in aller Erinnerung stehen. Die
übersiedelten ins Volks¬
Pariser Revolutionsszenen („Kakadu")
theater, wo dieses dramatischeste aller Schnitzler=Stücke noch heute
auf dem Repertoire steht und nie ohne tiefe Wirkung ge¬
spielt wird. Das Volkstheater brachte auch den Zyklus
„Lebendige Stunden“, mit denen Brahm, ein eifriger Verkünder
Schnitzlers, die Wiener anläßlich eines Ensemble=Gastspieles bekannt¬
gemacht hat. Vor drei Jahren hat Brahm auch den „Einsamen Weg“.
gebracht, jenes Stück, das Schnitzler selbst am höchsten schätzt und das
als sein innerlichstes Werk gelten mag. Der Konflikt, der sich an die
Nichtaufführung des Dramas „Der Schleier der Beatrice" knüpfte, das
der Dichter dem Buratheater eingereicht hatte, gab seinerzeit zu viel
Erörterungen Anlaß. Es trat eine Periode der Spannung zwischen
Schnitzler und dem Burgtheater ein, sie waren „böse“. Die Aufführung
von „Zwischenspiel“ bedeutete gleichsam die Versöhnung des
Dichters mit dem Burgtheater. Das Stück wurde dort am 12. Oktober
1905 zum erstenmal und seither siebzehnmal aufgeführt. Anfangs schien
es nicht, als ob gerade dieses Stück der größte Burgtheatererfolg des
Dichters werden sollte, obgleich Kainz mit Begeisterung und mit
zündender Kraft im Dienste der hohen dialektischen Kunst Schnitzlers stand.
Und neben ihm, dem Darsteller des Komponisten Amadeus, wirkte Frau
Witt als dessen Gattin Cäcilie. Mit seinem jüngsten Stück „Der Ruf
des Lebens“ kam Schnitzler bisnun nur in Deutschland zur Aufführung,
aber ohne viel Erfolg zu erzielen. Die Verleihung des Grillparzer¬
Preises wird nun Schnitzler mit manchen schmerzlichen Wendungen ver¬
söhnen, die auch seinem Dichterschicksal nicht erspart geblieben sind. —
Artur Schnitzler ist 1862 zu Wien als der Sohn des bekannten
Universitätsprofessors Schnitzler geboren. Er studierte hier Medizin und
war selbst Arzt von Beruf, übt jedoch seit Jahren die ärztliche Tätigkeit
nicht mehr aus.
Als Mitglieder des Preisgerichtes fungieren gegenwärtig die Herren
Hofrat Dr. Burckhard, Ludwig Hevesi, Professor Dr. Minor,
Direktor Dr. Paul Schlenther und Professor Dr. Erich Schmidt
(Berlin). Der Preis beträgt 5000 Kronen. Die Verwaltung des Fonds
ist durch den Stiftsbrief der philosophisch-historischen Klasse der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften übertragen.
Wie verlautet, sollen mehr als neunzig Werke der Prüfung unter¬
zogen worden sein. Neben Schnitzler trat ein anderer österreichischer
Dichter Karl Schönherr in den Vordergrund, allein das Kollegium
hätte ihm den Preis nur auf Grund seines Dramas „Familie“ verleihen
können. Doch dieses Stück hat trotz seiner Vorzüge am Burgtheater
nur wenige Aufführungen erreicht und es ist nabeliegend, daß bei der
Entscheidung dieser Umstand in Erwägung gezogen worden ist. Die
anderen Stücke Schönherrs konnten nach den Bestimmungen des Stifts¬
briefes nicht in Betracht kommen, denn sowohl „Erde“ als auch „Das
Königreich“, die neuen Schöpfungen des Dichters, sind bisher unauf¬
geführt.
—
Der Grillparzer-Preis.
Für Dr. Artur Schnitzlers „Zwischenspiel“.
(Originarvericht des „Neuen Wiener Journal“.)
Gestern nachmittag hat in der Akademie der Wissenschaften
die Sitzung des Preisrichterkollegiums über den Grillparzer=Preis
stattgefunden. Es wurde das Ergebnis publiziert, wonach der
Preis im Betrage von 5000 Kronen Herrn Dr. Artur
Schnitzler für sein im Repertoire des Burgtheaters stehendes
Schauspiel „Zwischenspiel“ einstimmig zuerkannt wurde.
Die Tatsache, daß nun ein österreichischer Dichter jenen
Preis erhielt, der bereits viermal nach Deutschland wanderte,
wird mit Genugtuung aufgenommen werden, obgleich „Zwischen¬
spiel“ trotz seiner Feinheiten nicht zu den kritisch einwandlosesten
dramatischen Werken Schnitzlers gehört. Mit der Zuerkennung des
Preises drückte das Kollegium den gesamten Werken dieses fein¬
sinnigen Poeten die bedeutendste Anerkennung aus, über die
es verfügt. 94 Stücke standen in Konkurrenz und in den letzten Tagen
hieß es, daß die Jury in ihren Entschlüssen wankend sei. Man sprach #
von der „Rabensteinerin“ Wildenbruchs und von „Familie“ von nur sagen, daß
Schönherr als von Werken, von denen das eine oder andere Schichten und so
Phantasiel
den Preis erhalten solle. Schließlich entschloß man sich für
Schnitzler, wohl in der Erwägung, daß diesem Dichter eine lange welches ich Ihne
und vielfältige Reihe von wertvollen dramatischen Werken zu Leben eines Py
verdanken sei. Den Preis erhielt bereits dreimal Gerhart sertappe ich mich
Hauptmann für den „Armen Heinrich", „Hannele“ und lang wie etwas
„Fuhrmann Henschel", und einmal Otto Erich Hartlebensich habe schon zu
für „Rosenmontag“. Unter den österreichischen Dichtern wurde schloß der Dichte
bloß Ludwig Anzengruber mit dem Preis einmal aus= Hand reichte.
gezeichnet.
„Zwischenspiel“ entstand im Jahre 1904 und wurde zum
erstenmal am 12. Oktober 1905 und zuletzt am 6. September
1907 am Burgtheater aufgeführt, im ganzen 17mal. Das Stück
behandelt ein interessantes psychologisches Problem aus dem Ehe¬
leben eines Künstlerpaares und es ist mehr auf das geistvolle
Räsonnement als auf starke dramatische Vorgänge gestellt.
Einer unserer Mitarbeiter suchte gestern unmittelbar nach
der Entscheidung der Jury Herrn Artur Schnitzler auf und
berichtet uns über seine Unterredung wie folgt:
Bei Artur Schnitzler.
Auf einem Spaziergange um den Türkenschanzpark, in dessen
Nähe Schnitzler seit einigen Jahren sein Heim aufgeschlagen hat,
treffe ich den Dichter an, noch überrascht durch die ihm kurz
vorher zugegangene Nachricht von der Zuerkennung des Grillparzer¬
Preises. Daß ihm die Auszeichnung und insbesondere dem
„Zwischenspiel“ zuteil werden wird, daran hatte Schnitzler nicht
gedacht, zumal die Nachricht zuletzt kursierte, daß das Kollegium
Schönherr und Wildenbruch in Betracht gezogen habe. Wir gehen
eine Strecke lang an verschneiten Gärten und Villen vorbei, sehen
einen Moment der Schuljugend zu, die auf etwas abschüssiger
Bahn unter Lachen und Lärmen dem Rodelsport huldigt.
„Eigentlich gehört „Zwischenspiel“ nicht zu den Sachen, die
mir innerlich nahestehen,“ sagte Schnitzler, „seine kleine Welt er¬
scheint mir zu abgeschlossen, die Fenster der Stuben, in denen das
Stück spielt, sind einem kleinen Garten zugewendet, und es ist mit
dem ganzen Drama so, daß von ihm kein Weg ins große Leben
führt, zu anderen Menschen. Es fehlen die großen Beziehungen
zu einem Allgemeinen und deshalb wohl kann es mich
nicht befriedigen. Mir selbst ist der „Einsame Weg“, ja auch¬
„Der Ruf des Lebens“ durch seine ersten Akte, auf denen, wie
ich glaube, Schicksalsschwere liegt, sympathischer. Es ist bei mir
so, daß ich eine empfangene Stimmung oder Idee in einem ein¬
zigen Werke nicht in allen Verzweigungen und Nuancen ausgeben
kann, daß mir noch ein Ueberschuß bleibt, der in mir aufs neue
produktiv wird und mich zu anderen Gedankengängen und Stim¬
mungen hinüberführt. „Zwischenspiel“ ist abgeschlossen und für
mich abgetan. Anders, wie noch bei vielen Sachen, erging es mir
beim „Einsamen Weg“. Gestalten, die ich in dieses tück bannen
wollte, lösten sich los, kamen in andere Konflikte und es ent¬
standen andere Stücke, Szenen. Diese Sachen haben dann keine
andere innere Verwandtschaft als vielleicht etwa des Tones und
der Stimmung, die mir vielleicht eigen sind. Oder aber es ge¬
schieht, daß ich ein Stück oder eine Novelle fast bis zur Voll¬
endung bringe, es aber in einer Stimmung der Abneigung lange
liegen lasse, und eines Tages ruft es mich gleichsam wieder an,
meldet sich, aber nun ist alles in mir anders und das Stück
erhält eine innere Umformung, hat sich in mir stilisiert und es
wird etwas ganz anderes, gehört dann einer anderen Stilart als