VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 27

6. Grillnarzer-Preis
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Der Grillparzer=Preis für Artur Schnitzler.
Das Kuratorium für die Verleihung des Grillparzer¬
Preises hat gestern seine entscheidende Beratung abgehalten und den
Preis Artur Schnitzler für dessen vor zwei Jahren im Burg¬
theater aufgeführtes Schauspiel „Zwischenspiel“ zuerkannt. In
heimischen Literatenkreisen wird diese Nachricht mit aufrichtiger Genug¬
tuung aufgenommen werden. Ist es doch ein österreichischer Dichter, dem
diesmal diese Auszeichnung zufällt, — was lange nicht der Fall gewesen
ist. Denn die letzten Preise wurden an reichsdeutsche Dichter vergeben;
vor drei Jahren erhielt Hauptmann zum dritten Mal den Preis
(und zwar zuletzt für seinen „Armen Heinrich“, vorber für „Hannele“
und „Fuhrmann Henschel"), vor sechs Jahren wurde Otto Erich Hart¬
leben der Preisträger (für „Rosenmontag"). Das Preiskollegium hat
also mit seiner Entscheidung (die nach dem Stiftsbriefe einstimmig
erfolgen muß) Schnitzlers „Zwischenspiel“ für das „beste deutsche
dramatische Werk erkannt, das im Laufe der letzten drei Jahre auf
einer namhaften deutschen Bühne zur Aufführung gelangte und nicht
schon von einer anderen Seite durch einen Preis ausgezeichnet worden
ist.“ So lautet nämlich die für die Preisrichter maßgebende wichtigste
Bestimmung des Stiftbriefes.
Die Bedeutung Artur Schnitzlers für unsere dramatische Literatur
braucht nicht erst ausführlich dargelegt zu werden; seit seinem „Anatol“ gilter
als der hervorragendste und auch dem Theater nächststehende Vertreter
der Jung=Wiener Richtung. Sein Schauspiel „Liebelei“ hat ihm vor
Jahren zum ersten Male das Tor unserer ersten Bühne geöffnet. Sein
10. Janner 1908
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ins Tragische gerücktes Wiener Mädel, die „Schlager=Mizzi“ steht an der
Schwelle einer neuen Wiener Gestaltenwelt, die den Hintergrund einer
Literatur von Nachahmern und Anempfindern werden sollte. Nach der
„Liebelei“ (1885) kam drei Jahre später „Das Vermächtnis“ ins
Repertoire des Burgtheaters. Wieder war es eine Tragödie aus bürger¬
lichen Gesellschaftstreisen, die Schnitzler mit seiner dichterischen
Beobachtung durchdrang. Ein Jahr später sehen wir ihn mit einem
Einatterzyllus an der Hofbühne („Paracelsus“, „Die Gefährtin“, „Der
grüne Kakadu“), deren Schicksale noch in aller Erinnerung stehen. Die
Pariser Revolutionsszenen („Kakadu") übersiedelten ins Volks¬
theater, wo dieses dramatischeste aller Schnitzler=Stücke noch heute
auf dem Repertoire steht und nie ohne tiefe Wirkung ge¬
spielt wird. Das Volkstheater brachte auch den Zyklus
„Lebendige Stunden“ mit denen Brahm, ein eifriger Verkünder
Schnitzlers, die Wiener anläßlich eines Ensemble=Gastspieles bekannt¬
gemacht hat. Vor drei Jahren hat Brahm auch den „Einsamen Weg“.
gebracht, jenes Stück, das Schnitzler selbst am höchsten schätzt und das
als sein innerlichstes Werk gelten mag. Der Konflikt, der sich an die
Nichtaufführung des Dramas „Der Schleier der Beatrice“ knüpfte, das
der Dichter dem Buratheater eingereicht hatte, gab seinerzeit zu viel
Erörterungen Anlaß. Es trat eine Periode der Spannung zwischen
Schnitzler und dem Burgtheater ein, sie waren „böse". Die Aufführung
von „Zwischenspiel“ bedeutete gleichsam die Versöhnung des
Dichters mit dem Burgtheater. Das Stück wurde dort am 12. Oktober
1905 zum erstenmal und seither siebzehnigl an