VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 41

Grillbarzer-Preis
#V0Der!„ berjudete“ Grillparzer=Preis.] Man hat ge¬
wußt, daß es diesmal nicht ohne einige Ruszeichen abgehen
wird. Während aber auf den Namen Kohn schon ein Setzer
des „Deutschen Volksblatt“ automatisch eine Interjektion aus
dem Setzkasten zieht, wird bei Artbur Schnitzler doch der
Literaturmann herangezogen, um die obligate Verachtung näher
zu begründen. Für das „Deutsche Volksblatt“ gibt es nämlich
keinen Unterschied, und selbst wenn ein Jud' räuberisch an¬
gefallen wird, wird er dessen ungeachtet noch mit einem Ruf##
zeichen des „Drutschen Volksblatt“ gekennzeichnet. Man wei#
dann nie, ob es die. Freude des antisemitischen Kerls übe
den totgeschlagenen Juden ausdrückt, oder den Zorn darübst,
daß ein katholisch gesinster Mann jetzt wegen eines Jus
abgestraft wird. Ueber die Verleihung des Grillparzer=Prei
sind die Herren natürlich außer sich, und die dümmsten n¬
wände macht wie gewöhnlich das Blatt des Herrn Vergakti.
Die anderen schreien Jud'!, das „Deutsche Volksblatt“ ist
genauer, objektiver, ehrlicher und begründet seine Abneigung
gegen die Wertung Schnitzlers für den Preis. Schönherr ist
gerade so viel wert wie Schnibler Es wäre also unter
gleichen Verhättnissen dien durch die Erwägung zu
beeinflussen gewesen, welcher der beiden Autoren materiell und
intellektuell der prämiierungswürdigere ist. Daß Schnitzler, der
in Tantiemen schwimmende, von seiner jüdischen Liga ver¬
hätschelte Stückschreiber, die 5000 Kronen nicht braucht, liegt
auf der Hand.“ Was liegt also gegen Schnitzler vor? Er
braucht nach der unmaßgeblichen Meinung des „Volksblatt“
die 5000 Kronen nicht. Er ist weiters der Verfasser des
obszönen Buches „Reigen“. „Daß aber der Verfasser des
obszönen Buches „Reigen“ mit dem Ehrenmann Grillparzer,
mit dem Ruhme und der Würde von Oesterreichs größtem
Dichter nicht in Zusammenhang gebracht werden sollte, das
hätte gerade ein Professor der deutschen Literaturgeschichte an
der Universität Wien in erster Linie erwägen sollen“ oder
sich bei einem Redakteur des lokalen Teiles im „Deutschen
Volksblati“ wenigstens darnach erkundigen. Daß die ersten
Germanisten der deutschen Hochschulen wirklich so unwissend
sind! Wenn heute der „Faust“ prämiiert würde und der
Goethe ein Jud' wäre, schrien die Herren: „Ja, aber das
Tagebuch!“ Schnitzlers „Reigen“ ist vor dem „Anatol“ ge¬
schrieben, ein privater Scherz des Dichters, den er erst Jahre¬
später, nachdem längst „Anatol“, „Vermächtnis", „Freiwild“,
„Liebelei“ 2c. erschienen waren, widerwillig der Oeffentlichkeit
übergab. Daß die „Reichspost“ den „Leutnant Gustl“ „läppisch“
nennt und für die litetarische Minderwertigkeit der „Frau
Bertha Garlan“ anführt, daß die Dame „in Krems lebt und
in Wien liebt“ wird keinem Nichtkenner der Werke Arthur
Schnitzlers zur Ueberzeugung seiner dichterischen Unbegabung
verhelfen. Aber was nützen alle logischen Argumente gegen
die Wirkung des Wortes „Jud“ im Gehirn eines anti
semitischen Lokalreporters. Hertzka und Schnitzler an einem
Tag. Derselbe, der befähigt ist, dem Lyriker Hertzka jedes
Talent zur Dichtkunst abzusprechen, protestiert als „Wahrer
der deutschen Literatur", daß ein „degradierter und kassierter
Militärarzt“ mit der Ehre und dem Geld des Grillparzer¬
Preises.=ausgezeichnet werde.
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Theater.
(Verleihung des Grillparzer=Preises
an Schnitzler.) Die offizielle Nachricht über
die Verreihung des Grillparzer=Preises strafte alle
Gezüchte Lügen. Der Preis wurde weder dem
urfprünglich vorgeschlagenen Ganghofer noch Wil¬
Rnbruch, der um der „Rabensteinerin“ willen be¬
hannt worden war, noch Karl Schönherr zuer¬
kannt, dem für den „Sonnwendtag“ mit dem
Bauernfeld=Preis belohnten Verfasser des Dra¬
mas „Familie". Vielmehr erhielt ihn Artur
Schnitzler für sein „Zwischenspiel“ das sich
auf dem Spielplan des Burgtheaters hält. Die
Auszeichnung wurde einstimmig beschlossen. Die
von den „Frauen Wiens“ unter ideellem Vorsitz
von Iduna Laube und Chrkstine Hebbel geschaffene
Stiftung soll, wie genügend bekannt ist, alle drei
Jahre „für das relativ beste deutsche dramatische
Werk“ während dieses letzten Trienniums vergeben
werden. Das Ziel ist eine Hebung der Produk¬
tion; als Bedingung gilt, daß das zu ehrende
Stück „an einer namhaften deutschen Bühne“ ge¬
spielt und nicht schon von anderer Seite mit
einem Preis bedacht wurde. Bisher ist die Ge¬
schichte der Prämiierungen, die man durch will¬
kürliche Pausen unterbrochen hat, die folgende:
1875 Wildrandt („Gracchus“), 1884 Wildenbruch
(„Harold“), 1887 Anzengruber („Heimg'funden"),
1890 Wilbrandt („Meisier von Palmyra“), 1896
Hauptmann („Hannele"), 1899 Hauptmann

(„Fuhrmann Henschel“), 1902 Hartleben („Ro¬
senmontag"), 1905 Hauptmann („Armer Hein¬
Am auffälligsten war, daß man
den Dichter von Schreiber¬
zweimal auf
hau zurückkam. Schnitzlers Ehrung macht ein
Versäumnis wett. Zu bedauern ist, daß sie den
feinen Eklektiker gerade in einer Periode schwä¬
cherer dramatischen Tätigkeit und unentschiedener
Romanentwürfe trifft. Nach seiner nun preis¬
gekrönten, zierlichen und witzigen Ehekomödie hat
er nichts als den verfehlten „Ruf des Lebens“ und
die kleinen „Marionetten“ herausgebracht.