VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 43

—. Uunaur 1oes
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Frager Tagblatt Nr. 10
verlogenen Moral aufgebaut ist und die wenigsten Alles andere vergeht, es entgleitet uns leise, kaum
Vom Verwaltungsgerichtshofe.
denken: Ich bin gut, trotz euch allen! Nein, sie den¬merklich, wenn wir es noch so fest zu halten meinen.
Oeffentliche mündliche Verhandlungen werden statt¬
ken: Ich bin schlecht — aber es macht mir ein Ver= „Nichts ist beständig, als der Wechsel!“ Dies Motto
finden am:
gnügen! Sie sind nicht groß, sondern leichtsinnig!“ setzte ein moderner Philosoph vor eines seiner
Dienstag 21. Januar: Oskar Mitreiter in
Werke. So lehrt es die Natur um uns, in uns. Und
Aber daß man groß sein kann und sündigen — was
Turn wider das Ackerbaumiisterium wegen der Grund¬
dem sollen wir uns in gewissen Fällen verschließen.
die Menschen Sünde zu nennen gewohnt sind, das
überlassung zu Bergbauzwecken; Max Egon Fürst zu
Wenn wir selbst in Ekstase, wenn wir selbst im
Fürstenberg in Lana w der die k. k. Bergbauptmann¬
weht uns an aus allen seinen Werken wie eine
schaft in Prag wegen Leistung von Sanierungsbeiträgen
Spiel sind, dann — dann möchten wir Naturge¬
tröstliche Verheißung. In dem Einakter: Literatur
zur Bruderlade; Matthias Zadäk in Prag wider die
setze, die wir einst auf den Thion gehoben, umstoßen
ist die Hauptsigur eine Frau, die spielt — und ge¬
Personaleinkommensteuer=Berutungskommission für Böhmen
und Kulturmauern aufrichten, um dahinter Schutz
wegen der Personaleinkommensteuer (zwei Fälle; Marie
winnt. So ist das Leben.
Kern und Genossen in Böhmisch=Wiesental wider das
Eines der nachdenklichsten Stücke ist Para= zu suchen.
Finanzmininterium wegen der Nachzahlung der halben
Ja, so sind wir alle.
scelsus. Ich möchte es kurz stizzieren. Paracelsus
Aktivitätszulage; Ignaz Kraus in Teplitz wider dasselbe
Und Schnitzler, der Denker, der Dichter, stellte
ist als verbummelter Student in die Welt gezogen
Ministerium in einer gleichen Sache.
eine Reihe von Problemen auf, die jeder lösen mag
Donnerstog 23. Januar: Der Kreditverein bei
und kehrt als Zauberer und Wunderdoktor wieder
der Filiale der Prager Kreditbank in Koln wider
nach seinem Sinn.
— von den Leuten seines kleinen Heimatortes ange¬
das Fianzministerium wegen der steuerrechtlichen Behand¬
Und in allen seinen Dichtungen ist die füh¬
stannt. Nur Cyprian, der Waffenschmied, glaubt
lung alter Rücklagen; Margaretha Reisenstuhl in
rende Stimme: Resignation. Für all die dunklen
nicht an ihn. Er bringt ihn in sein Haus und
Ajaccio wider die Personaleinkommensteuer=Berufungs¬
kommission für Böhmen wegen der Personaleinkommen¬
Wege — für all die verschlungenen Pfade, die die
reizt ihn, seine Wunder zu zeigen. Und Paracelsus
steuer zwei Fälle); die Stadtgemeinde Prag wider das
menschliche Seele geht, hat er ein weises Verste¬
flüstert der schönen Frau Justina, des Waffen¬
Finanzministerium wegen der Gebäudesteuerpflicht einer
schmiedes Weib, zu, sie solle eine nicht begangene, hen und Verzeihen und erleuchtet sie mit seiner
Markthalle.
Wunderlampe wundersam. Aber sie zeigt uns immer
Freitag 24. Januar: Anton Vana in Smichow
aber dunkel ersehnte Schuld als begangen fühlen.
wider den Landesausschuß wegen des Verbotes einer
von neuem, daß hinter jedem Glück schon die Ent¬
Sie schläft ein — erwacht und gesteht. Cyprian,
Bienenhaltung; die Bezirkssparkassa in Rican wider das
täuschung lauert.
durch das Geständnis der Schuld aus seiner be¬
Ministerium des Innern wegen einer Versicherungspflicht.
Fur dieses merkwürdige Stück hat Schnitzler
haglichen satten Ruhe aufgeschreckt, gerät in Angst,
den Grillparzerpreis bekommen. Hier ist der Reich¬
bis Paracelsus sie von dem Spuk befreit und sagt:
sten einer, der uns unendlich viel gab und der uns
Theater und Literatur.
„Es war ein Spiel! Was sollt es anders sein?
noch so vieles geben wird. Einer der Wenigen, die
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
mit brennender Fackel in die Dunkelheit der Zu¬
Arthur Schnitzler.
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
kunft hineinleuchten und uns die Wege zeigen, die
Mit wilden Söldnerscharen spielt der Eine.
Von Marie Holzer.
die Entwicklung langsam — allmählich gehen wird.
Ein anderer spielt mit tollen Abergläubischen,
Arthur Schnitzler hat den Grillparzerpreis be¬
Vielleicht mit Sonne, Sternen irgend wer,
*— Josef Kainz beginnt morgen Samstag
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
kommen! Wie eine Siegesnachricht tragen es die
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
den 18. d. M. im Neuen Theater sein Gastspiel
Zeitungen in alle Welt. Denn er ist der Reifsten
Es fließen in einander Traum und Wachen,
als Franz Moor in Schillers „Die Räuber“
einer, der uns unendlich viel gegeben. In jeder sei¬
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Am Sonntag den 19. nachmittags 1½ Uhr geht
ner Dichtungen liegt ein Problem von wundersamer
Wir spielen immer, wer es weiß — ist klug.“
als Arbeitervorstellung zu ermäßigten Preisen
Tiefe und er steht hoch darüber, auf einer hohen,
„Die Zauberflöte“ in Szene. Am Abend 7 Uhr
Und dann im Grünen Kakadu: „Sein
hohen Sprosse, weit über der Parteien Haß und
wird mit Kainz der Einakter=Zyklus „Das Fest
spielen ... kennen Sie den Unterschied so genau —
Gunst erhaben. Ein gütiger, abgeklärter Mensch
des St. Matern“, „Der arme Narr“ und „Der
Chevalier?“ Ein Dichter und noch mehr ein
ein Weiser in des Wortes höchster, siegreichster Be¬
goldene Schlüssel“ gegeben. Am Montag den 20.
Zweisler — ein Seher — den das Leben aus schil¬
deutung!
spielt Kainz den Romeo. Am Dienstag den 21.
All die Gestalten seiner Bücher ziehen mir lernden Märchenaugen anblickt und deren tiefstes
zum erstenmale in Prag den Marcus Antonius
Dunkel ergründen will.
durch die Seele. Der arme, kleine Leutnant Gustl,
Im „Zwischenspiel“ wird uns die Geschichte in Shakespeares „Julius Cäsar“ den er erst
dessen natürliches Empfinden in Widerstreit liegt
vor kurzem mit sensationellem Erfolg zum ersten¬
einer Ehe vorgeführt, die auf Freiheit, auf Wahr¬
mit anerzogenen Ehrbegriffen, dies Schwanken
male in Wien kreierte. Die Vorstellungen sind
haftigkeit aufgebaut ist und wo die beiden Ehe¬
zwischen Einsicht und Pflicht — und endlich dieser
an der k. k. Hofburg auf Wochen hinaus wegen
tröstliche Schluß, der plötzliche Tod des Beleidigers gatten sich frei geben, in dem Moment, wo der
der grandiosen Leistung Kainz' ausverkauft. Am
Mann fühlt, daß er eine andere liebt. Die Frau
und all jene Gespenster, die Räuber seiner Schein¬
Mittwoch den 22. beschließt der illustre Gast
ist verzweifelt — und schweigt. Und dann — nach¬
ehre— sind nichts als ein böser Spuk gewesen.
seine Abende mit dem König Kandaules in Hebbels
dem das Zwischenspiel bei ihm vorüber, will er zu
Dann Frau Berta Garlan. Die langsam erwachende
„Gyges und sein Ring“. — Heute beginnt die
seiner Frau zurückkehren, die durch einen neuen
Sehnsucht nach Glück in dem Herzen der jungen
Erfolg als Bühnenkünstlerin ihm in erneutem
allgemeine Ausgabe der noch vorhandenen Einzel¬
Witwe, wie sie ihm entgegengeht — suchend, ta¬
Lichte erstrahlt. Aber sie will nicht — sie will ihm
karten für die Kainz=Abende.
stend und doch unentwegt— wie die große Liebe
Freundin sein — nichts weiter, wie sies ausge¬
sie sehend macht — sie emporträgt über alle klein¬
Landestheater. Heute Freitag den 17.
macht, sie will sich treu bleiben, „denn worin wären
lich-engherzigen Bedenken, und dann der kurze
findet eine Aufführung der Oper „Hoffmanns
wir jetzt besser, als all die Anderen, die wir ver¬
Rausch, der ihr kaum zum Bewußtsein kam — kaum
[Erzählungen“ als 80. Abonn.=Vorst. 4. S.
ihr Sein erfüllte und an den sie doch unzählige,
achten?“
statt. Morgen wird die Operettenneuheit „Frau
Und trotzdem geht er nicht. Mann und Frau
frohlockende Hoffnungen knüpfte und dann die kalte
Lebedame“ wiederholt. — Das neue Theater
stehen sich gegenüber, vor Welt und Menschen ge¬
Douche, daß sie ihm nichts bedeutet als eine kurze
bleibt heute geschlossen.
hören sie einander an — trotz ihrer Kompromisse
Episode. In fast allen Arbeiten Schnitzlers: Lie¬
9— Vortragsabend zugunsten des Pensions¬
und trotzdem wie — wie grausam wirkt hier — die
belei, Freiwild, Märchen, Die griechische Tänzerin,
Institutes des Chor= und Orchester=Personals beim
Lebendige Stunden, in allen zeichnet er die deutsche
Leidenschaft.
Deutschen Landestheater. Der angekündigte Vor¬
Und dann — besteht sie auf dem Auseinander¬
Frau, deren Grundzug die Treue ist. Im Manne
tragsabend findet Mittwoch den 22. d. M. im
er ist verzweifelt und geht — aber wir
liegen Leidenschaft und Vernunft in ewigem
gehen
„Hotel Zentral“ statt und dürfte, den Vor¬
Kampse. Er ist beider Sklave und schwankt hin und
ahnen, daß er wiederkommt.
bereitungen nach zu schließen, sich zu einem äußerst
Die Frau ist die Starke. Sie hat sich durch
her — ruhelos — ohne den Schwerpunkt zu fin¬
animierten Abend gestalten, da ein großer Teil
den! Die Frau aber nimmt selbst eine Liebelei —
Jahrtausende alle Zucht in der Gewalt, sie kann
unseres Künstlerpersonals unter der Leitung des
eine Liebschaft — ein Intermezzo ernst — die ist
schweigen und leiden — sie kann schweigen und sich
Kapellmeisters Ottenheimer die Mitwirkung
immer mit ihrem ganzen Herzen dabei.
sehnen.
zugesagt hat. Die Damen: Schubert, Siems, Ca¬
Ich las einmal irgendwo eine wie mir dünkt
Die ganze Kraft der Liebe liegt in der Beherr¬
rena, Nigrini, Finger, Tautenhayn, Reich, Frey,
vortreffliche Charakterisierung der mitteleuropäi¬
schung!
Unsere ganze Gesellschaft und Geselligkeit ist sowie die Herren: Kapellmeister Ottenheimer,
schen Frau. Die Italienerin sagt: Er hat mich ge¬
Schücker, ferner die Herren: Waschmann, Boruttau,
auf Höflichkeit aufgebaut, einer verfeinerten Form
liebt, er hat mich verraten, ich werde mich rächen,
Leonhardt, Zottmayr, Piccaver, Pauli, Onno,
wo ich kann. Die Spanierin: Ich werde ihn töten.
der Lüge. Warum soll oder kann es im Kleinen an¬
Victora, Tautenhayn, Bauer, Löwe, Fischer, Hafer
Die Französin: Ich werde mich mit einem anderen
ders sein als im Großen? Ist ein Zusammenleben
werden auf dem Podium erscheinen. Doch ist da¬
trösten. Die Engländerin: Gut, daß er mich nicht
überhaupt möglich auf Wahrhaftigkeit gegründet,
mit die Liste der Vortragenden noch nicht erschöpft.
bestohlen hat. Und die Deutsche: Ich hab ihn ge¬
absoluter Wahrhaftigkeit? Wenn man alles sagen
Bisher ist dem Prager Publikum noch niemals Ge¬
liebt, er hat mich verraten — ich werde beten, daß würde was uns durch die Seeele zieht, immer, wäre
legenheit geboten worden, unsere Künstler, denen
es nicht oft eine Entweihung — oft eine Grausam¬
er glücklich werde.
sich überdies noch der Komponist der letzthin so
Das ist ein Grundzug der deutschen Frau. Sie
keit — oft sogar ein Frevel?
erfolgreich gegebenen Operette „Die Lebedame",
ist sentimental und nimmt die Liebe ernst in jeder
Ist Aufrichtigkeit nicht ein Hirngespinst? Auf¬
Herr Dr. A. Götzl, zugesellen wird, in so großer
Form — sie spielt nicht — sie liebt wirklich. Und
richtigkeit, Wahrheit, die von tausend Zufälligkeiten,
Zahl außerhalb der Bühne auf dem Vortrags¬
daraus ergeben sich die allermeisten Konflikte.
tausend Launen abhängig ist? Ist Wahrheit etwas
podium wirken zu sehen. Den Besuchern des Abends
Und in all seinen Arbeiten schwingt leise, leise
Feststehendes oder hat sie hundertfache Gestalt, hun¬
steht daher ein seltener Genuß bevor, und ein zahl¬
ein Ton mit, unhörbar oft, vom glänzenden Or¬
dert Ecken und Kanten, hundert Seiten? Jede
reicher Besuch steht schon aus diesem Grunde, wie
chester seiner reichen, wunderschönen Sprache be¬
hat ihre Berechtigung, hat ihre Begründung.
angesichts des wohltätigen Zweckes der Veranstal¬
glettet, die sich wie ein Silberkranz um die tief¬
Wahrhaftigkeit! Ein Begriff, der nur im
tung, außer Zweifel. Nach Schluß des Programmes
sinnigen Handlungen windet, ein Spott, ein lei¬
Hirn von Toren lebt, von Träumern! Es gibt keine
wird getanzt; die Musik besorgt die Kapelle des
ses Lächeln über unsere Ehr= und Höflichkeitsbe¬
Wahrhaftiakeit Sauk ##
Pürden Unn dann wann.