Grillparzer-Preis
verdient zu haben, soll noch etwa fünftausend Kronen
dazu bekommen.
Und nun hatten wir einen Kandidaten, für den uns
gerade eine solche Korrektur des Glücks, in welcher
allein wir den Sinn eines litterarischen Preises sehen
können, gerecht und notwendig schien: Schnitzler.
Schnitzler hat sich in den letzten drei Jahren ganz
merkwürdig entwickelt. Er hat viel mehr gehalten als
er versprach. Er hätte es leicht gehabt, durch sein
glänzendes Talent zu verblüffen und bethören. Es ist
ihm aber wichtiger gewesen, sich rein und ruhig aus¬
zubilden. Wir haben kaum einen, der ernster an sich
gearbeitet hätte, mit Leidenschaft um innere Zucht
bemüht, selbst wenn er dafür auf den äußeren Erfolg
verzichten müßte. Er hat aber arge Feinde, die
durchaus seinen Ruf zerstören wollen. Aus ganz un¬
litterarischen Gründen: weil er Jude ist, weil seine
Art einer Prinzessin mißfallen haben soll, und weil
sich die Offiziere über seine Novelle „Leutnant Gustl“
geärgert haben. Nun, das könnte ja auch anderswo
vorkommen. Aber österreichisch ist es, einem Menschen,
der einem nicht paßt, einfach das Talent abzustreiten.
Nicht etwa zu sagen: Die Gesinnungen dieses Dichters
sind falsch, ich halte sie für gefährlich, ich will
ihnen widersprechen, sondern zu dekretieren: er ist
kein Dichter. Man fragt eben bei uns niemals
nach der Sache, sondern immer nur nach der Person,
und seit seine Person „oben“ nicht mehr beliebt ist,
sollen auf einmal auch seine Werke nichts mehr gelten.
Da hätten wir nun gewünscht, daß mit Autorität aus¬
gesprochen worden wäre: Dies alles geht uns nichts
an, der Mann mag falsche Ansichten haben, aber er
kann mehr, als die anderen können; wir haben
nicht über seine Gesinnung, sondern über seine
Leistung zu richten; mag jene schlecht sein, diese
box 40/2
ist gut; vielleicht wird ihn einst der Teufel holen,
aber merkt euch, Leute, es ist ein Dichter, den
er holt! Dies hätten wir gewünscht, und wir haben
es eigentlich erwartet. Dann hätten wir doch die
Beruhigung gehabt, daß es noch eine Stelle giebt, der
die Sache gilt, während ja so wirklich diejenigen Recht
behalten, welche behaupten, es komme bei uns gar
nicht darauf an, etwas zu leisten, sondern nur darauf,
sich beliebt zu machen und nicht anzustoßen.
Man erzählt, daß von den Preisrichtern über den
„Fall Schnitzler“ lange beraten worden sei. Der Wert
seiner „Lebendigen Stunden“ sei zugestanden worden.
Nur habe man sich gegen ihn auf die „Affaire Gustl“
berufen. Die Novelle „Leutnant Gustl“ hat nämlich
viele Offiziere empört. Das hätte natürlich nichts
gemacht, wenn Schnitzler nicht Militärarzt gewesen
wäre. Dies wurde benützt, um ihn vor die mili¬
tärische Behörde zu ziehen; er hat es abgelehnt,
sich hier zu verantworten, so wurde ihm die Charge
aberkannt. Das Argument der Preisrichter war
nun: man kann einem, dem die Charge aberkannt
worden ist, nicht einen Preis zuerkennen. Deshalb
entschieden sie für den „Rosenmontag“, der — das ist
der Spaß — dieselben Offiziere ganz ebenso empört
hatte. Schnitzler bekam den Preis nicht, weil er sich
in einer Novelle gegen den militärischen Geist vergangen
hat. Deswegen bekam ihn Hartleben für ein Stück,
das sich ganz ebenso gegen den militärischen Geist
vergeht. Der Unterschied war nur: dort hatte es einen
öffentlichen Skandal gegeben, hier nicht; und bei uns
ist von jeher alles erlaubt, nur zum Skandal darf es
nicht kommen. Hartleben hat sich also eigentlich den
Grillparzerpreis nur dadurch verdient, daß er nicht der
österreichischen Armee angehört.
62
Wolzogens „Novitäten=Abe
Von
Alfred Herr.
(Uährend Wolzogen und Fräulein Seeman
grunde klimperten — sie saßen nebeneinan
ihre Mandolinen in der Hand — sang He
hübsche Venezianerweise von Bogumil Zep
spricht von einem „Novitäten=Abend“, ich will
Deutsch fortzwitschern. Also: war das die
Abends?“ Es war nicht die Signatur des
Pantomime von Carl von Levetzow (wofür
liegenden Ueberbrettls müßte gesagt werden:
Baron Carl von Levetzow) wurde gegeben: e
liert Weib, Kind, Geld . .. aber sein Geigen
so süß ist seines Alters Glück. Levetzow hat
Musikalische stärker betont in dieser Gattung des
dramas; immerhin: auch das war nicht die
Abends. Zum Schluß gab man „Steppke“ von
eine Episode, ein Sittenbild, ein Ausschnitt, e
eine Satire — mit sehr guten Beobachtunge
Uebertreibung. Eine „Rechnungsrätin Susecke
Name sagt genug wohl schon, die Heldin heiß
roth“ was auch zuviel ist; die unehelichen Zi
vorgeführt; Lehmann treibt mit Entsetzen Sch
ferner die Klapproths, er lasse die Suseck
auch das war nicht die Signatur des Abend
Straus und die Bradsky sind zurückgekehr
Setzungen dieses Tonsetzers; „ich bin nicht
sie; „didel, dudel“ sang sie; beides, sehr
war wieder nicht die Signatur des Abends.
Laura Seemann sang ein sächsisches Lied und
der Wiederholung: „Moder, ich will en Ding
sehr reizvoll in ihrer kühlen, ruhigen Sch
Hörer will hervorgeholt werden: sie bleib
verdient zu haben, soll noch etwa fünftausend Kronen
dazu bekommen.
Und nun hatten wir einen Kandidaten, für den uns
gerade eine solche Korrektur des Glücks, in welcher
allein wir den Sinn eines litterarischen Preises sehen
können, gerecht und notwendig schien: Schnitzler.
Schnitzler hat sich in den letzten drei Jahren ganz
merkwürdig entwickelt. Er hat viel mehr gehalten als
er versprach. Er hätte es leicht gehabt, durch sein
glänzendes Talent zu verblüffen und bethören. Es ist
ihm aber wichtiger gewesen, sich rein und ruhig aus¬
zubilden. Wir haben kaum einen, der ernster an sich
gearbeitet hätte, mit Leidenschaft um innere Zucht
bemüht, selbst wenn er dafür auf den äußeren Erfolg
verzichten müßte. Er hat aber arge Feinde, die
durchaus seinen Ruf zerstören wollen. Aus ganz un¬
litterarischen Gründen: weil er Jude ist, weil seine
Art einer Prinzessin mißfallen haben soll, und weil
sich die Offiziere über seine Novelle „Leutnant Gustl“
geärgert haben. Nun, das könnte ja auch anderswo
vorkommen. Aber österreichisch ist es, einem Menschen,
der einem nicht paßt, einfach das Talent abzustreiten.
Nicht etwa zu sagen: Die Gesinnungen dieses Dichters
sind falsch, ich halte sie für gefährlich, ich will
ihnen widersprechen, sondern zu dekretieren: er ist
kein Dichter. Man fragt eben bei uns niemals
nach der Sache, sondern immer nur nach der Person,
und seit seine Person „oben“ nicht mehr beliebt ist,
sollen auf einmal auch seine Werke nichts mehr gelten.
Da hätten wir nun gewünscht, daß mit Autorität aus¬
gesprochen worden wäre: Dies alles geht uns nichts
an, der Mann mag falsche Ansichten haben, aber er
kann mehr, als die anderen können; wir haben
nicht über seine Gesinnung, sondern über seine
Leistung zu richten; mag jene schlecht sein, diese
box 40/2
ist gut; vielleicht wird ihn einst der Teufel holen,
aber merkt euch, Leute, es ist ein Dichter, den
er holt! Dies hätten wir gewünscht, und wir haben
es eigentlich erwartet. Dann hätten wir doch die
Beruhigung gehabt, daß es noch eine Stelle giebt, der
die Sache gilt, während ja so wirklich diejenigen Recht
behalten, welche behaupten, es komme bei uns gar
nicht darauf an, etwas zu leisten, sondern nur darauf,
sich beliebt zu machen und nicht anzustoßen.
Man erzählt, daß von den Preisrichtern über den
„Fall Schnitzler“ lange beraten worden sei. Der Wert
seiner „Lebendigen Stunden“ sei zugestanden worden.
Nur habe man sich gegen ihn auf die „Affaire Gustl“
berufen. Die Novelle „Leutnant Gustl“ hat nämlich
viele Offiziere empört. Das hätte natürlich nichts
gemacht, wenn Schnitzler nicht Militärarzt gewesen
wäre. Dies wurde benützt, um ihn vor die mili¬
tärische Behörde zu ziehen; er hat es abgelehnt,
sich hier zu verantworten, so wurde ihm die Charge
aberkannt. Das Argument der Preisrichter war
nun: man kann einem, dem die Charge aberkannt
worden ist, nicht einen Preis zuerkennen. Deshalb
entschieden sie für den „Rosenmontag“, der — das ist
der Spaß — dieselben Offiziere ganz ebenso empört
hatte. Schnitzler bekam den Preis nicht, weil er sich
in einer Novelle gegen den militärischen Geist vergangen
hat. Deswegen bekam ihn Hartleben für ein Stück,
das sich ganz ebenso gegen den militärischen Geist
vergeht. Der Unterschied war nur: dort hatte es einen
öffentlichen Skandal gegeben, hier nicht; und bei uns
ist von jeher alles erlaubt, nur zum Skandal darf es
nicht kommen. Hartleben hat sich also eigentlich den
Grillparzerpreis nur dadurch verdient, daß er nicht der
österreichischen Armee angehört.
62
Wolzogens „Novitäten=Abe
Von
Alfred Herr.
(Uährend Wolzogen und Fräulein Seeman
grunde klimperten — sie saßen nebeneinan
ihre Mandolinen in der Hand — sang He
hübsche Venezianerweise von Bogumil Zep
spricht von einem „Novitäten=Abend“, ich will
Deutsch fortzwitschern. Also: war das die
Abends?“ Es war nicht die Signatur des
Pantomime von Carl von Levetzow (wofür
liegenden Ueberbrettls müßte gesagt werden:
Baron Carl von Levetzow) wurde gegeben: e
liert Weib, Kind, Geld . .. aber sein Geigen
so süß ist seines Alters Glück. Levetzow hat
Musikalische stärker betont in dieser Gattung des
dramas; immerhin: auch das war nicht die
Abends. Zum Schluß gab man „Steppke“ von
eine Episode, ein Sittenbild, ein Ausschnitt, e
eine Satire — mit sehr guten Beobachtunge
Uebertreibung. Eine „Rechnungsrätin Susecke
Name sagt genug wohl schon, die Heldin heiß
roth“ was auch zuviel ist; die unehelichen Zi
vorgeführt; Lehmann treibt mit Entsetzen Sch
ferner die Klapproths, er lasse die Suseck
auch das war nicht die Signatur des Abend
Straus und die Bradsky sind zurückgekehr
Setzungen dieses Tonsetzers; „ich bin nicht
sie; „didel, dudel“ sang sie; beides, sehr
war wieder nicht die Signatur des Abends.
Laura Seemann sang ein sächsisches Lied und
der Wiederholung: „Moder, ich will en Ding
sehr reizvoll in ihrer kühlen, ruhigen Sch
Hörer will hervorgeholt werden: sie bleib