VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 27

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„OBSERVER‘
I. österr behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile In
Telephon R-23-0-43
Der Abens
Seite 3
28. April 1933
deutscher
Geist wird verramscht
Lieber unter dem Selbstkostenpreis verkaufen, als an den Schandpfahl schlagen nder auf dem
Scheiterhaufen verbrennen lassen. — Bettgenossenschaft Magnus Hirschfeld=Hanns Heinz Ewers
Die bedeutendsten Bücher der besten deutschen Dichter,
Die Liste ließe sich ins Unendliche fortsetzen, denn
Wissenschaftler, Philosophen sind auf den „braunen was vor der Umwandlung des deutschen Geistes in
Index“ gesetzt worden. Demnächst sollen sie an den
spießerischen Ungeist Klang und Namen hatte, ist ja aus¬
Schandpfahl geschlagen oder in loderndem Feuer
gemerzt und ausgerottet und darf dem nationalen Bürger
verbrannt werden. Die deutschen Buchhändler sind
nicht mehr unter die Augen kommen.
natürlich „gleichgeschaltet“ und sollte einer von
Hanns Heinz Ewers gehort bekanntlich zu den
ihnen noch immer etwas von den Brüdern Mann, von
Heroen des deutschen Aufbruchs. Er bekleidet Ehrenämter.
Wassermann oder Schnitzler, von Lenin,
und hängt sich Erfolg haschend an die Nockschössel seines
Marx oder Kautsky halten, so würde er doch nie¬
Kanzlers. Aber er hat eine befleckte Vergangenheit,
mals wagen, daß bestehende Verbot zu übertreten und denn er hat sich in der Liebe mit Magnus Hirschfeld
diese „Asphaltliteratur“ in seinem Laden feilzubieten.
gefunden und dieser wieder gehört zu den meistgehaßten
Aber schließlich läßt sich von der Begeisterung für Schriftstellern und Wissenschaftlern im neuen Deutsch¬
den aufgebrochenen neuen deutschen Geist allein nicht gut
land. Gemeinsam haben die beiden „Kamasutra“ (Liebe
leben und so muß man trachten, dem Scheiterhaufen und
im Orient), „Die Liebesriten und Liebessitten in Indien“.
damit der völligen Vernichtung des Geschäfts zu entgehen.
un die „Arabische Liebeskunst“ (Der duftende
So werden denn die teuersten Werke der in Nazi¬
Garten des Scheik Nefzani) herausgegeben und einbe¬
deutschland verfehmten Autoren zu lächerlich niedrigen
gleitet.
Preisen in Oesterreich ausgeboten, und niemals hätte
Hanns Heinz Ewers und Magnus Hirschseld
der Bücherfreund in Wien bessere Gelegenheit als
wurden gegeneinander ausgewogen und Hirschfeld als
heute, für ein paar Schillinge die kostbarsten Bücher
zu schwer, das heißt als zu große Belastung für den
der Weltliteratur zu erwerben.
großen deutschen Dichter Ewers befunden.
Demnächst kommen die schönen Fischer=Ausgaben in
Folge: Die umfangreichen, mit Hunderten von Illu¬
Halblederbänden (Artur Schnitzler, Jakob Wasser¬
mann) zum Preise von S 4,80 auf den Markt. Jetzt strationen versehenen Bände werden jetzt in Wien um vier
bis fünf Schilling statt um 33 Schilling ausgeboten. Die
schon kann man die Werke Heinrich und Thomas
Bettgenossenschaft mit dem verfemten Sexualforscher kommt
Manns, Ernst Tollers, Stefan und Arnold Zweigs
dem Minnesänger des umgeschalteten Deutschen Reiches teuer
um einen Bruchteil des festgesetzten Ladenpreises erstehen.
Das prachtvolle Werk „Sergeant Grischa“ eines der zu stehen.
meistgelesenen Bücher der letzten Jahre, wird um S 4,73]
Denn nicht nur trägt sein Schild dunkle Flecken, die
statt S 13,20, Ernst Gläsers „Jahrgang 1902“ einsich nicht leicht wegputzen lassen, sondern er verliert auch die
Gegenstück zu Remarques „Im Westen nichts Neues“, um Tantiemen, die ihm der Verkauf der Werke zu Original¬
S 2,10 verkauft.
preisen eingetragen hätte!