—
bserver
Wien I. Wollzeile 11
Telephon R—23—0 43
Das Kleine Blaft
28. April 1933
Nr. 116
3.70
ETN
DT O DL
[Schnitzler, Stephan Zweig, Richard winden, das trauen sich die braunen Helden
Die Kultur auf dem Beer=Hofmann. Von Franzosen Bar=freilich nicht zu — viel einfacher ist es, seine
lbusse, der Kämpfer gegen Krieg und wissenschaftlichen Erzeugnisse auf den
Scheiterhäufen. Kapital; von den Tschechen Jaroflav Hasek Scheiterhaufen zu werfen. Sie vergessen,
sein braver Soldat Schwejk geht den daß Ideen nicht brennbar sind...
Die Reihe der Volksvergnügungen im
braven SA.=Soldaten halt auf die Nerven!
Dritten Reich nimmt ihren Fortgang. Erst
Man hat das deutsche Volk das Volk der
Daß ein erklärter Sozialist wie Ernst
wurden Marxisten gefoltert und Arbeiter¬
Denker und Dichter genannt. Seine Gelehr¬
[Toller von diesen Auch=, Sozialisten“
heime geplündert, dann Juden gehetzt —
samkeit, seine hohe Allgemeinbildung, seine
nicht geduldet wird, nimmt nicht Wunder. Achtung vor Wissenschaft und Buch haben
jetzt werden Bücher verbrannt! Nur keine
Wüten die brannen Horden schon sosihm seinen hohen Rang unter den Kultur¬
Atempause, nur weiter geschürt und getrom¬
gegen die Dichter, die sie im Verdacht frei=völkern verschafft. Das war einmal! Heute
melt, damit das Volk aus seinem Rausch
heitlicher, pazifistischer oder gar prole=ist er zum Raub branner Barbaren ge¬
nicht erwache — nicht erwache in dem schreck¬
tarischer Gesinnung haben, wie erst gegen worden, denen sein Kulturerbe gut genug
lichen saschistischen Alltag des Hungers und
den wissenschaftlichen Sozialismus! Karl ist für rohe Flammengankelspiele, um das
der Knechtung, der Arbeitslosigkeit und des
[Marx, dessen Geisteswerk Geschichte ge= Volk zu betören. Indem sie vom „Kampf
Lohndruckes! Da die Leiber darben müssen,
macht hat, wird selbstverständlich aus allen
sollen vorläufig wenigstens die Seelen an
gegen undeutschen Geist“ reden, zerstören sie
deutschen Büchereien verbannt, desgleichen den wahren deutschen Geist, vernichten sie
den lustigen Flammen erwärmen, in denen
Lassalle, desgleichen natürlich Lenin,auf ihren mittelalterlichen Scheiterhausen
die Kultur eines großen Volkes zu Asche
[Liebknecht, Bebel, Karl Kautsky, nicht, wie sie vermeinen, „jüdische“ oder
gebrannt wird...
Franz Mehring, Otto Bauer, Max' „marxistische“ Bücher, sondern die deutsche
Die schwarzen Listen werden schon zu¬
[Adler! Den Marxismus geistig zu über= Kultur!
sammengestelli. Sind sie fertig, dann be¬
Sneene
kommt die Se. wiede zu tun: sie holt die
verfehmten Bücher aus den Buchhandlungen
und Bibliotheken, aus den Volksbüchereien
und Universitäten, und schüttet sie auf
öffentlichen Plätzen zu großen Haufen. Und
dann kommt das große Schauspiel, das die
Menschheit seit den Tagen der Heiligen
Inquisition entbehren mußte: die Bücher¬
scheiterhaufen werden feierlich angezündet.
So glauben die Toren, indem sie Berge von
Papier verbrennen, den Geist auszu¬
rotten
Aber lehrreich ist's immerhin, auf wel¬
chen Geist sie es abgesehen haben. Der best¬
gehaßte deutsche Schriftsteller im Haken¬
krenz=Deutschland ist der Frontkämpfer
Remarque; er hat ja das Verbrechen
begangen, das wahre Bild des Krieges in
die breiten Massen zu tragen; das können
ihm diejenigen nicht verzeihen, die den
Massen, die sie wieder an die Schlacht¬
bank führen wollen, ein heroisches¬
Trugbild vom Krieg vorspiegeln müs¬
sen! Auch sonst haben sie's daher auf
die Verfasser ungeschminkter Kriegsbücher
scharf: Arnold Zweig, der Antor des
„Sergeanten Grischa". und Ludwig Renn,
der Verfasser von „Krieg“, müssen dran¬
glauben. Aber die Wahrheit können sie über¬
haupt nicht vertragen, und so verfällt auch
ein Heinrich Mann der Feme, der in seinen
großen Zeitromanen den deutschen „Unter¬
Dünkel mit unerbittlicher Schärfe durch¬
leuchtet, zugleich aber durch die hohe Kunst¬
form seiner Werke dem modernen deutschen
Schrifttum wie wenige andere Weltgeltung
verschafft hat. Mit ihm zugleich werden der
tapfere Bert Brecht, als Verfasser der
„Dreigroschenoper“ in weitesten Kreisen be¬
kannt, und Alfred Döblin, dessen be¬
kannter Roman „Berlin=Alexanderplatz“ eine
ganz neuartige Darstellungsform begrün¬
dete. auf den Scheiterhausen geworsen. In
ihrem Haß erweisen die braunen Kultur¬
schänder wenigstens einen sicheren Instinkt
für das Wertbeständige und Bedentsame im
deutschen Schrifttum! Auch Österreicher
finden sich auf der Ehrentafel dieser
Schwarzen Liste: der tote Artur
bserver
Wien I. Wollzeile 11
Telephon R—23—0 43
Das Kleine Blaft
28. April 1933
Nr. 116
3.70
ETN
DT O DL
[Schnitzler, Stephan Zweig, Richard winden, das trauen sich die braunen Helden
Die Kultur auf dem Beer=Hofmann. Von Franzosen Bar=freilich nicht zu — viel einfacher ist es, seine
lbusse, der Kämpfer gegen Krieg und wissenschaftlichen Erzeugnisse auf den
Scheiterhäufen. Kapital; von den Tschechen Jaroflav Hasek Scheiterhaufen zu werfen. Sie vergessen,
sein braver Soldat Schwejk geht den daß Ideen nicht brennbar sind...
Die Reihe der Volksvergnügungen im
braven SA.=Soldaten halt auf die Nerven!
Dritten Reich nimmt ihren Fortgang. Erst
Man hat das deutsche Volk das Volk der
Daß ein erklärter Sozialist wie Ernst
wurden Marxisten gefoltert und Arbeiter¬
Denker und Dichter genannt. Seine Gelehr¬
[Toller von diesen Auch=, Sozialisten“
heime geplündert, dann Juden gehetzt —
samkeit, seine hohe Allgemeinbildung, seine
nicht geduldet wird, nimmt nicht Wunder. Achtung vor Wissenschaft und Buch haben
jetzt werden Bücher verbrannt! Nur keine
Wüten die brannen Horden schon sosihm seinen hohen Rang unter den Kultur¬
Atempause, nur weiter geschürt und getrom¬
gegen die Dichter, die sie im Verdacht frei=völkern verschafft. Das war einmal! Heute
melt, damit das Volk aus seinem Rausch
heitlicher, pazifistischer oder gar prole=ist er zum Raub branner Barbaren ge¬
nicht erwache — nicht erwache in dem schreck¬
tarischer Gesinnung haben, wie erst gegen worden, denen sein Kulturerbe gut genug
lichen saschistischen Alltag des Hungers und
den wissenschaftlichen Sozialismus! Karl ist für rohe Flammengankelspiele, um das
der Knechtung, der Arbeitslosigkeit und des
[Marx, dessen Geisteswerk Geschichte ge= Volk zu betören. Indem sie vom „Kampf
Lohndruckes! Da die Leiber darben müssen,
macht hat, wird selbstverständlich aus allen
sollen vorläufig wenigstens die Seelen an
gegen undeutschen Geist“ reden, zerstören sie
deutschen Büchereien verbannt, desgleichen den wahren deutschen Geist, vernichten sie
den lustigen Flammen erwärmen, in denen
Lassalle, desgleichen natürlich Lenin,auf ihren mittelalterlichen Scheiterhausen
die Kultur eines großen Volkes zu Asche
[Liebknecht, Bebel, Karl Kautsky, nicht, wie sie vermeinen, „jüdische“ oder
gebrannt wird...
Franz Mehring, Otto Bauer, Max' „marxistische“ Bücher, sondern die deutsche
Die schwarzen Listen werden schon zu¬
[Adler! Den Marxismus geistig zu über= Kultur!
sammengestelli. Sind sie fertig, dann be¬
Sneene
kommt die Se. wiede zu tun: sie holt die
verfehmten Bücher aus den Buchhandlungen
und Bibliotheken, aus den Volksbüchereien
und Universitäten, und schüttet sie auf
öffentlichen Plätzen zu großen Haufen. Und
dann kommt das große Schauspiel, das die
Menschheit seit den Tagen der Heiligen
Inquisition entbehren mußte: die Bücher¬
scheiterhaufen werden feierlich angezündet.
So glauben die Toren, indem sie Berge von
Papier verbrennen, den Geist auszu¬
rotten
Aber lehrreich ist's immerhin, auf wel¬
chen Geist sie es abgesehen haben. Der best¬
gehaßte deutsche Schriftsteller im Haken¬
krenz=Deutschland ist der Frontkämpfer
Remarque; er hat ja das Verbrechen
begangen, das wahre Bild des Krieges in
die breiten Massen zu tragen; das können
ihm diejenigen nicht verzeihen, die den
Massen, die sie wieder an die Schlacht¬
bank führen wollen, ein heroisches¬
Trugbild vom Krieg vorspiegeln müs¬
sen! Auch sonst haben sie's daher auf
die Verfasser ungeschminkter Kriegsbücher
scharf: Arnold Zweig, der Antor des
„Sergeanten Grischa". und Ludwig Renn,
der Verfasser von „Krieg“, müssen dran¬
glauben. Aber die Wahrheit können sie über¬
haupt nicht vertragen, und so verfällt auch
ein Heinrich Mann der Feme, der in seinen
großen Zeitromanen den deutschen „Unter¬
Dünkel mit unerbittlicher Schärfe durch¬
leuchtet, zugleich aber durch die hohe Kunst¬
form seiner Werke dem modernen deutschen
Schrifttum wie wenige andere Weltgeltung
verschafft hat. Mit ihm zugleich werden der
tapfere Bert Brecht, als Verfasser der
„Dreigroschenoper“ in weitesten Kreisen be¬
kannt, und Alfred Döblin, dessen be¬
kannter Roman „Berlin=Alexanderplatz“ eine
ganz neuartige Darstellungsform begrün¬
dete. auf den Scheiterhausen geworsen. In
ihrem Haß erweisen die braunen Kultur¬
schänder wenigstens einen sicheren Instinkt
für das Wertbeständige und Bedentsame im
deutschen Schrifttum! Auch Österreicher
finden sich auf der Ehrentafel dieser
Schwarzen Liste: der tote Artur