VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 58

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Ausschnitt aus:
vom:
31.0AN. 1935
GERECHTIGKEIT
Haben die Juden schöpferisch gewirkt?
große jüdische Namen auf; etwa Artur
Eine wahrhaft imposante Versammlung
Schnitzler, der durch sein Drama
der Harand-Bewegung hat vergangenen
„Der junge Medardus“ weltberühmt wurde.
Montag im XVIII. Bezirk stattgefunden.
Er findet nicht im vollen Maß die ver¬
Die ausgedehnten Lokalitäten des Gast¬
diente Anerkennung und nur, weil er Jude
hauses „Zum wilden Mann“ in der Wäh¬
war. An Schnitzler schließt sich eine lange
ringerstraße reichten kaum hin, die
Reihe großer jüdischer Schriftsteller an.
Massen der Erschienenen zu fassen. Lange
Um nur einige zu nennen: Beer-Hof¬
vor Beginn waren alle Tische dicht besetzt,
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mann, Wassermann, Hofmanns¬
an den Wänden und zwischen den Tischen
thal, dessen „Jedermann“ immer wieder
standen die später Gekommenen und
den Mittelpunkt der Salzburger Festspiele
stellenweise herrschte fast beängstigendes
bildet, Werfel, Stephan Zweig, Lion
Gedränge.
Feuchtwanger.
Auf die vielen Hunderte wartete zu¬
nächst eine große Enttäuschung, denn
Glänzende jüdische Namen wie in
Frau Harand war durch eine starke Bron¬
der Literatur finden wir auch in der
chitis verhindert, in die Versammlung zu
Musik. Da ist vor allem Mendels¬
kommen. Zu ihrem größten Bedauern, aber
sohn-Bartholdy, der u. v. a.
auf strengen Befehl des Arztes mußte sie
eines der schönsten und meistgespielten
das Zimmer hüten. Die Enttäuschung
Violinkonzerte geschrieben hat und
wurde einigermaßen durch die Mitteilung
der die weltberühmten „Lieder
gemildert, daß Frau Harand in der näch¬
ohne Worte; komponiert hat. Er
sten Zeit in dem benachbarten IX. Bezirk
hat Schumann gefördert und die Leip¬
sprechen werde.
ziger Gewandhauskonzerte auf unge¬
Herr Amtssekretär Führer als erster
wöhnliche Höhe hinaufgeführt. Mayer¬
Redner des Abends hatte die unangenehme
beers großartige Opern „Die Afri¬
Aufgabe, die anfangs etwas getrübte
kanerin“,
„Die Hugenotten“ „Der
Stimmung zu besiegen. Er verstand es,
Prephet“ stehen auf dem Spielplan
schon während der ersten Minuten seines
aller Opernbühnen. Ebenso „Hoff¬
Vortrages die Versammelten zu fesseln,
manns Erzählungen“ von Offen¬
und bald hatte die Stimmung die ge¬
bach, dessen klassische Operetten
wohnte Höhe erreicht, die dann auch
gleichfalls aus den Spielplänen nicht
während des ganzen Abends nicht mehr
wegzudenken sind. Wer kennt nicht
Halévys „Jüdin“ Goldmarks
Wir entnehmen den Darstellungen des
„Königin von Saba“? Zum Schluß sei
Herrn Führer folgendes:
unter den großen Komponisten noch
Gustav Mahler genannt, der auch
Ich soll heute über das Thema zu
als Direktor der damaligen Wiener
ihnen sprechen: „Haben die Juden schöp¬
Hofoper eine große Rolle gespielt hat.
ferisch gewirkt?“ Da muß ich als erstes
erwähnen, daß mein Vortrag nur einen
Unter den zeitgenössischen Malern
kleinen Ausschnitt aus dem Wirken der
einer der hervorragendsten ist der Jude
Judenheit bringen kann, denn es würde
Max Liebermann. Der heute Fünfund¬
über den Rahmen eines Abends weit hin¬
achtzigjährige ist Mitbegründer der Ber¬
ausgehen, die schöpferische Arbeit der
liner Sezession, Mitbegründer des Im¬
vielen berühmten und großen Mäner, die
pressionismus. Er hat sehr viel zu
die Juden hervorgebracht haben, auch nur
dem Ruhm der deutschen Kunst
zu streifen.
beigetragen. Nichtsdestoweniger
Die breite Masse des Volkes ist nicht
wurde er von einem Goebbels so
sehr urteilsfähig und seit Jahrhunderten
schmachvoll behandelt, daß man ihm ein
wird sie immer wieder von gewissenlosen
Dekret übersandte, durch das ihm
Hetzern gegen eine kleine Minderheit auf¬
das Malen verboten wird. (Heftige
gewiegelt. Nur den niederträchtigen Me¬
Pfuirufe.) Wenn man von allem anderen
thoden des Hakenkreuzes und seiner Vor¬
absieht: Welche unglaubliche Brutalität
läufer ist es zuzuschreiben, daß es heute,
liegt darin, einem Mann von 85 Jahren
im zwanzigsten Jahrhundert, noch einen
so viel Kränkung zuzufügen! Weitere be¬
Antisemitismus gibt.
rühmte jüdische Maler sind unter vielen
anderen Isidor Kaufmann, Jehudo
Ehre, wem Ehre gebührt, heißt ein
Epstein, Josef Isracls.
altes Wort. Aber den Juden, aus deren
Vielleicht noch Größeres als auf dem
Mitte so viele ausgezeichnete Männer
Gebiet der Kunst haben die Juden in der
hervorgingen, will man die Ehre ver¬
Wissenschaft und in der Technik
weigern. Es ist unglaublich, welchen
geleistet. Wir alle wissen, daß seit dem
Brutalitäten die Juden ausgesetzt sind,
Mittelalter eine fürchterliche Krankheit
und gerade das Volk, das sich zu den
die Menschheit peinigte: die sogenannte
ersten Kulturvölkern rechnete, das
„französische Krankheit“, die Syphilis. Sie
deutsche Volk, hat hier Schritt¬
triumphierte über alle Versuche, ihrer
macherdienste geleistet. (Heftige Pfui¬
Herr zu werden. Bis der Jude Paul Ehr¬
rufe.) Ich selbst bin Christ, aber ich
lich erschien und das Salvarsan erfand.
habe mich sehr viel mit den Leistungen
Seit damals ist die Menschheit von der
der jüdischen Mitbürger beschäftigt.
Geißel der Lustseuche befreit. Ein anderer
Ich muß sagen, es ist mir unverständ¬
ganz großer jüdischer Arzt ist Wasser¬
lich, wie ein denkender Mensch, wie
mann, ohne dessen nach ihm benannte
jemand, der sich in Geschichte, Kunst
Wissenschaft wurde aus Deutschland aus¬
gewiesen und erst kürzlich ist man gegen
seine beiden Töchter gewalttätig vor¬
gegangen, indem man ihre Villa bei Berlin
enteignete und für das Hakenkreuz in Be¬
sitz nahm. Die Nationalsozialisten sehen
nicht darauf, was jemand leistet, sondern,
von einem Wahnsinn befallen, anerkennen
sie nur dann eine Leistung, wenn sie von
einem „Arier“ herrührt.
Unbestreitbare ratsache ist, daß die
Juden in allen Ländern und auf allen
Gebieten Hervorragendes geleistet
haben. Nur wird es immer wieder
verschwiegen. Von den zwei
Milliarden Menschen, die es auf der
Erde gibt, sind nur 17 Millionen Juden;
das ist lange kein ganzes Prozent.
Aber von den 170 Nobel-Preisträgern
OBERSETZUNGEN
AUS ALLEN SPRACHEN
IN ALLE SPRACHEN
DEMAN
I. FISCHHOF 3
BEIM HOHEN MARKT: „ANKERUHR“
TELEPHON: U-20-7-14, A-43-8-63
sind 19 Juden, das sind 12 Prozent.
Aber noch ganz anders verschiebt sich
diese Statigtik zugunsten der Juden,