VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 69

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vom: 30. Dez., M.956
Karl. Inhauser
Kulturpolitische Probleme in Österreich
Vorerst: die Verjudung des Wiener Kunst=s
lebens — insbesondere jene des Wiener Theaterlebens —
ist durchaus keine Tatsache von heute. Denn ganz ebenso
wie die sogenannte moderne Wiener Schaubühne bereits um
die Jahrhundertwende in ihren reklametechnisch hinaus¬
posaunten „prominenten“ Vertretern fast eine bevorrechtete
Angelegenheit des Judentums gewesen ist, so war es auch
mit den literarischen Persönlichkeiten in der Stadt der Lie¬
der, in der das Andenken an Franz Schubert ungestört an
die Firma „Schuberté“ im Dreimäderlfreihauscharakter ver¬
schachert werden durfte, nicht anders bestellt. Man lasse sie
einmal im Gespensterreigen allesamt Revue passieren: da
war der Jude Arthur Schnitzler, der sich zum literarischen
Sachwalter des Wiener= Süßen=Mädel"=Typus aufwarf und
im „Reigen“ seiner sexuellen Welt als Komplexvorstellung:
freien Lauf ließ; da war der Jude Peter Altenberg —
recte Richard Engländer — der in seinen „Skizzen“ das
Wiener „Aroma“ zum ieweiligen Marktpreis ausbot; da
war das jüdische Gänsemännchen Jakob Wassermann, der
sich was darauf zugute tat, daß Josef Kainz ihm vom
Bücherladentisch den Weg zum Wiener Olymp gewiesen
hatte; da war der Judenstämmling Hugo von Hofmannsthal,
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der unter dem Decknamen Loris seinen ersten so „barocken“
Gedichtband veröffentlichte. Von ihm stammt übrigens jene
Oedipus=Bearbeitung, in der Jokaste im reinsten griechischen
Idiom die heikle Frage tut: „Er sagt, was heißt, er sagt?“.