VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 68

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Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
„OBSERVER“
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Ausschnitt aus:
rechtigkeit, Wie¬
vom:
0
Deutschlands Kries gegen seine Gelstesheroen
Namen, der wie ein Rocher de bronce vor
Vom Kesseltreiben gegen Goethe ist
unflätigen Beschimpfungen und Angriffen
in diesem Blatte schon öfters die Rede
sicher wäre. Was ist, von Berlin aus
gewesen, und auch die Leser der „Ge¬
betrachtet, von der langen und dichten
rechtigkeit“ wissen nun schon, daß
Kette der Namen, die Deutschlands Ruhm
er ein hinterlistiger, heimtückischer Juden¬
in der Welt begründet haben, übrig ge¬
und Freimaurerknecht gewesen ist, der
blieben? So gut wie nichts! Das Volk
seinen edlen heroisch-arischen Freund
der Dichter und Denker brüllt, so laut es
Schiller so mir nichts dir nichts hat
nur kann, in die Welt hinaus, daß an
vergiften und um Mitternacht verscharren
diesen Dichtern und Denkern, die doch die
lassen. Aber das ist noch nicht alles. Denn
ganze Welt verehrt, nichts dran gewesen
auch mit Schiller steht es, im Grunde
ist. Natürlich hat auch diese seltsame
genommen, nicht ganz sauber, und die
Kampagne, wie alles im Dritten Reich, ihre
„Deutsche Reichskulturkam¬
wohlberechneten Hintergünde. Nur wenn
mer“ hätte, wenn er heute lebte, große
die Stimmen der großen Dichter durch
Bedenken, ihm das Schreiben zu gestatten.
schmutzige Zwischenrufe zum Schweigen
Nicht nur, daß er gelegentlich sehr
gebracht worden sind, sind die der kläg¬
freundliche Worte über Juden gesagt,
lichen, größenwahnsinnigen Nazi-Dichter¬
war an ihm verderblich, sondern — o
linge vernehmbar, nur wenn es gelingt,
Graus — er hat „die deutsche Tragödie in
jeden Gedanken und jede Erinnerung an
die Knechtshcaft des feigen jüdischen
die großen Philosophen und Staatsdenker
Moralismus gebracht“ Wer sich dafür
zu tilgen, sind die Auslassungen Rosen¬
interessiert, kann es in allen möglichen
berg s oder die Lektüre von, „Mein
„wissenschaftlichen“. Auslassungen lesen.
Kampf“ ohne Brechreiz lesbar. Damit
Höchste Autoritäten haben es bestätigt,
die Pseudohelden zu wirklichen Helden
daß sein Werk der vergebliche Versuch
aufgeputzt werden können, müssen die
gewesen ist, sich „von den Ketten jüdischer
wirklichen Helden vernichtet werden. .
Weltanschauung zu lösen“. Es ergibt sich
Natürlich begreift das Ausland, und
nun die Frage: Wer hat den armen
besonders das immer noch wohlgesinnte
Schiller denn so Jjüdisch verseucht? Ganz
Ausland, diesen verächtlichen Hexensabbat
einfach, das ist kein anderer als Kant
nicht. Neulich ist in Berlin etwas Komi¬
gewesen! Das war nämlich ein ganz
sches passiert. Ein prominenter Japaner
Schlimmer. Die sittliche Autonomie, der
Vhielt einen Vortrag über japanische Lite¬
kategorische Imperativ? Dem Führer
ratur. In seiner Achtung vor deutschem
Order parieren, das ist deutsch, alles Ge¬
Geistesleben und auch wohl, um seinen
rede von Sittlichkeit ist jüdisch im höch¬
Gastgebern etwas Freundliches zu sagen,
sten Grade! Ganz zu schweigen davon, daß
erzählte er davon, daß in Japan deutsche
dieser Pazifist und Drückeberger sogar ein
Literatur viel übersetzt und geschätzt
Buch über den „ewigen Frieden“ geschrie¬
werde. Nicht nur, so sagte er, kenne man
ben hat. Das ist ja geradezu Volksverrat!
allenthalben die großen Werke Goethes
Und mit all diesem zersetzenden Zeug hat
und Schillers, sondern auch die Werke der
er den Schiller, der ganz gute Anlagen
großen neueren Deutschen, beson ers die
gehabt hat, natürlich verdorben. Und nicht
Gerhart Hauptmanns, Hugo v.
nur den, sondern auch den Fichte. Der
Hofmannsthals, Artun-Schnitz
ist nämlich trotz seiner „Reden an die
Lers und vor allem THöMas Manns.
deutsche Nation“ auch sehr mit Vorsicht
Es ist unnötig, zu erwähnen, daß die
zu genießen. In seiner „Bestimmung des
Presse mit einem Wutgeheul antwortete.
Menschen“ hetzt er ja geradezu zum Klas¬
Denn Gerhart Hauptmann, gewiß, er
senkampf! Und an allem haben die Juden
schreibt heute S.-A.-Festspiele, aber er
schuld. Ja tatsächlich, fast alle großen
hat doch eine sehr unzuverlässige Ver¬
deutschen Geistesheroen sind jüdisch zer¬
gangenheit, Hofmantsthal und Schnitzler
setzt gewesen. Wie gut ist es nur, daß da
waren Juden und Thomas Mann ist gar
endlich, leider schon viel zu spät, der
ein „Vaterlandsverräter“ par excellence,
„Führer“ gekommen ist und es gemerkt
für dessen Ausbürgerung seit kurzem viele
hat
braune Prominente Lanzen brechen. Viel¬
Ich habe im vorstehenden leider nicht
leicht war der japanische Herr erstaunt.
zu übertreiben und nur wenig zu ironi¬
Oder hat er vielleicht eine kleine Lektion
sieren brauchen. Das steht heuzutage allen
erteilen wollen?
Ernstes in „wissenschaftlichen“ Zeit¬
Dr. Peter Varlosen.
schriften. Es gibt kaum noch einen großen