VII, Verschiedenes 11, 1899–1901, Seite 52

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1. Miscellaneons
Audl-Jun
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Operettengrößen herangebildet hat und in Wien sehr bekannt
Tritsch=Tratsch.
7000 lwar, is heuer im Sanatorium gestorben. Er war immer sehr

„Beim Bühnentürt müssen S' mir genau alle Größen für die Leichenverbrennung und so hat er zwei Bestimmungen
im Testament getroffen, eine, daß er nach Gotha überführt
zeigen?“ bat die Klatschbase und so mußte der Moritz sein
werden möge und dann, daß hierbei zwei gute Freunde was
Versprechen halten. „Is dös a Star? Kommt der Reimers
bald? Das muß gewiß eine große Künstlerin sein?“ so floß sterblich is an ihm, auf die Fahrt nach Deutschland begleiten,
es ununterbrochen fragend von ihren Lippen. Der „Elfer“ aber All das hat man respektiert. Nun wollten die Angehörigen aber
beendete ihren Schwall mit der Erklärung: „Schaun Sie, auf'n Wiener Friedhof ihn, resp. die Asche beisetzen und da
is nach langem Hin und Her entschieden worden im Instanzen¬
Fräul'n, die Sache is so. Man erkennt auf'n ersten Blick, was
a wirkliche Größe und was bloß a Mitglied von der Komparserie zug: Er braucht nicht in der Urnenhalle des Krematoriums
is. Kommt einer aus'm Theater ruhig und ohne Faxen her= die letzte Ruhe zu finden, er darf in der geweihten vater¬
aus, steigt in sein Wagen oder geht auch zu Fuß, ohne den Kra=ländischen Erde ruhn. Aber: die gesammelte Asche hat hierzu,
wenn sie nach Wien gebracht is, extra in einen, die normale
gen ängstlich aufzustülpen, so is es a großer Künstler. Der
Kainz hat's Gesicht frei, der Slezak pfeift sich ungeniert a Liedl] Größe aufweisenden Sarg gelegt zu werden und der wird dann,
und der Demuth raucht ohne Angst vor der frischen Luft seine dem Ritus entsprechend, als trüge er den Körper des Ver¬
blichenen, nach einem separaten Leichenbegängnis bestattet. Nun
Zigarre. Wenn aber a glattrasiertes Jüngel herauskommt,
sich Mund und Nase ängstlich mit'n Sacktuch vermummt, damit kommt das Unerhörte. Die zwei Freunde, welche dem Toten
ihm die kostbaren Millionen in der Kehle, Gott behüt' nicht zur vorletzten Fahrt das Geleite gaben, besteigen, die Asche in
Schaden leiden, so können Sie schwören, Fräul'n, es is a Päckchenform mit sich führend, zur letzten Fahrt den Zug nach
Wien —“
Chorherr oder aner von der Statisterie, was sei Organ
„Da muß aber der, was die kostbare Fracht bei sich gehabt
höchstens amal in Leitomischl wird hören lassen!“
„Aber die Fiaker, die warten doch nur auf begnadete hat, sehr auf das kleine Kolli acht gegeben haben?“ unterbrach
atemlos die Hörerin.
Bühnenkünstler?“
„Ruhig. Er hat es mit größter Sorgfalt behandelt, mit
„'s kommt drauf an. Manche weibliche, die so a Equipage einer solchen auffälligen Behutsamkeit, daß das einem fremden
abholt, sind hauptsächlich insofern begnadet, als es ihnen der Coupegenossen offenkundig aufgefallen is. Vielleicht hat sich der
Herr, oft a aristokratischer Herr, im „Schlafe“ gegeben hat.
gedacht, das Kistchen müsse Goldstaub oder Schmuck oder sonst¬
In der Wasagasse zum Beispiel, wo die Neue Wiener Bühne
was Wertvolles enthalten. Kurzum, werden Sie nur nicht
heuer so eine Garnitur entzückender Frauenzimmer engagiert
nervös, trotzdem die Sache danach is, der Herr, der die Asche
hat, — Gott ich sag' ja nix, denn ich bin doch ka Traischen,
in Verwahrung hatte, war zur Nachtzeit eingeschlafen und als
wie Sie wissen, — waren noch nie so viel fürstliche und barön¬
er aufwachte, sah er, daß nicht nur der fremde Mitreisende, son¬
liche Gummiradler zu sehen, wie jetzt. Und dabei hat das
dern gleichzeitig auch das Päkchen spurlos verschwunden war. Der
Theater daneben noch so viel wirkliche Talente, die natürlich
tote Freund war ihm gestohlen worden! Nichts kann das
zu Fuß gehn.“
Entsetzen des Unvorsichtigen schildern und nichts die Peinlichkeit
„Die Lisa Michalek, net wahr, meinen S', von der jetzt des Gedankens, was der enttäuschte Dieb wohl mit der Asche
weg'n 'n „Luxuszug“ ganz Wien spricht?“
getan haben könne, der Asche des für die reinste Bestattung
„Jawohl, das is eine von den stärksten Begabungen und enthusiasmierten Mannes. Man half sich, indem man den
jetzt hören Sie sich der ihren Werdegang an. Vor zwei Jahren Schein aufrecht hielt; in den Sarg wurde ein Päckchen gelegt,
is die junge Schauspielerin, a Schwester von der Opernsängerin,
ein Päckchen Sand, dem nun alle weiteren Zeremonien galten.]
im Berliner Theater aufgetreten. Als Franziska in „Minna
Die wenigsten Sänger und Schüler hatten eine Ahnung..
von Barnhelm“. Sagen die Spree=Kritiker: „Es war nischt!“ Nun, was sagen Sie dazu?“
Schreit der Direktor Meinhard: „Aus Ihnen wird Ihr Lebtag
„Jetzt sag' ich gar nix mehr,“ erwiderte das Mädchen,
nichts rechtes. Die Bühne möcht ich sehn, an der Sie mög¬
hielt Wort und blieb stumm.
lich sind!“ Geht die Michalek nach Wien, gefällt in „Revo¬
Der Moritz aber ersah aus dieser ihrer außergewöhn¬
lutionshochzeit“, verdreht jetzt den Leuten 'n Kopf und is aufs
lichen Leistung, daß sie auf dem Markte des Neuigkeitskrams
übernächste Jahr — Hofburgschauspielerin. Für die Burg is
ihn wirklich als „hors concours“ anerkannte.
sie also grad noch möglich, wie Sie sehn!“
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„Aber jetzt so was, wia si die Fachleut täuschen können.
Besonders dann, wann sich's um Theatersachen handelt!“ rief?
die Maltschi.
„Pscht!“ sagte der Moritz und hielt ihr den Mund zu,
um ja nicht aus dem Text gebracht zu werden. „Sie ha'm mir
da das Stichwort gegeben zur Erzählung von einem Fachmann,
der zwar a Arzt is, aber für uns größtes Interesse hat, weil
er vor allem auch a Dichter is. Der ärztliche Fachmann Arthur
Schnitzler, der mit'n literarischen Fachmann gleichen Namens
in Wettbewerb getreten is. Er übt die erstere Praxis zward
nicht aus, aber wenn man sich Vater zu fühlen beginnt ...
Was soll ich Ihnen sagen. Sie wissen doch. Also er hat ge¬
schworen, seiner lieben Frau und seinen Bekannten, er wirde
gleichzeitig an doppelten Geburtstag feiern können. Dens
von (sein' neuesten Bühnenstück und den von seinem erwartetens
—Kind. Die große Frage im Hause des Dichters war nämlich
nicht nur: „Bub oder Mädel?“ sondern auch, was wird früher
fertig sein, diese oder die andere, die geistige Schöpfung? Die
Meinungen waren geteilt, denn wenn a Autor es auch in der
Hand hat, sein „Finis“ unters Werk zu setzen, die Natur läßt
sich die Schlußpointe nicht immer auf die Stunde vorschreiben.
Aber siehe da: der literarische Fachmann hat schließlich doch noch
Aenderungen vornehmen müssen und als die — Spannung aufs
höchste gestiegen war, hat auch der ärztliche seine Genugtnung
gehabt und recht behalten. Und weil es gar das so heiß er¬
sehnte Töchterchen war, die willkommene Ergänzung zu dem