VII, Verschiedenes 11, 1902–1906, Seite 19

——
box 41/1
1. Miscellaneons
1die Rede war, so ist unter Umständen gar nicht abzusehen, wie
die Autoren diesem Ring mit Erfolg sich entgegenstellen könnten.)
Man hat jetzt viel von der Macht der Organisation gesprochen; es ist
sogar eine Union der dramatischen Schriftsteller und Komponisten
entstanden, die manches Hühnchen mit den Wiener Theaterdirektoren
zu pflücken gedenkt. Die Sache steht freilich auf schwachen Füßen.
So lange die Bühnenleiter den Standpunkt einnehmen, daß man
ein Theater wie einen Krämerladen betrachten muß, ist nicht viel
zu hoffen. Die Versimpelung der Zustände schreitet rastlos
vorwärts.
„In Rußland ist's noch ärger", versicherke bei der
Gründungsversammlung der Autoren=Union ein Delegierter der
russischen Gesellschaft dramatischer Schriftsteller. Bei dieser Gelegen¬
heit passierte aber dem Redner eine entzückende rednerische Entgleisung.
Er entwarf ein anschauliches Kulturbildchen. Er erregte sich hiebei
merklich — man verspürte den Brustton der Ueberzeugung. Artur
Schnitzler saß dem Sprecher gegenüber und hörte aufmerksam zu.
Plötzlich zuckte er zusammen. Der Mann aus Rußland rief: „Sie
haben ja keine Ahnung, wie verstümmelt die Stücke selbst der be¬
rühmtesten deutschen Autoren in Rußland aufgeführt werden.
Ich denke an Herrn Dr. Artur Schnitzler und sage
Ihnen, er würde sich im Grabe umdrehen,
wenn er einer russischen Aufführung eines seiner Stücke
beiwohnen würde!“ Schallendes Gelächter im ganzen Saale. Alle
Blicke sind auf Schnitzler gerichtet, der gerade gelassen sein Nacht¬
mahl verzehrt. Der Redner ist über seinen Heiterkeitsepfolg
erstaunt, stockt eine Weile und verbessert sich rasch: „Jawohl,
Schnitzler würde sich im Grabe umdrehen... ich meine „natürlich
Ffeinerzelt. So wollte der gute Mann seinen kleinen Lapsus
wieder gut machen. Aber auch jetzt blühte ihm wieder ein Lach¬
erfolg. Er mag die russischen Zustände genau kennen, unsere
heimischen Unsterblichen scheinen ihm fremd zu sein.
Von einem frischen Grabe soll hier auch gesprochen werden.“
Die Direktion des Deutschen Volkstheaters hat am Allerseelen¬
tage das Grab des ehemaligen Direktors Emmerich v. Bukovics
mit Blumen geschmückt. Das ist ein schöner Zug, der die Richtig¬
keit aller Aussprüche über die Pietätlosigkeit der Mimen über den
Haufen wirft. Man hat dem wackeren Manne, der große Be¬
Theater und Kunst.
liebtheit genoß, ein schönes Andenken bewahrt. Und Allerseelens
sah man es deutlich, daß der Name des früheren Direktors nocht
im Repertoire aller Herzen fortlebt.
Hinter den Kulissen.
„Lieber sterben, als weiter so leben!“ ruft dafür Herr Schmedes.
(Der große Krach.
— Der Exdirektor.
—. Die Antrittsvisite bei
Schlenther. — Ein gehaltenes Versprechen. — Eine Lautenburgiade.
Er fühlt sich nämlich sehr unbehaglich. Allerlei Privatangelegen¬
Die Pächter.
Der geschlagene Konkurrent.
Operette
heiten bedrücken sein Gemüt. Sie kosten ihn Geld, so viel Geld,
Trumpf. —
Die
Die Direktoren als Verleger. — Ein Theatertrust.
daß er es jedem erzählt, wie nötig er eine Gageerhöhung hat.
Interessen der Autoren. — Der lebendige Schnitzler.
Was er im
Jetzt ist er zum Fürsten Montenuovo gegangen. Vorgestern machte
Grabe täte. — Das Malheur des Redners, — Der pietätvolle Kollege
Weisse. — Die Sorgen des Herrn Schmedes.)
er dem Allgewaltigen der Hoftheater einen Besuch und trug ihm
Man hört nicht auf, davon zu sprechen. Von Lautenburgs seine Schmerzen vor. Er verlangte eine Erhöhung seiner Bezüge
das war das erste; dann beanspruchte er die Garantie für
Glück und Ende nämlich. Alles, was zum Theater gehört, be¬
schäftigte sich mit der Angelegenheit: sie drängte alle übrigen Er= einen vierwöchigen Urlaub in der Saison — das war das
zweite; dann wollte er einen Modus geschaffen wissen, daß
eignisse in den Hintergrund. Ein bißchen Schadenfrende macht sich
man ihm in Krankheitsfällen nicht das ganze Spielhonorar
natürlich geltend. Herr Lautenburg hatte proklamiert, daß er
streiche
das war das dritte. „Sonst nichts?“ dachte
den Wienern zeigen werde, wie man Theater spielen müsse. Nun
Fürst Montenuovo. Aber Herr Schmedes hatte eine Reihe von
weiß man es. Ehe er sein Amt übernahm, machte er eine An¬
Argumenten zur Hand, um seine Bitte zu unterstützen. Er hatte
standsvisite bei Schlenther.
im vorigen Monat sehr häufig abgesagt, und als der Gagetag
„Sie können ruhig sein, ich werde Ihnen keine Konkurrenz
kam, erhielt er eine so kleine Summe ausgezahlt, daß ihm nach
7
bereiten“, versicherte er und Schlenther meinte in seiner üblichen
Abzug aller seiner Verpflichtungen ungefähr 150 Kronen für den?
trockenen Manier: „Ich hoffe, Sie werden Ihr Versprechen
ganzen Monat zum Leben übrig blieben. Natürlich hat er noch
halten.“
sonst einiges Geld, aber die Tatsache selbst besteht und Herr
Jetzt erinne# man sich an diesen Dialog. Man zitiert aber Schmedes will unter allen Umständen von seiner Kunst auch den
auch zur Illustration jene hübsche Anekdote, wie Lau enburg im
Vorteil haben. Lieber geht er nach Amerika. Und der Fürst
vergangenen Sommer nach Berlin kam und das Plakat einer
hörte ihn wohlwollend an, sagte ihm ein paar freundliche Worte
großen Ausstattungspantomime studierte: „Die letzten Tage von
und entließ ihn mit der Versicherung, daß die Wünsche und Be¬
Pompeji“. Kopfschüttelnd las er den Titel und fragte: „Die
schwerden geprüft werden sollen. Herr Schmedes ist jetzt ein
letzten Tage von Pompeji? Wieso? Sind denn die Leutewenig getröstet.
schon pleite?“
Es war eine kurze Herrlichkeit. Von der Literatur schwenkt
man zur Operette ab. Karczag, Wallner und Lehar haben das
Rennen im Raimund=Theater gemacht. Die Direktoren Aman und
Eibenschitz sind verstimmt; sie hatten sich gleichzeitig um den Pacht
beworben, aber sie boten bloß 100.000 Kronen; die Konkurrenz
schlug sie mit 102.000 Kronen. An solchen Kleinigkeiten scheitern
oft die schönsten Pläne. Das Wiener Theaterleben soll also jetzt
ganz von der Operette beherrscht werden; nächstes Jahr kommt:
noch das Johann Strauß=Theater hinzu, und überall
wird es singen und klingen. Solange gute Werke auf den Markt
kommen, ist ja auf Erfolg zu rechnen. Aber wenn die Produktion
# n

###s merd
de. dI. #