VII, Verschiedenes 11, 1902–1906, Seite 40

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Denn nicht ich habe die hübschen Schmuckstücke geformt und Stütze bleibe? Wozu?“ (Man sollte meinen, daß sich dafür doch
vielleicht irgend ein Grund finden ließe.) „Es ist der Geist, der
ciselirt, ich habe sie nur gesammelt. Es sind Kostbarkeiten, heraus¬
sich den Körper baut,“ — aber dann hätte sich der edle Geist
gefischt aus dem Meere der Zeitungs= und der Buchliteratur.
Unsere Freude wird eine harmlose sein, und wir werden uns nicht mit dem „faulen Träger“ nicht besonders ausgezeichnet! — „es
überheben, mein lieber Leser. Etwas Menschliches passirt Jedeml ist der Geist, der nimmer müde das träge Lastthier
Schon wieder! Ich weiß nicht, ob
einmal, und es ist Menschliches, allzu Menschliches, was uns Menschenleib“
eine Frau, auch wenn sie sechzig Jahre alt geworden ist, es sich
unterhalten wird. Eines möchte ich vorweg noch betonen: meine
gefallen lassen muß, daß mit ihrem Leib so umgesprungen werde!
Schätze sind echt. Es gibt da nicht eine einzige Fälschung. Auch
„an seine Pflicht gemahnt und ihn aufrecht hält. Und wird
nur eine solche würde die ganze Sammlung um ihren Credit
er dennoch müd' und träg', nützt selbst des hohen Geistes
bringen. Die Provenienz ist bei jedem Stück genau festgestellt,
rühriger Ansporn nicht mehr, dann steigen Menschen von der
und immer bin ich in der Lage, Quelle und Datum genau an¬
Größe unserer Suttner lächelnd noch und stillbeglückt
zugeben. Ich beginne:
den Weg hinab in das Gebiet, von deß Bezirk kein Wanderer
Eine von ihrem Correspondenten sonst vortrefflich bediente
Wiener Zeitung bringt unter dem versprechenden Titel „Sturm!“ wiedergekehrt.“ Das möchte ich nicht so schroff hingestellt haben,
aber Eines ist sicher, der Mann ist ein Schmeichler! —
folgenden dramatischen Situationsbericht aus dem ungarischen
Parlament: „Kaum sind diese Worte des Ministers
In einer Tageszeitung fand ich folgende Correspondenz:
verhallt, erhebt sich im ganzen Hause ein fürchterlicher Sturm.
„Eine gefährliche Donaufahrt. Aus Szent=Endre schreibt
Es hat den Anschein, als ob eine weitere Verhandlung unmöglich
man uns: Von Sziget=Monostor wollten heute Früh mehrere
wäre. Sämmtliche Abgeordneten springen von ihren Sitzen auf ungarische Landleute mit einem Wagen über die scheinbar
und eilen der Mitte des Saales zu. Abgeordneter Molnar ist
zugefrorene Donau auf das jenseitige Ufer nach Szent=Endre zum
ganz außer sich. Es kommt zu drohenden Handbewegungen.
Wochenmarkt. Als sie ungefähr die Mitte des Stromes erreicht
Man glaubt, daß der Streit in Thätlichkeiten ausarten werde.
hatten, setzte sich das zu schwache Eis unter ihnen in Bewegung,
Mehrere Mitglieder der Rechten eilen herbei und legen sich
und Wagen und Pferde versanken rettungslos
ins Mittel. Graf Andrassy und Szentivanyi suchen die Mit= zwischen den treibenden Eisschollen. — Wenige Stunden nach
glieder der Opposition, die, äußerst aufgebracht, in der Mitte
dieser Katastrophe ereignete sich ein Vörfall, der leicht noch
sverhängnißvollere Folgen hätte haben können.“
des Saales einen Knäuel bilden, zu beschwichtigen. Es kommt
zu einem Wortwechsel zwischen Justh und dem Grafen Julius Es wird erzählt, daß noch einige Landleute die Fahrt wagen
Andrassy. Minister Fejervary steht während dieser stürmischen wollten, aber es wird nicht mitgetheilt, was noch Schlimmeres
Sitzung ruhig mit verschränkten Armen da und passiren kollnte, als rettungslos zu versinken. Jedenfalls hatte
ordnet ruhig seine Papiere." Ich habe es aber der Correspondent recht, eine solche Donaufahrt als eine
immer gesagt, daß Minister Fejervary kein gewöhnlicher Mensch
„gefährliche“ zu bezeichnen.
ist, und finde es ganz in der Ordnung, daß diese seine Leistung
Aus einem Fachblatt für Theater, Musik und Literatur
in die Welt hinaustelegraphirt worden ist.
hebe ich einen Artikel hervor, der mit vollem Namen unterzeichnet
In einer großen Anzahl von Zeitungen war
ist. Der Verfasser steht also ein für das, was er geschrieben. So
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aus Rom
kürzlich folgendes Originaltelegramm
ist's recht! Der Artikel ist Arthur Schnitzler gewidmet und hebt
lesen: „Während der Kaiserrevue unternahmen zwei
an: „Mitten auf der Straße des Lebens begegnen wir
Genieofficiere einen Ballonaufstieg. Gegen 2 Uhr Nachmittags
einem Mann, dem der Genius seine leuchtenden Zeichen ins
begann der Ballon in der Nähe von Castelnuovo zu sinken.
Auge geprägt hat.“ So ’was thut weh! „Wir halten
dieses be¬
Einer der Officiere entstieg dem Ballon; in demselben Momente
ihn zuerst für einen großen Zauberer; denn —“
öffnete sich aber das Sicherheitsventil, und der stark erleichtete
gründende „denn“ ist besonders zu beachten! — „denn seine!
Ballon stieg mit seinen Insassen mit Blitzesschnelle in die Höhe
Worte prägen sich in unseren Geist ein und schlagen dort
und verschwand in den Wolken. Von dem Luftschiffer hat man bis Wurzel. Weich und süß klingen sie durch unsere
heute noch keine Spur.“ Der Fall ist ein compleirter. Es
Herzen, wild und mächtig schlagen sie in unsere
mag ja in der That recht fatal sein, wenn bei einem
Seele ein; grausig und gräßlich kriechen
Luftballon das Ventil zu unrechter Zeit sich öffnet oder ge¬
sie durch unser Hirn.“ Die Bilder scheinen mir
öffnet wird, aber dann wird der Ballon nicht mit Blitzesschnelle
glücklich gewählt. Zunächst wird
ganz
doch nicht
in die Höhe gehen, sondern unfehlbar sinken, weil doch das Gas,
zu viel geprägt und geschlagen, und wenn dann Worte sich ein¬
das den Ballon trägt, durch das geöffnete Ventil sofort entweicht.
prägen, Wurzel schlagen, weich und süß klingen, und zugleich
Etwas hat da also doch nicht recht geklappt — vielleicht das
grausig und gräßlich klingen sollen, so ist das ein bißchen viel
— seh'n Sie! —
Ventil. — Ein anderes Telegramm meldete aus Klagenfurt:
auf einmal. „Doch er ist kein Zauberer,“
„Heute Nachts wurde der vierundzwanzigjährige Mechaniker Konrad
„sondern nur ein Doctor, ein Arzt der Seele. Aber er ist ein
Skurianz aus Klöblach=Lind in der Nähe der Station Leonstein
Meister seiner Kunst; denn er hält Tod und Leben in seiner
am Wörthersee aus bisher unbekannter Ursache von einem
Faust.“ — Wer hätte das von Arthur Schnitzler geglaubt?!
Eisenbahnzuge überfahren. Der Unglückliche ist während des
„Gleich einem Anatom nimmt er das blinkende, haarscharfe
Transportes in das hiesige Krankenhaus gestorben.“ Was mag
der Eisenbahnzug nur für Gründe gehabt haben?! Hoffentlich istMesser, seinen Zauberstab, der fast wie eine
es nachträglich noch gelungen, die „bisher unbekannte Ursache“ zu[Feder aussieht, und zerfasert eine Seele, zergliedert ein Ge¬
fühl in seine kleinsten Theile.“ Und so geht das fort! Ich glaube,
der Mann wird mit sich handeln lassen. Mit einigem Zureden
entdecken.
Ein sehr bekannter Schriftsteller schreibt: „Mit Angel
wird man ihn dahin bringen, zuzugeben, daß das Instrument
und Netz fängt man einen eingefleischten Junggesellen in das
des Dichters Arthur Schnitzler nicht nur fast, sondern vielleicht
Fangeisen der Ehe.“ Das scheint mir doch eine recht um¬
ganz so aussieht wie eine Feder, daß es am Ende gar vielleicht
ständliche und wenig Erfolg versprechende Methode zu sein,
wirklich eine Feder ist.
Jemanden ins Fangeisen zu bringen. Der Aufwand an Instrumenten
wird sich kaum machen lassen.
ist entschieden zu groß: —
Wenige Zeilen später schreibt derselbe Autor, und damit lüfte ich
beinahe sein Incognito: „— und natürlich beleidigten sich Alle
darauf.“ Er wünschte zu sagen, daß sich derauf Alle beleidigt
fühlten. Ein kleiner Unterschied, aber Gemüthsmenschen nehmen
das nicht so genau. Ein noch bekannterer Schriftsteller — es ist
Ernst v. Wolzogen, den wir ruhig nennen können, weil er als
Ueberdichter einen kleinen Puff schon aushalten kann — schreibt:
„Zu diesem blitzblanken, schmucken Sonntagsstaat wollten freilich
aber das geschah
die nackten Füße nicht passen,
zur Schonung der neuen guten Lederstiefel." Also
aus Schonung geschah es, daß sie nicht passen wollten. Darin
steckt immerhin ein gewisser Zartsinn. Ein anderer Ueberdichter
beschäftigt sich mit den „weißen und rothen Träubchen der Stachel¬
beeren“. Es begreift sich. Johannisbeeren sind nicht nach Jebermanns
Geschmack und Ribisel waren ihm vielleicht nicht hochdeutsch geuug. Aber
nicht nur aus der Naturgeschichte, auch aus der Musikwissenschaft
habe ich Bemerkenswerthes mitzutheilen. „In der letzten Ab¬
theilung ist auch ein eigenartiges poetisches Ballet „Die Rosen¬
hochzeit“ enthalten. Die musikalische Einstudirung besorgt Capell¬