VII, Verschiedenes 11, 1902–1906, Seite 60

Miscellaneols
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DER KIEBITZ.
Das geistreiche Wlien.
Jawohl, nicht mehr ist unser Wien
Ein Capua der Geister:
Wir haben in der Literatur
Gar manchen grossen Meister.
Die Schreiberinnung ist sehr gross,
s gibt viel' Erzeugungsstellen;
Wir haben Meister von der Zunst
Und sonderbare Gesellen.
Am-reichsten blüht das Drama bei uns,
Es schaffen viele Firmen,
Doch tut die Heimat nicht gar viel,
Die Produktion zu schirmen.
Da haben zunächst wir Hermann Bahr,
Den ewig sprudelnden Bronnen,
Den Treffer die Wiener Muse hat
In der Linzer Ziehung gewonnen.
In Linz erwachte sein Talent,
Dort ward er sinnreich und hitzig,
In Wien war er Couleurstudent,
Dann ward er — czernowitzig.
Er reiste viel in Europa herum
Und suchte nach Sensationen;
Er lobte, was zu loben war,
Auch ohne sich selbst zu schonen.
Dank Isidor Singer’s Wochen-„Zeit“
Ist Bahr in Wien uns geblieben,
Man sagte, dass statt den Lesern die Zeit,
Der „Zeit“ er die Leser vertrieben.
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