VII, Verschiedenes 11, 1906–1909, Seite 24

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Wien, Freitag, den 3. Jänner 1908.
XV. Jahrgang. A
1

B

Freunde, welche entsetzliche Zeit es für Deutschland sei, kein
waren die Herren Paul Lindau und
In der Erniedrigung.
großer Feldherr sei in einer hohen Stellung und so mancher
die eigentlichen Begründer und Matado
Wien, am 2. Jänner 1908.
Caesar ginge hinter dem Pflug her und könne sein Talent
folgte ihnen Herr Lubliner, es folgte ih
Zur Jahreswende ist es eine altyergebrachte Sitte,
nicht zur Geltung bringen.
wallenden Bart, es folgte ihnen
kulturelle Bilanzen zu ziehen, sich fragen, ob und auf welchen
Philippi, es folgte ihnen Schöntha
Aehnlich verhält es sich mit den deutschen Dramatikern.
Gebieten neue Werte geschaffen wurden, die dauernd in das
Krantz und ungezählte andere. Um
So manches gute, ja treffliche dramatische Werk wird im
geistige Nationalvermögen übergehen.
diesen geschäftigen Herren nicht zu tun,
Schreibtisch für immer vergilben, weil es keinen Verleger
Ueber ein Jahrhundert ist es her, daß Friedrich
das Verdienen. Welche Ware am Th
findet, noch weniger einen Bühnenleiter, der es aufführt.
Schiller der Schaubühne, dem Theater, die hohe Aufgabe
wurde, lieferten und liefern sie prompt
Denn wer heute in das Haus Thaliens oder Melpomenens
stellte, eine moralische Erziehungsanstalt des Volkes zu
an Direktoren. Die Agenten protegieren
einziehen will, muß zunächst einem Klüngel, der unter dem
werden, und wie weit sind am Ende dieses Jahrhunderts
denn sie ziehen von ihnen die höchsten
Strich gewisser Blätter schlimmer wie Nero und Busiris
die führenden Männer des Theaters von dem Weg, den
reißen sich um ihre „Werke“, ehe sie noch
herrscht, sich auf Tod und Leben, mit Haut und
der große Dichter ihnen gezeigt, abgewichen? Nicht als
ja die Bühnen zahlten und zahlen in F
Haaren als Diener, ja Sklaven verschreiben und einem
ob es unserer Zeit an Männern mangelte, die
summen“ einen großen Teil der T
Berliner=, Wiener= oder Münchner Literatenstammtisch als
mit tiefem sittlichen Ernst und hoher Begabung, vom Genius
voraus. Blumenthal soll einmal geäuß
getreues Mitglied angehören. Hat er durch jahrelangen
getrieben, in einsamer Schaffensstunde bedeutsame Werke
ersten Million schnapp' ich ab“. Die
Dienst sich einen Platz am Parnaß ersessen, so nimmt sich
dramatischer Kunst formten. Auch die großen Gegner ziemt
ein Berliner, Wiener oder Münchener Theater seiner an
es, gerecht zu beurteilen: Niemand wird einem Ibsen,
noch nicht, jedes Jahr beschert er uns
und je nach der größeren oder kleineren Beliebtheit bei
Björnson, Rostand, Maeterlink, und in bescheidenerem Maße
die wir über uns ergehen lassen müssen
seinen literarischen Stammtischgöttern wird er der Welt und
auch einem Hauptmann, Gorki, Hoffmannsthal und Schuitler.
Wenn der Deutsche komisch=lasziv
einem staunenden Publiko als Genie oder beachtenswertes
einem d'Anunzio das starke Talent und das lautere Be¬
Talent vorgestellt. Ist gehörig genug für ihn Reklame ge¬
gemeinhin plump, nur in ernsten Stücke
streben ihre Weltanschauung, lebenswahr und mächtig
macht und erscheinen seine Werke gar bei Langen oder
lasziv zu werden, dann heißt man es
auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen, absprechen.
Fischer, so ist ihm für die nächsten zehn Jahre „literarischer
und respektiert es im Publikum. Weil
Aber beherrschen denn diese Männer die Bühnen und gibt
die Laszivität nun einmal neben der
Nachruhm“ gewiß, er gehört plötzlich „zur geistigen Elite“
es nicht außer ihnen noch manche andere, die es verdienten,
der Nation.“ Schreibt er nicht gar zu öde, ist er auch nur
der Gartenlaubentragik die beste Kassen
zu Worte zu kommen und denen man das Wort nicht ver¬
halbwegs ein Theatraliker oder redet er den Hörern ein, er
schwemmen Agenten und Direktoren
gönnt? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir etwas
habe tiefe Gedanken, so ist auch seine Bühnenlaufbahn ge¬
Deutschlands Schaubühnen — die mor
tiefer gehen. So gewiß es ist, daß die Kunst und die
macht, die großen Agenturen von Bloch und Entsch
anstalten Schillers — mit den größten
Wissenschaft international sind, das heißt, daß die ganz
oder Langen selbst empfehlen ihn so dringend jeder Bühne.
Cochonerien und verdrängen durch
großen Werke ganz großer Meister zum Gemeingut aller
daß er überall an deutschen Theatern aufgeführt wird. Es
unsere ernsthaften Autoren immer meh
Völker werden, ebenso gewiß ist es, daß in erster Linie
sei gar nicht geleugnet, daß so manches schöne Talent auf
Bühne oder verschließen sie ihnen
jedes Volk seine nationale Wissenschaft, seine nationale
diesem Weg wirklich zutage gefördert wurde, aber wie viel
Berliner und Wiener Theaterzettel, so
Kunst haben muß, die seinem Denken und Empfinden kon¬
Flittergold ward uns dafür als echtes angepriesen, welche
in Paris zu befinden, aber in einem #
form sind: denn die Genies, die der gesamten Menschheit
poetischen Wasserlöpfe machten sich vor uns breit!
Vaudevilletheater gibt! Greti und Pl
geboren werden, sind sehr einsame und seltene Erscheinungen.
an der gebotenen „pikanten Kost“
Bisher haben wir es noch mit den Poeten zu tun ge¬
Und wenn weiter auf unseren Bühnen auch die
wie der Geschmack immer mehr und me
habt, die sich, so weit es ihre Kraft erlaubt, ernsthaft um
Talente des Auslands gepflegt werden sollen, so in erster
das ethische Empfinden zerstört wird.
den imaginären Lorbeer bemühen. Nun haben wir von
Linie die nationalen. Haben wir deren wirklich so wenige?
„Mit dem Ernst und der Anständig
Zur Zeit der napoleonischen Zwingherrschaft klagte einer anderen, weit größeren Schar zu reden, der einige
die Poesie ihren gesundesten und feste
einmal Scharnhorst in einem vertrauten Brief einem seiner! Inländer und viele Ausländer angehören. In Deutschland