VII, Verschiedenes 11, 1906–1909, Seite 45

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1. Miscellaneous
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Anstoß einmal gegeben ist, ist sie mit Leib ihr richtiger Mann ist. Das bedarf einer
und Seele in selbstvergessener Freudigkeit kurzen Erläuterung. „Das Ewigweibliche
dabei. Sie hält ganz gewiß nicht weniger
zieht uns hinan“ überhaupt und im allge¬
von der Tugend als die Evastöchter irgend¬
meinen. Es wäre also mit meiner Bemer¬
eines anderen Himmelstriches, aber soweit
kung nichts Besonderes gesagt. So war sie
die Rücksicht auf diese Tugend es gestattet, zieht
aber auch nicht gemeint. Sie sollte besagen,
sie leichtblütig, man könnte sagen mit holdem
daß ganz abgesehen von allen moralischen
Leichtsinn, aus jedem Vergnügen die letzten
Läuterungen der Mann auf eine höhere
Konsequenzen und denkt nicht viel nach über
soziale Rangstufe gehoben wird. Nicht etwa
den etwa möglichen Katzenjammer. Das
nur dadurch, daß er nun aus einem windi¬
Beste ist, der Katzenjammer kommt gar nicht.
gen Junggesellen ein würdiges Familien
Denn sie hat bei allem Leichtsinn eine gute
oberhaupt geworden ist, sondern auch sonst.
gesunde Natur, die manches verwindet,
Er ist in seinem Rang geblieben, derselbe
was minder gut fundierten Naturen einen
geblieben nach Stellung und Vermögen;
sehr bedenklichen Stoß versetzen würde.
denn zu Mitgiften kommt es selten; und doch
Nirgends auf der Welt ist es so leicht,
ist er unversehens durch seine Verbindung
selbst für den schüchternsten Jungen, mit den
eine Stufe höher gelangt, und das hat so
Damen in eine lebhaft angeregte, ja über¬
unter der Hand seine kleine Wienerin besorgt.
mütig lustige Unterhaltung zu geraten wie in
Sie richtet nämlich die Wirtschaft ein.
Wien. Die Wienerin geht auf jede Anregung
Das macht sie sehr anmutig und mit leichter
ein, sie ist dankbar für jedes Scherzwort,
Hand. Sie hat eben von Haus aus die
hört interessiert auch einer ernsten Rede zu
leichte Hand, und da gestaltet sich die Wirt¬
und ist für jede Aufmerksamkeit, für jedes
schaft so von selber um einen Grad feiner,
harmlose ihr bereitete Vergnügen ein un¬
vornehmer, eleganter, als sie sollte, eigent¬
vergleichlich dankbares Publikum. Kurz, sie
lich dürfte. Das hat dann seine verschiedenen
ist nicht blasiert, und das allein macht sie Folgen. Zunächst die, daß der Mann sich
schon unwiderstehlich. Es steckt ein Element riesig darüber freut. Er ist ganz glücklich,
froher Kindlichkeit in ihr, das nachwirkt bis
daß es in seiner kleinen Wirtschaft so hübsch
in ihre späten Jahre. Ein wenig Leicht¬
und ordentlich, so förmlich nobel zugeht.
sinn ist vorhanden, aber der Kern ist gut,
Das hatte er sich vorher gar nicht so vor¬
und der bleibt trotz alledem und alledem
gestellt. Er empfindet es wirklich als eine
unversehrt. Und wenn es sich trifft, daß sich
Rangerhöhung, und er ist stolz auf seine
ihr der Ernst des Lebens recht grausam
Gattin, die ihm das alles so fein besorgt hat.
offenbart, dann ist sie imstande, eine Seelen¬
Die weiteren Folgen sind aber die, daß
stärke und einen Opfermut zu betätigen, die
ihm bald gewisse Erkenntnisse aufdämmern,
geradezu bewundernswürdig sind. Das ist
unter anderen die, daß es mit dem Budget
auch eine Moralität. Hut ab vor ihr trotz
nicht mehr recht klappt. Auch das hat in
der übermütigen Seitensprünge in fröh¬
vielen Fällen eine wohltätige Folge. Der
licher Zeit.
geehrte Herr muß nun viel mehr und ganz
Die leichtblütige Wienerin bleibt leicht¬
anders arbeiten, als bis dahin, um für die
blütig auch als Gattin und als Mutter und
Kosten seiner herzigen Wirtschaft aufkommen
dabei füllt sie ihren Platz doch mit Ehren
zu können. Das schadet ihm denn auch nichts
aus. Sie manövriert mit großer Schneidig¬
und ist ihm nur gesund. Es werden die in
keit in ihrer Wirtschaft herum, rackert sich
ihm schlummernden Kräfte geweckt, und er
mit den Kindern, zankt mit dem Dienst= wird gezwungn, sie zu betätigen. Wo es
mädchen, daß die Zunge nicht aus der Übung
geht, ist's ein Gewinn. Es geht aber nicht
komme, und hilft fünfzigmal unter hundert
immer, zumal bei Leuten, die in fester Be¬
Fällen dem Mann im Geschäfte. Die Wie¬
soldung stehen und nicht leicht eine Möglich¬
nerin arbeitet; und weil sie arbeitet, kann keit finden, ihre Einkünfte zu vermehren.
sie auch so mit ganzem Herzen bei einem
Daraus ergeben sich dann Zustände, die zwar
Vergnügen sein. Wie alle Menschen liebt
von alters her schon eingebürgert sind, trotz
auch sie den Reichtum und den Luxus, aber
ihrer Lebenszähigkeit aber nicht als gesund
die Dürftigkeit drückt sie nicht nieder und
bezeichnet werden können. Ein großer Teil
raubt ihr den Humor nicht, diesen köstlichen
der Wiener Bevölkerung, in allen Gesell¬
Humor. Er ist ihr Glück und ihr Segen.
schaftsschichten, lebt über die Verhältnisse,
Eines verdient noch hervorgehoben zu
und bei einer umfassenden und gründlichen
werden als Regel, die durch Ausnahmen
Prüfung würde es sich herausstellen, daß ein
nicht erschüttert wird. Die Regel ist: die
bedenklich großer Bruchteil der Haushal¬
Wienerin erhöht den Mann den sie liebt;
tungen passiv wirtschaftet.
sei es nun der rechtmäßige Mann, oder auch
Wie das auf die Dauer möglich ist, bleibt
nur der, „mit dem sie geht“. So der Lokal¬
allerdings ein in vielen Fällen noch unge¬
ausdruck. Auch das gibt es nämlich, daß
löstes Rätsel. Was Graf Taaffe als Minister¬
eine mit einem geht. Das ist nicht nur in
präsident nicht ohne Frivolität als letzten
Wien so, daß die Liebe sich viel pünktlicher
Schluß österreichischer Staatsweisheit be¬
einstellt als die Heiratsmöglichkeiten. Sie
diese
zeichnet hat — das „Fortwursteln“
erhöht also ihren Liebsten, der nur ganz aus¬
Kunst versteht man auch in der Privatwirt¬
nahmsweise nicht auch ihr Herr, will sagen schaft. Ab und zu werden freilich die