VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 12

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1. Miscellane
ous
Telepnon 12.801.
„ODSERTER
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
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burg, Toronto.
(Quelienang ibe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
1- JULI 1910
Le Temps, Po
Im
Vienne, 30 juin.
La Société autrichienne pour la paix publie une
protestation contre les excitations à la guerre
entre l’Autriche et TItalie. Les deux gonverne¬
ments alliés sont étrangers à cette désastreuse agi¬
tation. L'Italie intellectuelle et laborieuse n’est
pas moins hostile que l’Autriche àltoute idée de
guerre. La protestation se termine ainsi, en fai¬
sant allusion à l’échee du projet d’université ita¬
lienne à Vienne:
Nous estimons qu’on doit éviter avec soin vis-à-vis
des Italiens d’Autriche loute mesure brusque et peu
amicale qui pourrait aussitôt étre exploitée par T’irré¬
dentisme, II est de notre dignité, si nous vonlons la
paix et l’amitié, de montrer des sentiments de juslice et
de bienveillance dans des questions comme celle de
T’université italienne.
Cette adresse est signée des noms les plus connus
de la littéralure, de la science et des arts: l’éeri¬
vain Hermahn Bahr, T’historien Henri Friedjung,
le pocterst dramaturge-Aufhne Schnitzier, ie pein¬
tre KHint, la baronne de Suttner.
Schärfe betont und sich zu der Be¬
besleiden, ihrer wehvollen Todes¬
hauptung verstiegen: sie wirke auf
sehnsucht. Und daneben die zärt¬
ihn wie die Travestien klassischer
liche Seligkeit und strahlende
Gedichte in jüdischem Jargon.
Vergeistigung des „Figaro“
Das sind starke Gegensätze der
diese freudige Sinnlichkeit, dieses
Anschauungen, die anzeigen, daß
unbeschwerte Schweben einer Ko¬
hier vermutlich ein tieferes Problem
mödienmusik in all ihren verklär¬
vorliegt. Man wird Schnitzler zu¬
ten Allzumenschlichkeiten und Ver¬
nächst für befangen und Louis für
fänglichkeiten, zu reinster Heiter¬
einen Antisemiten halten. Aber
keit gelöst von einem, der viel ge¬
Schnitzler hat im „Weg ins Freie“
litten haben muß, um zu solcher Milde
gezeigt, daß er der modernen Juden¬
und solchem überlegenen Lächeln
frage ziemlich weitherzig gegenüber¬
zu gelangen. An Leid gelitten,
steht und Louis verwahrt sich aus¬
das aus seinem Nachschaffen Beet¬
drücklich dagegen, als Anhänger des
hovens tönt — und vor allem aus
Antisemitismus zu gelten. Wir
seinen eigenen Werken, die von
aben es also zum mindesten nicht
all denen, die sie lieben, als per¬
mit verbohrten Parteimenschen zu
sönliche Angelegenheit empfunden
tun. Und doch diese beiden, ganz
Richard Spechy
werden.
unvereinbaren Urteile!
Es ist nicht leicht, von diesen Din¬
das Jüdische bei Gustä
gen zu reden, ohne auf Schritt und
Mahler
Tritt gegen vorgefaßte Meinungen
#rtur Schnitzler soll einmal ge¬
anzurennen und die Gefühle auch
A sprac#emeint haben,
vortrefflicher Menschen zu verletzen.
wenn man nicht wüßte, daß Richard
Von jüdischen Zügen im Schaffen
Strauß Arier und Gustav Mahler
eines Künstlers semitischen Blutes
jüdischer Abstammung sei, so würde
zu sprechen, sollte eigentlich sowenig
man bei dem Schöpfer der „Ca¬
anstößig sein, wie wenn wir den
lome“ unstreitig die üppige, erotisch:
Momenten nachspüren, die Schiller
Sinnlichkeit, die orientalisch aus¬
als Schwaben, Hebbel als Dithmar¬
schweifende Phantasie, den Hang
schen, Wagner als Sachsen, Cha¬
zum äußeren Effekt und das Talent
misso als Franzosen, einen Japa¬
zur Selbstaufmachung, überhaupt
ner als Japaner kennzeichnen.
das Geschick zur wirtschaftlichen Ver¬
Keinen Schwaben, Dithmarschen,
wertung seiner Arbeiten als spezi¬
Sachsen, Franzosen würde das krän¬
fisch semitische Eigenschaften bemer¬
ken. Bei den deutschen Juden, so¬
ken und ihm Gustav Mahler ent¬
weit sie Assimilanten sind, erregt
gegenhalten als den Mann der
dergleichen heftiges Argernis; sie
deutschen Grübelei und Mystik, des
erblicken darin nicht die Feststel¬
faustischen Ringens, als den keu¬
lung einer Stammeszugehörigkeit,
schen Wunderhornsänger, der die
mit der an und für sich nicht das
Musik der fahrenden Gesellen aus
mindeste Argernis verknüpft sein
dem Volke symphoniefähig macht,
kann, sondern etwas wie den mit¬
als den großen Idealisten, kurzum
telbaren Vorwurf, daß der Assimi¬
als den Typus des germanischen
lationsprozeß noch nicht vollzogen
Künstlers. Anderseits hat aber Ru¬
sei. Und weil unter „jüdischen“
dolf Louis in seinem geistreichen
Eigenschaften insgemein nicht die
Buche über die deutsche Musik der
guten, sondern die minder sympa¬
Gegenwart den jüdischen Charakter
thischen Eigenschaften dieser Rasse
der Wahlerschen Musik mit aller
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2. Julibeit. vio¬
ruse