VII, Verschiedenes 11, 1909–1911, Seite 60

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1. Misgellang9—
Telephon 12801.
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„OBSLRVEK
I. österr. behördl. konz. Unternehmen
für Zeitungs-Ausschnitte und Blbllographien
Wien, I. Concordiaplatz 4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk,
Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minne¬
apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco,
Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangahe ohne Gewähr.)
Ausschnitt apfer Montag, Wien
vom:
T
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Cheater und Kunst.
Theater an der Wien. Das Ensemble=Gastspiel von
Erls Tiroler Bühne brachte am Dienstag Schönherrs
Volksdrama „Glaube und Hei mat“. Das wuch¬
tige Werk wirkte wieder auf das dichtbesetzte Haus mit
der elementaren Kraft eines technisch meisterhaft aufge¬
bauten und von Effekt zu Effekt eilenden Theaterstückes.
Aber ich muß, auf die Gefahr hin, auf offener Straße
angefallen zu werden, sagen, daß ich wenig vom Dichteri¬
schen verspürt habe, von diesem gewissen Etwas, das
ja auch dramatisch sein darf, aber das Beste und Tiefste
eines Jeden aufzufinden imstande ist. Nein, und tausend¬
mal nein. Gepackt, gerührt, aufgerüttelt, mit Aug' und
Ohr an die Bühne gefesselt, das war ich. Wie wird das
weiter gehen? Das frage ich mich stets von neuem. Kolos¬
sal, wie meisterhaft geführt! rief es aus meinem In¬
nern. Aber an politischen Empfindungen konnte ich nichts
registrieren. Wahrscheinlich ist das meine persönliche
Schuld. Es ist nur merkwürdig, daß sich mir so nüchterne
Erwägungen bei Ibsen, Schnitzler, Maeterlinck, Haupt¬
mann und wenigen anderen nicht aufdrängen. Immerhin
bleibt es ein Verdienst Schönherrs, mit einem Stück
von so hartem Dialekt, von so „unelegantem“ Milieu
so sicher auf Parkett, Galerie und Logen gleichzeitig zu
wirken, mit einem Stück, das auch in Bezug auf die
Absichten seines Autors ziemlich echt aussieht. Die famos
aufeinander eingespielte Truppe des ausgezeichneten Erl
hat zu dem erneuten Erfolge dieses Volkstheaterzugstückes
viel beigetragen. Die Herren Dr. Spörr, Eduard Köck,
Lienhardter, Auer, Nanzenhofer, Kalbech,
Gstöttner, die Damen Mina Erl, Zötsch, Lener,
Weger — es wetteiferten alle in ihren nicht immer
leichten Aufgaben um die Anerkennung einer zweiten
Premiere. Sie haben wieder gesiegt; und als die anti¬
klerikale Tragödie „Glaube und Heimat“ zu Ende war,
verkündeten Extraausgaben einen zweiten großen Sieg,
eine Niederlage katholischer Fanatiker, die in unserer
eigenen Heimat mit ihrem Glauben nicht mehr durch¬
Osk. F.
dringen...
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Mianenpolte,
w-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockbelm, St. Petess¬
burg, Torouto.
—nin.
Ausschnitt aus:
Presse. Wien
vom:
W
Unsere südlichen Verbündeten und wir.
Wien, 25. Juni.
Baronin Beng v Suttner veräffentlicht „nach¬
stehenden, von ihr verjaßten, sehe beherzigenswerten Auf¬
ruf, der bereits zahlreiche Unterschriften gesunden hat:
„Es. gibt in Italien und es gibt bei uns einzelne
Menschen, die beflissen sind, einen Zukunftskrieg zwischen
den beiden alliierten Nachbarstaaten an die Wand zu
malen. Dadurch wird eine Erbitterung geweckt, die ge¬
eignet sein könnte, das Eintreffen der üblen Prophe¬
zeiungen zu fördern. Der große Irrtum und Fehler, der
dabei unterläuft, ist der, daß alles, was einzelne sagen,
als der Willensausdruck des ganzen Landes hingestellt
wird, während doch — wie das in Italien und Oester¬
reich der Fall ist — Regierung, Intelligenz und Volk
dieser beiden Kulturstaaten von dem Wunsche beseelt sind,
miteinander in Frieden zu verharren. Um jenen Einzel¬
stimmen entgegenzuwirken, sehen die Unterzeichneten sich
veranlaßt, auch ihrer Gesinnung, die ja den Rückhalt
unserer leitenden Staatsmänner und des ganzen arbeiten¬
den Volkes besitzt, öffentlichen Ausdruck zu geben und zu
erklären:
Wir wollen keinen Krieg mit Italien
und erwarten auch keinen. Ein Krieg mit dem
alliierten Lande, das wir seiner hervorragenden Dichter,
Künstler, Erfinder, Gelehrten, seiner historischen Schätze
und Naturschönheiten wegen bewundern und lieben,
würde uns als ein wahnwitziges Verbrechen
wider die Kultur erscheinen, und wir pro¬
testieren auf das Energischeste gegen alle
Verhetzungen und Verdächtigungen, die geeignet sind, zu
seindseligen Gefühlen aufzustacheln.
Zwar wissen wir, daß der Irredentismus in manchen
italienischen Köpfen und Herzen weiterlebt, aber er ist
kein allgemeiner Volkswille. Das offizielle, das intellie!
gente, das arbeitende Italien will keinen Krieg mit uns.
Die einzelnen Irredentakundgebungen unter Studenten,
bei Regimentsansprachen, in Theaterstücken verhallen
harmlos, wenn sie nicht aufgebauscht werden. Es geziemt
unserer Würde, wenn wir Frieden und Freundschaft
wollen, daß wir in Fragen, wie zum Beispiel jener der
italienischen Universität, uns auf den Boden der Gerechtig¬
keit und des Wohlwollens stellen. Es würde sich auch ge¬
ziemen, daß zwischen zwei hochkultivierten Ländern, selbst
wenn sie nicht Verbündete wären, der bestehende Frieden
auf einer anderen Grundlage befestigt werde als auf der¬
jenigen des ruinierenden Wettrüstens. Nicht gegenseitiges
Bedrohen und Inschachhalten, sondern gegenseitige Ver¬
ständigung im Geiste aufrichtiger Versöhnlichkeit sei die
Basis der Zusammenarbeit der beiden verbündeten
Länder am Werke des allgemeinen Fortschritts.
Dr. Raoul Auernheimer, Hermann Bahr, Universitäts¬
professor Hofrat Dr. Edmund Bernatzik, Universitäts¬
professor Regierungsrat Dr. Karl Brockhausen, Hofrat
Dr. Max Burckhard, Dr. S. Ehrlich (Präsident der „Con¬
cordia“), Universitätsprofessor Hofrat Dr. Leo Elsner,
Universitätsprofessor Dr. S. Exner, Dr. Karl Goldmark,
Universitätsprofessor Dr. Theodor Gomperz, Marie Eugenie
delle Grazie, Balduin Groller, Universitätsprofessor Doktor
Karl Grünberg, Universitätsprofessor Dr. Josef Hupka,
Universitätsprofessor Dr. Friedrich Jodl, Sektionsrat
Dr. Karminski, Professor Dr. Rudolf Kobatsch, Georg
Klimt (Metallbildhauer), Herrenhausmitglied Dr. Ernst Mach,
Universitätsprofessor Dr. L. Müllner, Universitätsprofessor
Dr. Karl v. Noorden, Universitätsprofessor Hofrat Doktor
H. Obersteiner, Dr. Artur Schnitzler, Universitätsprofessor
Dr. Gustav Seidler, Universitätsprofessor Dr. A. v. Strüm¬
pell, Berta v. Suttner (im Namen des Austro=italienischen
Freundschaftskomitees), Universitätsprofessor Dr. Alexander
v. Weilen, Hofoperndirekton Felix v. Weingartner, Univer¬
sitätsprofessor Dr. Moritz Wlassak.
Weitere Zustimmungen sind zu adressiren: „Austro¬
italienisches Freundschaftskomitee, 1. Bezirk, Spiegelgasse
Nr. 4.“