VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 1

dem
die fast schon wieber zur Natvität wird. Eine Tochter spricht schmähen, historisch berühmte Persönlichkeiten zum Träger!
aushi
zur Mutter: „Kaum verhoiratet, hast du sie vernachlässigt, von Dramenhandlungen zu machen, ebenso wie Zeremonien,
zutra
deine religiösen Pflichten . . . und dein Piano“. Eine andere patriotische Feste usw. auf die Bühne zu bringen. Assoziationen
studie
versichert, sie wolle nicht Frau heißen, solange Mama noch] und Gefühle fließen dann aus diesen kunstfernen Gegenständen
denn
die Wirkung ist nicht mehr dem Dichter anzurechnen.
Mädchen ist. Jasmine in „Les amants“ hat ihren langjähri¬
dichte
Donnay ist uns in Tendenzstücken so nahe nicht als in
gen Geliebten durch den Tod verloren. Sie ist untröstlich.
Gesch
anderen Werken. Aufrichtig gesagt: man hat bei solchen
Alle acht Tage, erzählt sie, sei sie auf den Friedhof gegangen.
passie
Thesen das Gefühl: Hekuba bedeutet dagegen eine Haupt= und
Dort traf sie auch einen trauernden Witwer. „Dann bin ich
Ur
Staatsaktion. Selbst in „Georgette Lemeunier“ spürt man
Man wirft ihr
am nächsten Tag wiedergekommen und ...
Publi
das „Das Ewig=Weibliche“ zieht uns hinan“ nicht angenehm.
ein: „Sie sagten eben, daß Sie nur jede Woche einmal zum
verlei
Einst wird kommen der Tag, da wir von Batistwäsche zu
Grab gingen.“ „Ja, aber der Gärtner unserer Allee hatte
Flanell reuig zurückkehren ... gewiß. Unsere Läuterung kann
muß
Dieselbe Dame
mir gesagt daß Prunier alle Tage kam ..
nur durch Mädchen aus guter Familie, die uns hinanziehen,
fabuli
versichert, sie werde ihre Tochter hüten und ihrem Schwieger¬
geschehen. Einst wird kommen der Tag: dies irae, dies illa
schein
sohn eine Kugel durch den Kopf jagen, wenn er untreu wird.
Man glaubt ihm eher, wenn er gestaltet daß ein Ehemann zu
genüg
Und wenn ihre Tochter ihn hintergeht? „Nun, das ist etwas
gleicher Zeit, mit gleicher Stärke seine Frau und eine Schau¬
schen
anderes .. ., dann werde ich ihr helsen.“ Nach einer heftigm
spielerin liebt. Wenn dieser Mann dann reuig zur Legitimen
in der
Szene, der die Versöhnung folgt, schließt eine Dame die
zurücklehrt, nicht aus Tugend .. ., sondern aus Müdigkeit, aus
sich so
Jalousien und bemerkt zu dem Geliebten: „Nein, nein.
ein ge
es ist zu hell hier, ich habe soviel geweint, ich werde nicht Ueberdruß vor dem Komödiespielen; zurück zum häuslichen
Herd. Der nicht so sehr das heilige Feuer darstellt, als eine
poetise
hübsch sein.“ Claudine sagt zu ihrem Liebhaber, der von ihr
ruhige, gleichmäßige Wärme gibt. Die Ehe nicht als ersehnter
erste
sordert, was fast eheliche Pflicht genannt werden kann: „Man
Di
Hafen, sondern eher als Asyl für seelisch Obdachlose.
muß Mitleid haben mit einer armen Frau, die fünfzehn Pevso¬
Der Seelenzustand, der in Donnays Gestalten am Ende
Ein.
dem
nen zum Diner gehabt hat und ebensoviel nachher.
bleibt, ist folgender: Waffenstrecken vor der Tugend (nicht aus
erzähl
junger Mann tröstet eine schöne Witwe: „Weine nicht, das
Ueberzeugung, sondern weil der Kampf nichts nützt.) Pfochische
seine!
Schwarz steht dir ja so gut.“ Ein anderer äußert Bedenken,
Zermürbung — das ist die Handlung seiner Komödien. Kehren
obwol
ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau zu beginnen.
wir zur Wahrheit zurück, da uns die Lüge auch nicht glücklicher
(Marz
Diese sind die gefährlichsten: sie lassen sich versprechen, daß
macht; zur Tugend, da auch das „Laster“ uns nicht befriedigte.
biblios
Trotz aller Aufrichtigkeit, sie lügen
man sie heirate
Ein Sichfügen: das ist das Ende. Fügen wir uns: aber
tun, ke
immer. In einer abendweichen Stimmung erzählt eine Frau
unter Protest.
nicht,
dem Bräutigam ihre Geschichte. Sie wird die ganze Wahr¬
Und deshalb, weil er uns diesen erfolglosen Kampf, diese
dem 1
heit sagen. „Kann man lügen vor der melancholischen Pracht
psychische Zermürbung, dieses endgültige Unterliegen vor dem
1823„
des entschlasenen Venedig?“ Und dennoch lügt sie: sie ver¬
Schicksal zwischen Weinen und Gelächter, zwischen Grazie und
der gi
schweigt Wichtigstes, Wesentlichstes. Ihre Entschuldigung i
Frechheit, zwischen Schwermut und Heiterkeit als einen Ab¬
sacher
folgende: sie hat nicht erzählt, was wirklich war, sondern, was
glanz unseres Lebens gab, deshalb ist dieser Franzose unserem
mit de
nach ihrem Wunsche hätte sein sollen.
marsch
Herzen teuer.
Ist Donnay ein Frauenfeind? Nicht mehr als jeder, der
„Tei6s
die Frauen kennt. Ueberwiegend ist das Mitleid. Die Fraue
De
gestehen ein: Ja, wir sind arme, unbewußte, schwankende Kres¬
inspel.
„Die gefährlichen Liebschaften“
turen. War es so schrecklich, was sie verbrachen? Kinder sind
sie, denen man befiehlt: Eritis sicut deus, scientes bonum et
lichun
malum. Daß sie lügen betrügen, ehebrechen — es ist nicht!
stand
des Choderlos de Taclos.
ihr Fehler: letzten Endes — c’est de la fatalité. Sie sind ge¬
statt
Von Rugnst Brücher. (Nachdeuck verbaten.]
vorene Liebende.
geblick
Manches bei Donnay wirkt tragikomisch. Die Schlußszene des
in Jahre 1779 wird der Artillerieoffizier Laclos zur Be¬
nach
ersten Aktes der „Douloureuse“ mutet an wie die Umrisse von
festigung des Forts der Insel Aix kommandiert, die
Phiko
Henri Becques „Les corbeaux“. Der Herr des Hauses hat sich
# einzig und allein von Fischern bewohnt ist. In dieser
während eines Gesellschaftsabends erschossen. Die Gäste
Zeit der Langenweile steigt in ihm der Gedanke auf, ein Buch
wissen es und tvinken und spielen lustig weiter. Wenn jemand
zu schreiben. Später teilt er die damalige Stimmung mit :
Schreckensnacheicht bringt, werden sie Bestürzung
die
(„Mercure de France“, Juni 1784): er habe keine Art von
heucheln ... In manchen Stücken wieder Szenen, die weicher,
hinzus.
melanchelischer, gedämpfter von des Dichters Pessimismus Büchern nützlicher gehalten für die „Kenntnis des menschlichen
hunde
Herzens“ als den Roman. Die Richtung wird bestimmt von
sprechen. Eine wirkt wie ein Symbol. Betheuil in #
reichet
seiner Lieblingslektüre: Marianne, Clarissa, Tom Jones und
amants“ reist nach Indochina. Seine trostlose Geliebte bittet
der Neuen Heloise. Laclos, der Neuling, war sich seiner „Fein= Enera
ihn, zu einer bestimmten Abendstunde immer einen bestimm¬
heit“ seiner Tiefe, seines Taktes, seines Gefühls für „Anmut auf &
ten Stern zu betrachten — damit etwas Gemeinsames ihnen
fabell#
und Wahrheit“ bewußt; er rühmt sich seiner kostbaren Sensi¬
bleibe. Aber es wird Tag sein für ihn, wenn es für sie Nacht
Intell
bilität. Und so verfaßt er seine „Liaisons dangereuses“ von
ist, und sie werden niemals zu gleicher Zeit dieselben Sterne
Juli 1780 bis September 1781 und benutzt einen sechsmonati¬
sehen ...
Abgeste
gen Urlaub nach Paris, der bis Mai 1782 dauerte, zur Ver¬
Das ist wie ein Symbol für die Inkonsequenz menschlicher
heit d
öffentlichung seines Buches.
Beziehungen, für die Diskrepanz, die zwischen unseren Wün¬
stand.
Die „Liaisons dangereuses“ erschienen im April desselben
schen und dem Tatbestand liegt. Die ganze Relativität des
wird #
Jahres in einer Auflage von zweitausend Exemplaren. Einen
Daseins, das wir leben, spricht (unausgesprochen) aus dieser
heit der
Monat später war schon eine zweite Auflage nötig. Ungefähr
Szene. Es ist eine oft rührende technische Ungeschicklichkeit
im Bs.
fünfzig Nachdrucke erscheinen noch zu Lebzeiten Lackos'.
in manchen Dramen Donnays: am Schlusse eines Aktes muß
schen
Die vornehmen literarlschen Frauen eifern gegen den Ver¬
ein Mann sich erschießen, damit im nächsten seine Frau als
grüng
Lasser. Der Roman träge ihm vos Grimm die Bezeichnung
Witwe erscheint. („Doulourense.“) Ein Juwelier hat Digmau¬
TRétif der guten Gesellschaft“ ein: Kein Mensch wollte an
ten vertauscht („Georgette Lemounier“), eine Depesche ists#nc
nach #
die Versicherung des moralischen Zweckes glauben, den Laclos
fremdem Namen gekommen („Le basculo“). Auf solchen Zu¬
gehen
in den geschickten Worten der Vorrede als die Triebfeder
fälligkeiten ist oft seine Komödie aufgebaut, und dennoch zeigt
Der G##
seines Werkes hinstellt.
sie Menschlichstes.
aus si
Der Hauptgrund des Skandals lag darin, daß man ge¬
Er ist uns wenig nahe, wenn er tendenzhaft à la Dumas
neue
wisse Vorfälle, die im Roman behandelt waren, Personen zu¬
und Brieux Thesen aufstellt und verteidigt. Wenn er über
Sinne#
schrieb die man noch täglich — wenn auch nicht in Paris —
die Völkerabnahme Frankreichs klagen läßt; wenn er das
Blick
sehen konnte, und deren Leben in der Tat Anhaltspunkte für
Verhältnis eines französischen Bürgers mit einer Zionistin
schwersten Verdächtigungen bot. Stendhal erzählte
als Problem (unter antisemitischem Gesichtspunkt) hinstellt
Neuer#
(„Rétour de Jerusalem“); wenn er als psychologisches Experi¬
später, Laclos habe in Grenoble, einer „übrigens durch das
Persof
ment einen Akademiker mit einer russischen Nihilistin in Be¬
Spiel und die Frauen kostspieligen Stadt“ die Originale der
s ist auch
Tillys¬
„Liaisons dangereuses“ kennen gelernt. Tilly nennt in seinen
ziehungen treten läßt. („Oiscaux de paysages“.)
„Liais
nicht überwältigend, wenn ein gelehrter Experimentalpsycho¬
Memoiren eine Marquise v. L. T. D. P. M. als Vorbild der
den ##
loge, der eine „Prophylaxie et Thérapeutique des Passions“
Marquise de Merteuil, Stendhal eine Frau de Montmort,
weit
geschrieben, selbst Feuer fängt. („L’Escalade“.) Eher schon,
die hinkte; als dasjenige der Cécile de Volanges bezeichnet er
gedier
wenn in „Parallre“ ein Sozialist, der freie Liebe predigte,
ein Fräulein de Blacons aus sehr religiöser Familie. In!
in der
zum Revolver greift, da man in den Garten seiner Ehe steigt.
dieser Gesellschaft, wo die jungen Herren, wie der Onkel Beyles,
der J.
Donnays letztes Stück heißt „Le mariage de Molière“. Ich halte
„Geschenke von ihren reichen Maitressen empfingen und mit
es für ein reizvolles und verfehltes Stück. Man sollte es ver¬
Krone
Glauben die Damen, ich würde sonst von einer lumpigen Löwen¬
Vermi
jagd soviel Aufsehen machen? Aber so förmlich mit nackten Händen,
einen