1. Miscellaneens
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1. Woher hat er das: 17 75 /%
Nämlich Arthur Schnitzler, nämlich
diese intime Kenntnis, die von der Volkssängerin bis zum Prinzen,
vom Fiaker bis zur Gräfin reicht, und vom Wurstelprater bis zum
Schwarzenbergplatz? Man kann dasjenige, was in jedem Talent uner¬
klärlich ist, in diesem Falle bis zu einem gewissen Grade erklären,
denn Schnitzler ist der Sohn eines
Nein, raten! Herr Auernheimer weiß es, da ja er von der
literarischen Verwandtschaft ist. Die Frage, woher Schnitzler es hat,
drängt wohl zur Antwort, daß er der Sohn eines Fremden¬
führers ist, der, ursprünglich dem väterlichen Berufe bestimmt, sich
später auf Anraten eines Franzosen der Literatur gewidmet hat?
Fast erraten! Denn:
Der Hauptmannbibgraph Paul Schlenther führt einmal die profunde
Menschenkenntnis seines Dichters darauf zurück, daß der Vater Hotelier
war, ein Beruf, der, wie Schlenther sagt, zur Menschenkenntnis geradezu
erzieht. Um wie viel mehr gilt das vom Arzte.
Die intime Kenntnis, die bis zum Schwarzenbergplatz reicht,
ist also erklärt, Schnitzler ist der Sohn eines
hochangesehenen, ja zu seiner Zeit berühmten Wiener Arztes, in dessen
Wartezimmer ganz Wien verkehrte.
Das Orientierungsvermögen Schnitzlers — dasjenige, was in
jedem Talent unerklärlich ist — leitet sich also von keinem Fremden¬
führer her, wie man unbedingt glauben mußte, vom Vater hat er
nicht des Lebens ernstes Führen, sondern etwas ganz andercs:
die Lust zu ordinieren. Aber daß der Vater Arzt war, erklärt
noch nicht alles. Es reicht zwar zur Erklärung der bekannten
Tatsache, daß Schnitzler „die Menschen im Gespräch sorgfältig
abklopft, ihnen den Puls, fühlt und ihnen in die Augen sieht- und
sich auch sonst in Wien gut auskennt. Das Dramatische wäre jedoch
damit noch keineswegs erklärt. Woher hat er das? Da muß wohl
noch etwas Besonderes hinzugekommen sein. Aber was?
Ein besonders günstiger Umstand kam noch hinzu: der Vater
war nicht nur Arzt, sondern Theaterarzt, und so wurde wahrscheinlich
das noch schweifende Talent des Sohnes frühzeitig von der Bühne
fixiert. Der junge Schnitzler brauchte nicht einmal ins Theater zu gehen,
er hatte das Theater im Hause Schauspieler und Sänger, Künstler aller
Art verkehrten bei seinem Vater und saßen im Wartezimmer zwischen
den Prinzen von Geblüt und den amourösen Frauen der bürgerlichen
S##elschaft; nicht zu vergessen die Theaterdamen, von der gefeierten
Diva bis herunter zur namenlosen kleinen Sängerin oder Choristin, die
Weit herumkam, wie Bahr, wird nicht gesagt. Der Verleger schickt aber —
die Versicherung mit, daß die scharfumrissene Gestalt Schnitzlers seit
zwanzig Jahren im Vordergrund des literarischen Lebens stehe.
Unbeirrt um der Menge Beifall oder Mißgunst strebt er uner¬
müdlich auf eigenen neuen Wegen zur Höhe. Das Portrait, welches
die Biographie schmückt, sei vom Dichter selbst ausgewählt.
Manche Eigentümlichkeiten der Schnitzlerschen Werke erklärten
sich leicht, wenn man sie als nationale anspreche... Kapp erfüllt
alle Erwartungen. Hauptsächlich aber muß ich ihm dafür danken,
daßi er Schinitzlers bedeutendsten Gedanken wörtlicher zur Geltung
gebracht hat als ich selbst. Hier kommt es auf jeden Buchstaben an:
Jeder muß selber zusehen wie er bersnefindet aue .
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1. Woher hat er das: 17 75 /%
Nämlich Arthur Schnitzler, nämlich
diese intime Kenntnis, die von der Volkssängerin bis zum Prinzen,
vom Fiaker bis zur Gräfin reicht, und vom Wurstelprater bis zum
Schwarzenbergplatz? Man kann dasjenige, was in jedem Talent uner¬
klärlich ist, in diesem Falle bis zu einem gewissen Grade erklären,
denn Schnitzler ist der Sohn eines
Nein, raten! Herr Auernheimer weiß es, da ja er von der
literarischen Verwandtschaft ist. Die Frage, woher Schnitzler es hat,
drängt wohl zur Antwort, daß er der Sohn eines Fremden¬
führers ist, der, ursprünglich dem väterlichen Berufe bestimmt, sich
später auf Anraten eines Franzosen der Literatur gewidmet hat?
Fast erraten! Denn:
Der Hauptmannbibgraph Paul Schlenther führt einmal die profunde
Menschenkenntnis seines Dichters darauf zurück, daß der Vater Hotelier
war, ein Beruf, der, wie Schlenther sagt, zur Menschenkenntnis geradezu
erzieht. Um wie viel mehr gilt das vom Arzte.
Die intime Kenntnis, die bis zum Schwarzenbergplatz reicht,
ist also erklärt, Schnitzler ist der Sohn eines
hochangesehenen, ja zu seiner Zeit berühmten Wiener Arztes, in dessen
Wartezimmer ganz Wien verkehrte.
Das Orientierungsvermögen Schnitzlers — dasjenige, was in
jedem Talent unerklärlich ist — leitet sich also von keinem Fremden¬
führer her, wie man unbedingt glauben mußte, vom Vater hat er
nicht des Lebens ernstes Führen, sondern etwas ganz andercs:
die Lust zu ordinieren. Aber daß der Vater Arzt war, erklärt
noch nicht alles. Es reicht zwar zur Erklärung der bekannten
Tatsache, daß Schnitzler „die Menschen im Gespräch sorgfältig
abklopft, ihnen den Puls, fühlt und ihnen in die Augen sieht- und
sich auch sonst in Wien gut auskennt. Das Dramatische wäre jedoch
damit noch keineswegs erklärt. Woher hat er das? Da muß wohl
noch etwas Besonderes hinzugekommen sein. Aber was?
Ein besonders günstiger Umstand kam noch hinzu: der Vater
war nicht nur Arzt, sondern Theaterarzt, und so wurde wahrscheinlich
das noch schweifende Talent des Sohnes frühzeitig von der Bühne
fixiert. Der junge Schnitzler brauchte nicht einmal ins Theater zu gehen,
er hatte das Theater im Hause Schauspieler und Sänger, Künstler aller
Art verkehrten bei seinem Vater und saßen im Wartezimmer zwischen
den Prinzen von Geblüt und den amourösen Frauen der bürgerlichen
S##elschaft; nicht zu vergessen die Theaterdamen, von der gefeierten
Diva bis herunter zur namenlosen kleinen Sängerin oder Choristin, die
Weit herumkam, wie Bahr, wird nicht gesagt. Der Verleger schickt aber —
die Versicherung mit, daß die scharfumrissene Gestalt Schnitzlers seit
zwanzig Jahren im Vordergrund des literarischen Lebens stehe.
Unbeirrt um der Menge Beifall oder Mißgunst strebt er uner¬
müdlich auf eigenen neuen Wegen zur Höhe. Das Portrait, welches
die Biographie schmückt, sei vom Dichter selbst ausgewählt.
Manche Eigentümlichkeiten der Schnitzlerschen Werke erklärten
sich leicht, wenn man sie als nationale anspreche... Kapp erfüllt
alle Erwartungen. Hauptsächlich aber muß ich ihm dafür danken,
daßi er Schinitzlers bedeutendsten Gedanken wörtlicher zur Geltung
gebracht hat als ich selbst. Hier kommt es auf jeden Buchstaben an:
Jeder muß selber zusehen wie er bersnefindet aue .