VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 38

1. Miscellaneons
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Novemher mich persän!
# Reistealbeit und der
Theaters, inehesonbere #
Inszenierung von Werken beteiligen. Ich freue
mich darauf und verspreche mir viel ernste künst¬
lerische Poregung und Erfolg. AndereSozietäre sind
Lehmann, Emannel Reicher, Tilla Durieux,
Paul Wegener und Mar Grunwald. Grunwa..
wird die Führung innehaben er hat den Titel Di¬
rektor abgelehnt und wird sich nur „Vorsitzender“
nennen.
Dieses Projekt des erweiterten Brahm=Thea¬
ters bringt die Rede auf Ibsen, Kainz, Tolstoi und
Rittner. Und Hauptmann spricht: Ibsen ist ein
deutscher Klassiker geworden. Was man im einzel¬
nen auch gegen ihn hat, isi belanglos. Augenblicklich
besteht in Berlin ein starkes Vorwärtsgehen des
Interesses für Strindbera, namentlich unter der
Jugend. Ich halie Strindberg für eine elementare,
machtvolle Personlichkeit, die natürlich ungemein
widerspruchspoll ist und ungemein zu Wider¬
sprüchen reizt. Ein Mann von der Bedeutung Josef
Kainzens ist nicht so leicht zu ersetzen; aber immer¬
hin besitzt Moissi, der das Erbe von Kainz ange¬
treten hat, ein Stück Poesic.
Sein Organ und die Sprechkunst an
sich die Melodik des Sprechens, stehen vollkommen
auf der Höhe der Kainz'schen Kunst ... Dann
kommt Hauptmann auf Tolstoi zu sprechen. Tolstoi
hat auf mich den stärksten Einfluß geübt. Schon
vorher habe ich in meinem dunklen Jugendtrieb
den Weg zu den Quellen gesucht, aus denen die
großen Dichter geschöpft haben. Man hat nur tradi¬
tionell von den großen Dichtern sich beeinflussen
lassen, ist abei nicht zu den Quellen gegangen, aus
nenen sie ihre Kraft #ekangt haben; das ist das
Voil, das Völksichen. Dazu hal es mich getrieben,
ehe ich Tolstoi kannte. Tann kam allerdings der
Mut, ihm nachzustreben, der Mut und die Andeu¬
tung und die Möglichleit des Weges. Das Aus¬
land lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Beobach¬
tung der Natur, es brachte uns zur Natur zu¬
zuruck . Von den Klassikern, führt Haupt¬
####n fort, verehre ich Goelhe am meisten. Der
Rttmerster ist vom deutschen Volke noch lange nicht
l###ung gelesen, gewürdigt und geschöpft worden. Er
ist in seinem Wesentlichsten und Natürlichsten vom
deutschen Volke nicht aufgefaßt worden.
Raimund und Anzengruber sind Gerhart
Hauptmann liebe Bekannte. „Wenn ich in Wien
— meint er —“ ich könnte mir jede Woche
lebte“
ein Naimund'sches Stück ansehen und hatte meine
Freude daran. Daß Anzengruber so frühzeitig aus
dm Leben geschieden, ist tief zu beklagen, denn die
Literatur hat einen großen Verlust erlitten. Anzen¬
gruber hatte seinen Höhepunkt noch nicht ereicht
und hätte, wenn er länger gelebt hätte, Werke von
mächtigerer Gestaltungskraft und größerer Styl¬
reinheit geschrieben. Das Formen, das Gestalteni
und der Aufbau sind bei einem Kunstwerke die
Hauptsache, das Stoffliche tritt erst in zweite Linie.
Die Art des Gestaltens bestimmt die Kunstform,
die Reinheit des Styls ist für ein Werk ansschlag¬
gebend.
Zum Schluße erzählt der Dichter von seinem
seben erschienenen Roman „Atlantis“, der eine
große Schiffskalastrophe schildert, jedoch beim Un¬
tergang der „Titanic, an den er in vielen Details
zu erinnern scheint, bereits völlig abgeschlossen
„in den
vorlag: „Ich habe“, sagi Hauptmann
noch Amerila ge¬
——
macht und auf dem Dampfer „Elbe“ eine sehr stür¬
mische, gefahrdrohende Ueberfahrt gehabt. Genau
ein Jahr später ging die „Elbe“ mit demselben
Schiffspersonal, das ich seinerzeit bei der Ueber¬
fahrt kennen gelernt hatte, unter. Dies machte auf
mich einen tiefen Eindruck und es bildete sich in mir
die ersie Idee zu diesem Roman. Drei Monate
blieb ich in Amerika und habe das dortige Lebeng
und die Stellung der Deutschen in den Vereinigten“
Staaten zenauer kennen gelernt. Ich habe gesun¬
den, daß die Deutschen vielfach mit einer sentimen¬
talen, oft herinungslosen Liebe an ihrer alten Hei¬
mat hinn und gern den Plan einer späteren
Rückkehr ##oogen, die sich jedoch vielfach als un¬
mö#### heausstellte. Sie kamen mir fast alle als
Entwuggelte vor und nur habe ich tieser als damals #
begritien, wie eng der Menich mit der Scholle, auf
###r er geboren ist, zusammenhängt. Die Heimat ist
das Werentliche ebenso für die geistige, wie für die
politische Existenz der Menschen“.
Ludwig Klinenberger.