VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 60

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1. Miscellaneous
Ausschnitt aus:
Ausschülte aus!e Extrablatt, Wien
I-OMälldner, Ipzig
vom:
„Abendblatt
B
29AUG 19
vom:
Wir Deutsch=Oesterreicher. Notwendige Ergänzungen zur deutschen Literatur¬
geschichte von Ottokar Stauf von der March. Wien, Heinrich Frige u. Co. 230 S.
* In einem Gespräch mit dem Mitarbeiter der
Geh. 5 K, geb. 6 K. — Der Satz, daß die deutschen Geistesschätze von den Juden ver¬
äußerte sich
Ungarischen Theaterkorrespondenz“
waltet werden, hat in Deutsch=Österreich in noch höherem Grade Geltung als sonst
[Frank Wedekind folgendermaßen: „Schnitzler
wo in Deutschland. So kommt es denn auch, daß als die Vertreter des zeitgenössischen
ist der moderne Klassiker. Jede seiner Schöpfungen
deutschösterreichischen Schrifttums immer und immer wieder die Juden und Juden¬
ist wertvoll. .— Vor Hofmannsthal habe ich
stämmlinge Hofmannsthal, Schnitzler, Bahr, Peter Altenberg usw. hingestellt werden,
auch Respekt und ich denke, daß auch als Bühnen¬
was das deutschösterreichische Schriftium natürlich in einem sonderbaren Licht erscheinen
schriftsteller seine Zeit kommt. — Ich finde, daß
läßt. Wie viel aber an wurzelechtem deutschen Schrifttum in Österreich lebendig
Hofmannsthal viel zu bescheiden ist. Gibts Erfolg,
ist, das versuch: Stauf von der March in dem vorliegenden Buche darzutun, indem er
mehr als 250 zeitgenössische nichtjüdische deutschösterreichische Dichter und Dichterinnen
ist's Stravs Verdienst, gibts einen Durchfall, trägt
teilweise mit Bildnissen und mit kurzer Würdigung anführt. Wenn das Buch auch
Hofmannsthal die Schuld. — Ich würde entschieden
keine tiefer grabende zeitgenössische Literatur=Geschichte Deutsch=Österreichs darstellt, eine
anders auftreten!“
Gelehrtenarbeit, die der Verfasser gar nicht leisten wollte, so bietet es doch tatsächlich
höchst notwendige Ergänzungen zu den bis jetzt in dieser Richtung vorliegenden Ver¬
suchen, die alle an dem Fehler leiden, daß sie die wiener Judenliteratur für die
deutsche Literatur Österreichs halten.
Prof. K. R.
Bedentun=
Ausschnitt aus: Das Litterarische Echo. Berlin
-Käharlein
vom:
en
Graf Sylvains Rache. Roman. Von Karin Michaelis¬
Stangeland. Deutsch von Mathilde Mann. Mün¬
chen 1913, Albert Langen. 212 S.
M. 3.—
Da ich das „Gefährliche Alter“ nicht gelesen habe,
Ausschnitt aus
habe ich unserer lieben Frau Karin nichts weiter zu ver¬
Strieries Wiener Prtrablahl
zeihen als dieses neue Buch. Sie nennt es verblendet
2L. RUIEHBMR 1913
„Roman“, aber in Wahrheit ist es ein Märchen, ein
vom:
Novellchen, ein Satirchen, ein Anekdötchen. Ein Märchen:
denn da ist der Ton, in dem es erzählt wird, ein gequält
naiver Ton, ein falsch kindlicher Ton, eine unechte Primi¬
WeDue Sch##-1er echi
tloität. Die Angelegenheit wird abgehandelt, abgesehen
*
Schnitzler und Weisse.
von der Dienerschaft, zwischen einem Grafen, einer Gräfin
und einem Vicomte. Darüber läßt sich Frau Karin so
Artur Schnitzler und Direktor Weisse
aus: „Die Personen sind, wie man sieht, sehr vornehm,
treffen sich in einer Gefenschaft. Nach einer herzlichen“
aber das hat nun seinen Grund ein wenig darin, daß die
Begrüßung ziehen sich die Herren in eine Plauderecke
Geschichte auf einem Schlosse spielt. Hätte sie sich was
zurück. Das Gespräch berühr. Angelegenheiten des
gar nicht zu denken möglich ist — auf einem Bauerngehöft
Theaters. Weisse benützt die gute Laune des Dichters,
oder in einer Hütte an der Landstraße zugetragen, so wären
um eine Bemerkung in eigener Sache vorzubringen:
sie sicher von viel geringerer Herkunft gewesen." Oder:
„Es ist langweilig, daß jetzt nichts mehr von dem Vicomte
er bedauert, daß Schnitzler seit einiger Zeit seine
zu sagen ist, aber das wird schon alles kommen. Man
neuen Arbeiten ausschließlich dem Burgtheater zur
muß nur Geduld haben. (Ach, ja!) Es kann ja doch nicht
Verfügung stellt und dem Volkstheater nur älteren
nützen, den Schluß zuerst zu erzählen.“ In diesem — also
Stücke überlasse. „Ich werde mich bessern,“ verspricht der
wenn es nicht eine Dame wäre, sagte ich: albernen —
Poet. — „Das freut mich herzlich,“ antwortet Weisse,
Ton geht es weiter. Insofern ist's ein Märchen. Eine
„aber bitte, geben Sie mir wieder einmal einen
Novelle ist's, weil eine „unerhörte“ Begebenheit darin
sch.
Schnitzler — keine Abschnitzler ...
auf kleinen zweihundert Seiten erzählt wird. Eine Satire
soll es sein: auf die Liebe, die Treue, die Frau und den
Mann. Und ein Anekdötchen schließlich von dem Manne,
der seine ungetreue Frau einige Wochen mit ihrem Lieb¬
haber einsperrt, um sie so von ihrer Liebe zu kurieren.
Was gelingt. Und hinter allem der blendende Tiefsinn:
spiele nicht mit dem Feuer! Du, Gattin, nimm dir keinen
gerterente eenen
Liebhaber, wenn du einen brauchbaren Mann hast! Du,
Gatte, lade nicht Don Juan zu Gast, wenn deine F au
A EUEAEER 1313
zwanzig Jahre jünger als du und ein Gänschen ist! Denn
vom:
sie ist eine Gans, der Vicomte ein Trottel, der Graf ein
Frauenphantasiegebild! Natürlich kann man es sich ge¬
fallen lassen, daß gelegentlich statt Menschen Puppen
Dichter als Politiker.
agieren (Schnitzlers Einakter), aber dann muß an den
Drähten wirklich Weisheit, Tiefsinn, Symbol und Ge¬
Die Griechen von Koritza richteten einen
heimnis hängen. Was der eine Schnitzler kann, können
Hilferuf an Rostand, er möge, wie einst
aber alle unsere lieben Frauen zusammen ssicht, und also
bleibt's auch hier ein traurig Figurenspiel.
Byron und Victor Hugo seine Stimme zu
Frau Karin hat uns früher manch rührendes, tiefes,
ihren Gunsten erheben. Herr Pierre Loti
süßes Buch geschenkt. Zwar, bisweilen kam einem so die
wieder ist für die Türkei eingetreten.
schwanke Ahnung: ist da alles echt? ist's wirklich Herz oder
nur Wort? Nun, dieses Buch vom Grafen Sylvain klingt
Wir glauben selbst, es wäre besser, den
unecht, falsch und peinlich bom ersten Worte an! Die
Autoren den diplomatischen Dienst anzu¬
uralte banale Anekdote, die hier zu einem „Roman“ ver¬
arbeitet ist — nur sparsame Hausfrauen verstehen so mit
vertrauen Wenn Leo Stein „Polenblut“
allerlei Krimskrams und Saucen und Garnierungen aus
schreibt, den schwankenden Charakter der
einem Happen Hummer eine ganze Majonnaise zu „ge¬
stalten“ — diese Anekdote hätte sich mit ihrer Herkunft
Schlachzizen entschuldigt, sicht man die
bescheiden und, statt sich auf zweihundert Seiten breit, auf
galizische Krise mit ganz andern Augen.
zweien knapp machen sollen. Mit Ungeduld, Verdruß und
verkniffenem Lächeln liest man diese Geschichte, an die
Schnitzlers „Prof. Bernhardy“ macht an
sich schon christlichsoziale Wahlerfolge.
Also, Autoren, auf! Schwarzbücher, Wei߬
ganz im Verborgenen — und
manch hübsches Wort
bücher, Blaubücher suchen Mitarbeiter!
eine sehr flüssige Diktion verschwendet ist.
Kurt Münzer

Zürich