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1. Miscellaneous
Sewal!
AAusschnitt aust#Len Anzeider
om: II. AUBUST 1913
Novellen.
V „Hioh“ nennt Alfred Polgar seinen neuen No¬
vellenband. (Verlag: Albert Langen, München.)
Es sind zehn kleine Dingerchen, die im Tone und
Stil den geistvoelln Wiener Feuilletonisten ver¬
raten. Meisterlich
sind die Dialogstellen, die
in feingeschliffenen, für den Autor charakteristi¬
schen Sätzen wie aneinandergereihte Epigramme
wirken. Alfred Polgar ist ein scharfer Beobachter
und unerbittlicher Psychologe; ein genauer Ken¬
ner des Weibes, wenn wir auch anzunehmen ge¬
neigt sind, daß er da gleich zu sehr verallgemei¬
nert. Die Schlagkcaft seiner Situationen ist ver¬
blüffend; sehr ergötzlich, wenn er strikte ins
Gegenteil verkehrt, was dies süße Wiener Mädel
sagt und so alle ihre Entschließungen vorausahnt.
Die Igelhaftigkeit bleibt jedoch immer ein ver¬
gebliches Sträuben gegen das Ewigweibliche, dem
jeder seiner männlichen Figuren auf seine Weise
kierung zu denken, doch leuchten hinter den Ver¬
zerrungen die Masken desto wahrhaftiger hin¬
durch. Bisweilen sind es bloß Wortgeplänkel, die
zwischen Liebelnden, Eifersüchtigen und Bevor¬
zugten geführt werden, doch gerade das Tändelnde
und Spielerische hat einen tiefernsten Unterton.
Sch
tler variiert immer nur das eine Thema
## ihr und dem anderen; Alfred Polgar ge¬
winnt alledem neue Seiten ab: doch aus all der
geistvollen Bosheit des halben Hinhörens und
Nichternstnehmens klingt weh der Schmerz des
echten, heißen und wahren Herzens, das nach einer
Seele schreit und immer nur ein Weibche findet.
—
Ausschnitt aus:##rier, Berlin
Torgenzusgabe
vom: O1.
K
Wir Deutschösterreicher.
Von Ottokar Stauf von der March.
Wien, Verlag von H. Feige u. Co.
In dieser Broschüre, in der hinter dem Schild von
Männlichkeit, Wahrheitsliebe und Objektivität ein kleiner,
##illustrierter Skiavenaufstand de# literarischen Dilettantis¬
Imus arrangiert wird, ziehen in einer Art von kritischen
Steckbriefen volle zweihundertundfünfzig österreichische
lebende Dichter und Dichterinnen, zum großen Teil mit
Bild, an dem entsetzten Leser vorüber. Wo kommen sie
her, welche unbekannte Hölle hat sie mit einem Male aus¬
gespien? fragt er sich angstvoll und schon bereit, zu füchten.
Allein gerade diese Frage ist es, sagt Ottokar Stauf t
der March, die ihn veranlaßt hat, diesess Büchlein
schreiben. Wären ihre Namen jedermann bekannt un
nicht der ganze literarische Ruhm Oesterreichs widerrechtlich
er, Altenberg und —
von Bahr, Hofmannsthal, Schnitzt
Dörmann (!!) präokupiert, so hatte ek' diese Lanze für das
wahre österreichische Schrifttum nicht zu brechen brauchen.
So aber habe er sich aus Männlichkeit, Wahrheitsliebe und
Objektivität gedrungen geseben, dieses den Literatur¬
geschichtsschreibern „in Verehrung als gehorsamstes Pro¬
memoria“ gewidmete Kompendium der echt bürgerlichen
Literatur des heutigen Oesterreichs zusammenzustellen, den
Feinden zum Trutz, den Freunden zur Ehre und sich selbst
zum Wohlgefallen. Ich schlage auf: Ueber Schaukal:
„Immer sucht der Dichter zwischen sich und der Welt eine
Brücke zu schlagen, aber es geschieht nie in gewöhnlicher
Weise, stets ist ein großer Zug vorhanden.“ Ueber Rilke:
„Rilke schildert, wie er sehen möchte oft genug wunder¬
lich und ungewohnt, meist aber poetisch“ Ueber Adolf
Heinrich Portinelli (geboren am 12. Juli 1862 zu Inns¬
bruck): „Sein Ahasverus in Tirol“ gehört zu den ur¬
sprünglichsten Schöpfungen dieser Art. Die Erfahrungen,
die der ewige Jude auf seinem Abstecher durch das
„heilige Land Tirol“ macht, könnten nicht leicht wirksamer
Außer Schaukal und Rilke haben
geschildert werden.“
noch andere ernsthafte Männer des gegenwärtigen Oester¬
reichs das Ungluck gehabt, in die Hände dieses vernichten¬
den Lobredners zu geraten, wie Wilhelm Fischer in Graz,
Frany Karl Ginzkey, Friedrich Werner von Oestéren,
Artur von Wallpach u. a. und unter den jüngeren Emil
Ertl, Emil Lucker, Walther von Molo, unter den Frauen
die Handel=Mazetti. Flößen schon diese Namen, die der
An reisung durch Ottokar Stauf nicht bedürfen und für ihr
Tei den Zweck der Broschüre illusorisch machen, in dieser &
Form der Massenansammlung ein gewichtiges Grauen ein,
so erstarrt man völlig, sieht man dann noch die Engel¬
bert Adam, Julie Adam, Emilie Adler, Josef Allram,
Else Ascher, Ernst Altener, Karl Anzengruber (um nurk
beim A zu bleiben) in Heerscharen heranpilgern und wies
kleine Aasfliegen, dicht gedrängt, auf den paar „Namen“
sitzen.
Und dennoch ist dieses Buch nicht ohne Ernst. Selbst
lächerlich, macht es in der Ferne einen Gegner sichtbar,
mit dem es eine Auseinandersetzung lohnt. Dirigiert von
deutsch=nationalem, halb verleugnet, halb zugegeben antiset
mitischem Geiste und zwar in jener besonderen kleinbürger
lichen Fassung, die das Alldeutschtum mangels einer mäch
tigeren und freieren Schicht, von der es getragen würde
in Oesterreich angenommen hat, fast ganz verkrochen in di¬
kleinen, verschlafenen Provinzstädte, in denen man nod
nicht weiß, daß die kleinbürgerlichen Lebensformen den
Tode verfallen sind, rührt das Buch an die österreichisch.
Frage, die ja mit der Judenfrage eng und vielfältig ver
knüpft ist, im allgemeinen, indem es von den Literatur
verhältnissen auf die Probleme zurückweist, die diesen zu
grunde liegen. (Es tut dies natürlich, ohne es im enti
ferntesten zu wollen, und regt den Gedanken daran ledig.
lich automatisch auf.) Darauf eingehen hieße jedoch, die
Broschüre als symptomatische Erscheinung werten, aber dazi¬
ist sie denn doch materiell zu nichtig, dürften sich doch unter
den Gesinnungsgenossen Staufs wohl selber Männer fin¬
den, denen diese Art literarischer Bilderbogenpropaganda
im eigenen Interesse mehr als peinlich wird.
Loo Greiner.
1. Miscellaneous
Sewal!
AAusschnitt aust#Len Anzeider
om: II. AUBUST 1913
Novellen.
V „Hioh“ nennt Alfred Polgar seinen neuen No¬
vellenband. (Verlag: Albert Langen, München.)
Es sind zehn kleine Dingerchen, die im Tone und
Stil den geistvoelln Wiener Feuilletonisten ver¬
raten. Meisterlich
sind die Dialogstellen, die
in feingeschliffenen, für den Autor charakteristi¬
schen Sätzen wie aneinandergereihte Epigramme
wirken. Alfred Polgar ist ein scharfer Beobachter
und unerbittlicher Psychologe; ein genauer Ken¬
ner des Weibes, wenn wir auch anzunehmen ge¬
neigt sind, daß er da gleich zu sehr verallgemei¬
nert. Die Schlagkcaft seiner Situationen ist ver¬
blüffend; sehr ergötzlich, wenn er strikte ins
Gegenteil verkehrt, was dies süße Wiener Mädel
sagt und so alle ihre Entschließungen vorausahnt.
Die Igelhaftigkeit bleibt jedoch immer ein ver¬
gebliches Sträuben gegen das Ewigweibliche, dem
jeder seiner männlichen Figuren auf seine Weise
kierung zu denken, doch leuchten hinter den Ver¬
zerrungen die Masken desto wahrhaftiger hin¬
durch. Bisweilen sind es bloß Wortgeplänkel, die
zwischen Liebelnden, Eifersüchtigen und Bevor¬
zugten geführt werden, doch gerade das Tändelnde
und Spielerische hat einen tiefernsten Unterton.
Sch
tler variiert immer nur das eine Thema
## ihr und dem anderen; Alfred Polgar ge¬
winnt alledem neue Seiten ab: doch aus all der
geistvollen Bosheit des halben Hinhörens und
Nichternstnehmens klingt weh der Schmerz des
echten, heißen und wahren Herzens, das nach einer
Seele schreit und immer nur ein Weibche findet.
—
Ausschnitt aus:##rier, Berlin
Torgenzusgabe
vom: O1.
K
Wir Deutschösterreicher.
Von Ottokar Stauf von der March.
Wien, Verlag von H. Feige u. Co.
In dieser Broschüre, in der hinter dem Schild von
Männlichkeit, Wahrheitsliebe und Objektivität ein kleiner,
##illustrierter Skiavenaufstand de# literarischen Dilettantis¬
Imus arrangiert wird, ziehen in einer Art von kritischen
Steckbriefen volle zweihundertundfünfzig österreichische
lebende Dichter und Dichterinnen, zum großen Teil mit
Bild, an dem entsetzten Leser vorüber. Wo kommen sie
her, welche unbekannte Hölle hat sie mit einem Male aus¬
gespien? fragt er sich angstvoll und schon bereit, zu füchten.
Allein gerade diese Frage ist es, sagt Ottokar Stauf t
der March, die ihn veranlaßt hat, diesess Büchlein
schreiben. Wären ihre Namen jedermann bekannt un
nicht der ganze literarische Ruhm Oesterreichs widerrechtlich
er, Altenberg und —
von Bahr, Hofmannsthal, Schnitzt
Dörmann (!!) präokupiert, so hatte ek' diese Lanze für das
wahre österreichische Schrifttum nicht zu brechen brauchen.
So aber habe er sich aus Männlichkeit, Wahrheitsliebe und
Objektivität gedrungen geseben, dieses den Literatur¬
geschichtsschreibern „in Verehrung als gehorsamstes Pro¬
memoria“ gewidmete Kompendium der echt bürgerlichen
Literatur des heutigen Oesterreichs zusammenzustellen, den
Feinden zum Trutz, den Freunden zur Ehre und sich selbst
zum Wohlgefallen. Ich schlage auf: Ueber Schaukal:
„Immer sucht der Dichter zwischen sich und der Welt eine
Brücke zu schlagen, aber es geschieht nie in gewöhnlicher
Weise, stets ist ein großer Zug vorhanden.“ Ueber Rilke:
„Rilke schildert, wie er sehen möchte oft genug wunder¬
lich und ungewohnt, meist aber poetisch“ Ueber Adolf
Heinrich Portinelli (geboren am 12. Juli 1862 zu Inns¬
bruck): „Sein Ahasverus in Tirol“ gehört zu den ur¬
sprünglichsten Schöpfungen dieser Art. Die Erfahrungen,
die der ewige Jude auf seinem Abstecher durch das
„heilige Land Tirol“ macht, könnten nicht leicht wirksamer
Außer Schaukal und Rilke haben
geschildert werden.“
noch andere ernsthafte Männer des gegenwärtigen Oester¬
reichs das Ungluck gehabt, in die Hände dieses vernichten¬
den Lobredners zu geraten, wie Wilhelm Fischer in Graz,
Frany Karl Ginzkey, Friedrich Werner von Oestéren,
Artur von Wallpach u. a. und unter den jüngeren Emil
Ertl, Emil Lucker, Walther von Molo, unter den Frauen
die Handel=Mazetti. Flößen schon diese Namen, die der
An reisung durch Ottokar Stauf nicht bedürfen und für ihr
Tei den Zweck der Broschüre illusorisch machen, in dieser &
Form der Massenansammlung ein gewichtiges Grauen ein,
so erstarrt man völlig, sieht man dann noch die Engel¬
bert Adam, Julie Adam, Emilie Adler, Josef Allram,
Else Ascher, Ernst Altener, Karl Anzengruber (um nurk
beim A zu bleiben) in Heerscharen heranpilgern und wies
kleine Aasfliegen, dicht gedrängt, auf den paar „Namen“
sitzen.
Und dennoch ist dieses Buch nicht ohne Ernst. Selbst
lächerlich, macht es in der Ferne einen Gegner sichtbar,
mit dem es eine Auseinandersetzung lohnt. Dirigiert von
deutsch=nationalem, halb verleugnet, halb zugegeben antiset
mitischem Geiste und zwar in jener besonderen kleinbürger
lichen Fassung, die das Alldeutschtum mangels einer mäch
tigeren und freieren Schicht, von der es getragen würde
in Oesterreich angenommen hat, fast ganz verkrochen in di¬
kleinen, verschlafenen Provinzstädte, in denen man nod
nicht weiß, daß die kleinbürgerlichen Lebensformen den
Tode verfallen sind, rührt das Buch an die österreichisch.
Frage, die ja mit der Judenfrage eng und vielfältig ver
knüpft ist, im allgemeinen, indem es von den Literatur
verhältnissen auf die Probleme zurückweist, die diesen zu
grunde liegen. (Es tut dies natürlich, ohne es im enti
ferntesten zu wollen, und regt den Gedanken daran ledig.
lich automatisch auf.) Darauf eingehen hieße jedoch, die
Broschüre als symptomatische Erscheinung werten, aber dazi¬
ist sie denn doch materiell zu nichtig, dürften sich doch unter
den Gesinnungsgenossen Staufs wohl selber Männer fin¬
den, denen diese Art literarischer Bilderbogenpropaganda
im eigenen Interesse mehr als peinlich wird.
Loo Greiner.