VII, Verschiedenes 11, 1913–1915, Seite 31

1. Miscellaneous box 41/5
1914. Nr. 9
Über Land und Meer

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A
Phot. Schöser
Phot. Seebald
Pbot. d'Org
Phot
Konrad von Hötzendorf,
Professor E. von Hellmer, Rektor
Professor Gustav Klimt
Professor Otto Wagner
Generalstabschef
der Akademie der bildenden Künste
sich später voneinander trennten.
Wie diese vier wollen und sollen, und sein Einfluß auf die Offent¬
Wieviel neuschöpferische Kraft das geistige 0
Namen hier eng zusammenrücken, scheint es, als
lichkeit, auf die Jugend ist groß.
Österreichs birgt, wird augenblicklich empfin
ob sie in einen und denselben Topf gehören würden.
Inzwischen sind wir von der rein großstädtischen
wer sich an Gustav Mahler erinnert, wer sich
Dennoch sind sie ungefähr vier ganz voneinander
Literatur wieder ein wenig befreit worden. Rudolf
Arnold Schönbergs spröder Eigenart beschä
verschiedene Welten, sind vier Persönlichkeiten, die
Hans Bartsch mit seiner gesunden Sentimentalität,
wer dieser eigenartigen zukunftsreichen Mi
in stärkstem Kontrast zueinander stehen. Aber sie
mit seiner jubelnden Freude an der Natur hat
gedenkt, wer die geniale Frische des allzufrüh
haben zusammen eine unmeßbare Wirkung auf das
die österreichische Landschaft und die österreichische
storbenen Olbrich, des Erbauers der Wiener S
moderne Denken geübt, üben in der lebendigen
sion, im Gedächtnis behielt, wer die moderne
Provinz wieder erschlossen, und selbst wo er seine
der Monumentalität bewundert, die Otto Wa¬
Gegenwart noch fortdauernd einen unmeßbar
Romane in Wien spielen läßt, nimmt sich dieses
großen Einfluß, der in der modernen Literatur am
große moderne Wien immer noch irgendwie länd¬
in seinen Architekturen hingestellt hat, und wer
stärtsten fühlbar wird.
heißumstrittenen, im Tiefsten meisterlichen Be
lich aus, als ob es noch von den alten Basteien um¬
Völlig als Einzelner und als Alleinstehender ragt
von Gustav Klimt liebt.
gürtet und von den grünen Glacis umgeben wäre.
Anzengruber in die österreichische Literatur der
Wenn wir heute dieses merkwürdig zerri
Ins freie Land und in die Vergangenheit zurück
Gegenwart herein. In der Generation, der er an¬
führen auch die Romane der Baronin Enrica
und doch wieder merkwürdig zur Ganzheit
Handel=Mazzetti, die künstlerisch herber, fast möchte
gehörte, war er ein Einsamer. Und die Generation,
sammengeschlossene Österreich begreifen, i
unser instinktives Heimatgefühl für dieses
die nach ihm kam, ihn verstanden, geliebt und verehrt
man sagen, männlicher ist als Bartsch. Ein Erzähler¬
gestützt und bekräftigt wird durch verstehendes
hat, konnte der frühzeitig Dahingeschiedene nicht
talent allerersten Ranges, eine tiefreligiöse dichte¬
mehr von Angesicht zu Angesicht sehen. Anzengrubers
wußtsein, wenn wir imstande sind, Vergange
rische Kraft bildet diese starke und wunderbare Frau,
und Gegenwart miteinander unlöslich zu
Generation war ein Geschlecht von Epigonen. Was
die man die österreichische Selma Lagerlöf nennen
sie hervorgebracht hat, ist in höherem Sinne Kitsch
knüpfen und in allem ein einziges, ein österr
möchte, einen merkwürdigen Gegensatz zu der
und ist heute schon fast gänzlich vergessen. Peter
greisen Maria von Ebner=Eschenbach, die abge¬
sches Schicksal zu erkennen, so danken wir da¬
meist dem Manne, der als erster und bishe
dlärter, freizenniger, milder, aber künstlerisch auch
Rosegger, der jetzt Siebzigjährige, ragt noch neben
einziger moderne österreichische Geschichte
viel schwächer ist als die Handel=Mazzetti.
Anzengruber aus jener Zeit hervor. Ein Einzelner
Von einer starken religiösen Empfindung ge¬
großen Gesichtspunkten aus geschrieben hat:
und Abseitiger wie Anzengruber. Ein prachtvoller
rich Friedjung. Es ist sonderbar, daß es eine wil
Fabulierer, ein naturwüchsiger Poet, doch nicht
tragen, mehr noch gehoben von einer beispiellosen
Plastik des Ausdruckes ist der Lyriker Rainer Maria
objektive, umfassende österreichische Geschichts
wie Anzengruber ein Entscheider und Wegweiser.
Freilich, die Wege, die Ludwig Anzengruber ge¬
Rilke. Es gibt heute keinen, der an seine technische
bung nicht gibt. Heinrich Friedjung ist der
gewesen, der sie uns in seinem Werk „Der K
wiesen, sind nur wenige gegangen. Der einzige,
Vollendung und an seine Originalität des Ge¬
um die Vorherrschaft in Deutschland“ geboten
dankens hinanreichen würde. Ja, man vermag
Karl Schönherr, schien vor einem Jahrzehnt diese
sich's nicht vorzustellen, wie die Technik der Sprache
Dieses Buch ist von entscheidender und immer
Richtung nehmen zu wollen und scheint auch etwas
noch anwachsender Bedeutung. Es ist wie
über Rilke hinaus noch weiter entwickelt werden
von der Kraft zu haben, die dazu gehört, um solch
große, langsam steigende, langsam und weit
könnte. Neben ihm möchte ich hier Franz Werfel
rauhe Pfade zu beschreiten. Die moderne Literatur,
sich strahlende Helligkeit. Und die Schrift die
nennen. Einer von den Jüngsten. Vorerst nur ein
die nach dem Tode Anzengrubers revolutionär
Andenken des bei Königgrätz besiegten Gen
Anfang. Aber doch prägnant und frappierend und
einsetzte, war Großstadtpoesie.
Benedek aus tiefer Schuld und Verachtung in
verheißungsvoll wie wenige. Von Jungen und
Großstädtische Literatur, Nervenkunst, psycho¬
Helden= und Märtyrerglorie hob, war ein Erei
Jüngeren und von Abseitsstehenden würde ich
logische Dichtung blühte in üppiger Fülle. Eine
Nicht die Tatsachen lernten wir nun aneina#
überhaupt gern noch mehr mitteilen. Es darf nicht
ihrer feinsten und seltsamsten Gestalten: Peter
geleugnet und nicht verschwiegen werden, daß der
reihen, sondern unser österreichisches Schicksalh
Altenberg, für den es bezeichnend ist, daß er in der
dem österreichischen Menschentum verstehen.
durch seine Heftigkeit isolierte Satiriker Kael Kraus
russischen Jugend am meisten verehrt und am
dem Menschlichen sehen wir durch Friedjungs
mit seiner großen, negierenden Beredsamkeit einen
besten verstanden wird. Der kultivierteste Künstier
historisch meisterhafte Darstellung die Tatsch
starken Einfluß auf die Jugend übt. Und es soll
und der schöpferisch reichste: Arthur Schnitzler, der,
und Katastrophen sich entwickeln. Verstehen
hier wenigstens vorausgesagt sein, daß Talente wie
rasch von französischen Einflüssen frei geworden,
heute nicht bloß mit dem Herzen, sondern auch
seine ganz besondere Eigenart in unermüdlicher
Walter von Molo, Emil Ertel, Hermann Essig,
unserm schärfsten Bewußtsein die Kraftnatur
Otto Soyka, Max Brod, Felir Braun und Emil
Arbeit auf das schönste entfaltet hat. Ein Anfang
Tegetthoff, sehen wir Verwandtschaft zwischen
Lucka die nächste Zukunft bedeuten.
von hinreißender Schönheit und blendender Ver¬
dem Admiral, und dem H
heißung war Hugo von Hof¬
Burckhardt.
mannsthal, der bis jetzt aber