VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 1

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Miscellaneous
ausspiel gewinnen. Er unten in Stufe
Burgunder und geht lieblich und glatt ein. Aber seine Wirkung
.... und den übrigen Hauptplätzen hatte man
ist heimtückisch. Biedere Werderaner versichern, daß, wer
in Arbeiter Feiern veranstaltet. Die Geschäfte waren teilweise
gut gegessen hat und seinen Schoppen Obstwein langsam und be¬
geschlossen. Die Mehrzahl der Zeitungen erschien nicht. Ver¬
Ein „Hellseher“ ist Herr Schermann nicht, und er will es auch
Schermann.
nicht sein, wie denn seine ganze bescheidene, fast schüchterne Art sich
von jeder Mache erfreulich fernhält. Für Wunderischer und Aber
P. B. Der Schutzverband deutscher Schriftsteller hat Herrn
Schermann aus Wien eingeladen, Proben der seltsamen Wissen¬
gläubische ist er nicht der Mann, obwohl von ihm stimmen mag, was
schaft, von der Dr. Robert Scheu vor einiger Zeit an dieser Stelle
einmal Lessing sagt: daß der Aberglaube den Sinnen bald zu viel

erzählte, vor einem größeren Kreise abzulegen. Der öffentlichen
und bald zu wenig zutraut.
im
Sitzung, die gestern abend im Saale des Brüdervereins stattfand, sollte
punk
eine Prüfung durch eine kleine Gesellschaft Sachverständiger voraus¬
k. k. Die öffentliche Sitzung, die gestern abend stattfand, war
die
gehen; da aber aus der geplanten kleinen Gesellschaft eine ziemlich
für viele der zahlreichen Zuhörer eine Enttäuschung. Zunächst sprach
über
große wurde, zu der außer bekannten Professoren, Künstlern und
ein Herr aus Wien sehr lange über die Fähigkeiten und Fertigkeiten
der
Schriftstellern auch zahlreiche Damen gehörten, ließ sich ein ab¬
Schermanns und zeigte dazu Lichtbilder. Das Publikum wurde un¬
tat er
schließendes Urteil durch sachliche Experimente noch nicht gewinnen.
ruhig, man rief Schluß und verlangte energisch Schermann selbst
entfal
Fünf Kommissionen, die in der Versammlung gewählt wurden, sollen
„arbeiten" zu sehen. Dieser wurde inzwischen in einem Nebenraum
die in
nun in einzelnen Sitzungen festzustellen versuchen, ob die merkwürdi¬
gen Dinge, die Dr. Scheu in einem kurzen einleitenden Vortrage er von einer Kommission geprüft, zu der u. a. Ludwig Fulda, Rudol
Zwei
Presber, Dr. Robert Scheu, Gabriele Reuter und Dr.
Sänge
wähnte, und die zum Teil von Dr. Franz Oppenheimer, also
Magnus Hirschfeld gehörten. Als diese Herren im Saale er¬
Mör
einem in Berlin wohlbekannten und geachteten Manne der Wissenschaft,
schienen, berichtete Dr. Ludwig Fulda unter allgemeiner Aufmerk¬
bestätigt wurden, tatsächlich als eine Grundlage zu neuer Erkenntnis
Orche
samkeit, daß Schermann die Handschrift Schnitzlers aus einem ärzt
betrachtet werden können, oder ob der Skeptizismus, dessen Wortführer
vorne
lichen Rezept im allgemeinen richtig gedeutet habe, daß aber auch
gestern besonders Professor Dr. Dessoir war, auch in Sachen Scher¬
gepfle¬
Fehler mit unterlaufen seien. Ein Graphologe betonte sodann, daß
gibt
mann recht behält.
Schermann zwar ein tüchtiger Graphologe sei, in Deutschland jedoch
Was gestern geschah, setzte sich aus überraschenden Treffern und
Recha
noch bedeutend bessere Handschriftendeuter lebten. Nach längeren De
nicht minder überraschenden Fehlschlägen zusammen. Herr Schermann
bei ih
gab zum Beispiel nach der Aufschrift eines Briefumschlags die in den batten trat Schermann selbst in Aktion. Aus ein paar Zeilen von der
Kardi=
meisten Einzelheiten gelungene Charakteristik des früheren französi¬ Hand Maximilian Hardens entwarf er nach kurzer Zeit ein
schen Ministers Pichon, um zum Schluß durch die Andeutung zu Charakterbild des Schriftstellers. Das Publikum gab durch lautes
kurzen
verblüffen, daß der Briefschreiber (also Stephan Pichon) Bravo zu erkennen, daß Schermann Wesen und Art Hardens richtig
Karte
gedeutet habe.
zu dem Adressaten, einem guten Deutschen, wahrscheinlich
Nun verlangte man Beweise der hellseherischen Kraft Schermanns
oder
Oder
in verwandtschaftlichen Beziehungen stände
bestechenden Dieser Wunsch wurde aber von Dr. Scheu abgelehnt mit dem Hin¬
Grenz
durch Schlagkraft
zeichnete mit kurzen
weis, Schermann könne nicht wie ein Automat arbeiten. Außerdem
Türke
Sätzen das Bild einer offenbar höchst interessanten Dame, nach glaub¬
sei auch Schermann kein Hellseher. Man müsse ihn aber
Reichs
würdigem Zeugnis sogar in Aeußerlichkeiten richtig —, bis er dann,
als ein Phänomen ansehen. Der bekannte Graphologe Professor
ganzen
für eine Dame doppelt schmerzhaft, durch die fehlerhafte Angabe des
Langenbruch werde heute Schermann eingehend prüfen.
regel
Alters (vierzig statt zweiundzwanzig!) sich selbst um die Wirkung brachte.
bedar
Die Erklärung kann ebenso in der Einwirkung der ungewohnten Damit verließ der größte Teil des Publikums den Saal, während die
Zurückbleibenden noch längere Debatten über die Fähigkeiten Scher¬
denen
Umgebung wie in anderen Umständen gesucht verden. In jedem Falle
manns, den Erfolg oder Mißerfolg des Abends führten.
Bibli¬
wird es aber gut sein, mit einem Schlußurteil über das „Phäno¬
Karte
menale“ der Erscheinung Schermann zurückzuhalten, bis nach exakter
Stoff
L. S. Im Deutschen Opernhaus begann gestern Leo
Prüfung die Wissenschaft gesprochen hat. Der Laie empfing gestern
verw.
den Eindruck eines höchst sensibeln Menschen, dessen graphologische Slezak sein Gastspiel als Eleazar in der „Jüdin“. Nach den
vierten Akt mit seiner für die Kunst eines Eleazar=Sängers ent¬ nur
Beobachtungsgabe durch Uebung gesteigert und durch die Gewohn¬
scheidenden Arie gab es im übervollen Hause lauten und anhalten¬
heit phantasievoller Einfühlung zu blitzschnellen Schlußfolgerungen
den Jubel. Immer wieder rief man den Gast, der freundlich und
geführt wird.