1. Miscellaneous
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Bekanntesten, doch gerade die „Beliebtheit ist Vor¬
aussetzung für die Typisierung. Und in der Hinsicht
braucht es gerade kein Wiener Geschmackler zu sein,
da genügt selbst ein Karl Hans Strobl, um
einem oberflächlich urteilenden Reichsdeutschen den
Ekel vor der sogenannten österreichischen Art in die
Kehle zu locken.
Dieser „Mann aus Iglau wie ihn Schlenther
in seinen Besprechungen zu nennen pflegt — ist ein
Meister der Aufmachung übelster Art. Er weiß von
sich reden zu machen wie nicht gleich einer unserer
Literaten. Wir kennen keine Zeitschrift, die sich's zur
Ehre rechnen würde, den Karl Hans nicht unter
ihre Mitarbeiter zu zählen. Und an sein edles Antlitz
„beinahe mit Weinlaub im Haar“ in jedem illustrier¬
ten Heft ist man fast schon so gewöhnt wie an die
Anzeige der „Zivnobanka in der „Neuen Freien".
Vollends noch im Kriege empfiehlt er sich uns als
Kriegsberichterstatter selbst im „Wiener Extrablatt“!
Doch was sich der Vieledle gegenwärtig in der
„Leipziger Illustrierten Zeitung leistet, geht schon
über die Hutschnur: Dort erscheint nämlich Strobl
neuestes „Werk" — wir müssen es halt doch nennen,
doch, bei Gott, ohne jede Reklameabsicht! — „Welt¬
wende. Der Roman eines Volkes" in Fortsetzungen.
Daß er der großen Geschicht sein Lichtbild und eine
spannende Autobiographie vorausschickte — habeat: Daß
er sich bemüht, glänzende Proben seines hohen Kino¬
stils zu liefern, wie etwa „der Eisenbahnwagen
entleert sich wie die Fülle einer weichen Wurst", „die
Autohupen quieken wie gekitzelte Mondkälber, „der
Oberkellner bewegt sich, bis sein weiches Körperende
genügend Schwung bekommt und mit kerndeutschen
Worten wie „Dreckseele!“ in dem Weihewerk des
großen Krieges herumwelt — beim Karl Hans muß
man's schon in Kauf nehmen. Doch er beliebt noch
weiterzugehen! Ihm, der imstande ist, bis zu einem
bestimmten Tag einen dickleibigen Roman zu schreiben
(Siehe „Der wilde Bismarck und dazu die Be¬
sprechung „Schmeißfliegenliteratur“ in der Zeitschrift
„Die Wage"), ihm ist die Dichtkunst nicht bloß Ge¬
schäft, sondern auch Mittel zum Kühlen seines Münchens
an Leuten, die seiner persona sanctissima in rich¬
tiger Einschätzung etwas nähergekommen sind. Als
abscheuliches Beispiel hierfür diene die Charakterisie¬
rung des Fachlehrers Firnkranz (in Folge 70 der
„Illustrierten"), dessen Original in Brünn zu finden
ist. Für Idealisten hat der Herr Finanzsekretär i. R.
und alte Farbenstudent nichts mehr übrig denn
Satire.
Seit er in Leipzig bei Staackmann Unterkunft
gefunden, fühlt sich Strobl so erhaben ob allem, was
ihm einst hoch und heilig war, daß er sein eigen
Nest beschmutzt. Auch dafür wieder ein sprechendes
Beispiel in der „Weltwende“! Im siebenten Kapitel
des zweiten Teiles wird der Sokoltag in Brünn an
jenem schicksalsschweren 28. Juni 1914 geschildert.
Als Einleitung dazu erachtet es der „deutschnationale
Mährer Strobl für nötig, den weiten Kreisen seiner
Leser eine Erklärung des deutsch=tschechischen Streites
zu geben; das geruht er also zu tun: „Dickschädel
bringen es fertig, wegen eines Wiesenrains oder eines
alten Röhrbrunnens solange zu prozessieren, bis der
Wiesenrain ganz und gar in Sporteln, Stempeln und
Gebühren umgewandelt ist, aus dem Pumpen am
Röhrbrunnen ein Pumpen aus den Taschen der
Wucherer werden muß. Oder es ist wie in einem
Eisenbahnwagen, wo der eine gerade das Fenster
offen haben will, das der andere geschlossen haben
möchte. Sie könnten sich ja vergleichen und die
Plätze tauschen, aber darauf verfällt keiner; und so
fauchen sie lieber aufeinander los und wollen ihr
Recht behaupten. Daß der eine dem anderen nach¬
Ein
gäbe, ist ganz und gar ausgeschlossen.
solches Wiesenrain=, Röhrbrunnen= und Zugfenster¬
Gezerre hatten die Deutschen mit den Tschechen schon
seit etlichen hundert Jahren und dabei war so viel
an Stempeln, Sporteln und Gebühren aufgegangen,
es ein Jammer genannt werden könnte.
Ach, wie gereift und abgeklärt doch der Verfasser
der „Vaclavbude“ heute von Geschehnissen spricht, die
gerade heute als wohlbedachte, planmäßig eingeleitete
Machenschaften von dritter Seite sich entpuppen und
durchaus nicht als Balgereien, die mit einem „aus¬
gerissenen Haarschopf oder eingeschlagenen Backen¬
zahn ihr lächerliches Ende nahmen. Freilich,
streitbare und trinkfeste „Austria“=C. Ph. muß es
wohl wissen, weshalb er sein junges Leben auf Prags
Gassen oft in die Schanzen schlug! Er tut uns leid.
Beinahe wäre man versucht, die Schnitzlers und
Bahrs in Schutz zu nehmen gegenüber „Machern,
vom Schlage eines Karl Hans Strobl.
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Bekanntesten, doch gerade die „Beliebtheit ist Vor¬
aussetzung für die Typisierung. Und in der Hinsicht
braucht es gerade kein Wiener Geschmackler zu sein,
da genügt selbst ein Karl Hans Strobl, um
einem oberflächlich urteilenden Reichsdeutschen den
Ekel vor der sogenannten österreichischen Art in die
Kehle zu locken.
Dieser „Mann aus Iglau wie ihn Schlenther
in seinen Besprechungen zu nennen pflegt — ist ein
Meister der Aufmachung übelster Art. Er weiß von
sich reden zu machen wie nicht gleich einer unserer
Literaten. Wir kennen keine Zeitschrift, die sich's zur
Ehre rechnen würde, den Karl Hans nicht unter
ihre Mitarbeiter zu zählen. Und an sein edles Antlitz
„beinahe mit Weinlaub im Haar“ in jedem illustrier¬
ten Heft ist man fast schon so gewöhnt wie an die
Anzeige der „Zivnobanka in der „Neuen Freien".
Vollends noch im Kriege empfiehlt er sich uns als
Kriegsberichterstatter selbst im „Wiener Extrablatt“!
Doch was sich der Vieledle gegenwärtig in der
„Leipziger Illustrierten Zeitung leistet, geht schon
über die Hutschnur: Dort erscheint nämlich Strobl
neuestes „Werk" — wir müssen es halt doch nennen,
doch, bei Gott, ohne jede Reklameabsicht! — „Welt¬
wende. Der Roman eines Volkes" in Fortsetzungen.
Daß er der großen Geschicht sein Lichtbild und eine
spannende Autobiographie vorausschickte — habeat: Daß
er sich bemüht, glänzende Proben seines hohen Kino¬
stils zu liefern, wie etwa „der Eisenbahnwagen
entleert sich wie die Fülle einer weichen Wurst", „die
Autohupen quieken wie gekitzelte Mondkälber, „der
Oberkellner bewegt sich, bis sein weiches Körperende
genügend Schwung bekommt und mit kerndeutschen
Worten wie „Dreckseele!“ in dem Weihewerk des
großen Krieges herumwelt — beim Karl Hans muß
man's schon in Kauf nehmen. Doch er beliebt noch
weiterzugehen! Ihm, der imstande ist, bis zu einem
bestimmten Tag einen dickleibigen Roman zu schreiben
(Siehe „Der wilde Bismarck und dazu die Be¬
sprechung „Schmeißfliegenliteratur“ in der Zeitschrift
„Die Wage"), ihm ist die Dichtkunst nicht bloß Ge¬
schäft, sondern auch Mittel zum Kühlen seines Münchens
an Leuten, die seiner persona sanctissima in rich¬
tiger Einschätzung etwas nähergekommen sind. Als
abscheuliches Beispiel hierfür diene die Charakterisie¬
rung des Fachlehrers Firnkranz (in Folge 70 der
„Illustrierten"), dessen Original in Brünn zu finden
ist. Für Idealisten hat der Herr Finanzsekretär i. R.
und alte Farbenstudent nichts mehr übrig denn
Satire.
Seit er in Leipzig bei Staackmann Unterkunft
gefunden, fühlt sich Strobl so erhaben ob allem, was
ihm einst hoch und heilig war, daß er sein eigen
Nest beschmutzt. Auch dafür wieder ein sprechendes
Beispiel in der „Weltwende“! Im siebenten Kapitel
des zweiten Teiles wird der Sokoltag in Brünn an
jenem schicksalsschweren 28. Juni 1914 geschildert.
Als Einleitung dazu erachtet es der „deutschnationale
Mährer Strobl für nötig, den weiten Kreisen seiner
Leser eine Erklärung des deutsch=tschechischen Streites
zu geben; das geruht er also zu tun: „Dickschädel
bringen es fertig, wegen eines Wiesenrains oder eines
alten Röhrbrunnens solange zu prozessieren, bis der
Wiesenrain ganz und gar in Sporteln, Stempeln und
Gebühren umgewandelt ist, aus dem Pumpen am
Röhrbrunnen ein Pumpen aus den Taschen der
Wucherer werden muß. Oder es ist wie in einem
Eisenbahnwagen, wo der eine gerade das Fenster
offen haben will, das der andere geschlossen haben
möchte. Sie könnten sich ja vergleichen und die
Plätze tauschen, aber darauf verfällt keiner; und so
fauchen sie lieber aufeinander los und wollen ihr
Recht behaupten. Daß der eine dem anderen nach¬
Ein
gäbe, ist ganz und gar ausgeschlossen.
solches Wiesenrain=, Röhrbrunnen= und Zugfenster¬
Gezerre hatten die Deutschen mit den Tschechen schon
seit etlichen hundert Jahren und dabei war so viel
an Stempeln, Sporteln und Gebühren aufgegangen,
es ein Jammer genannt werden könnte.
Ach, wie gereift und abgeklärt doch der Verfasser
der „Vaclavbude“ heute von Geschehnissen spricht, die
gerade heute als wohlbedachte, planmäßig eingeleitete
Machenschaften von dritter Seite sich entpuppen und
durchaus nicht als Balgereien, die mit einem „aus¬
gerissenen Haarschopf oder eingeschlagenen Backen¬
zahn ihr lächerliches Ende nahmen. Freilich,
streitbare und trinkfeste „Austria“=C. Ph. muß es
wohl wissen, weshalb er sein junges Leben auf Prags
Gassen oft in die Schanzen schlug! Er tut uns leid.
Beinahe wäre man versucht, die Schnitzlers und
Bahrs in Schutz zu nehmen gegenüber „Machern,
vom Schlage eines Karl Hans Strobl.