VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 21

1. Miscellaneous
box 41/6

SEV
I. österr.
on
.

Wien, 1.
Konkorcaplatz 4
Deutsches Tagblatt
deutsche Rundschau

Wie
Auch so ein „Repräsentant der
deutschösterreichischen Kunst.
Es wird uns geschrieben:
Kürzlich brachte die „Kölnische Zeitung" eine
saftige Besprechung über das Wiener Literatentum
derer um Bahr und Schnitzler. Der Kritiker wirft da
zum Schutz die Gewissensfrage auf: „Glaubt im
Hinblick auf diese fragwürdigen Werke der Wiener
Literaten ernstlich jemand in Deutschland heute noch
an die Ueberlegenheit jener sogenannten österreichischen
Kultur oder sind nicht gerade jene letzten Dokumente
eines Wienerischen Literatentums und jener viel zu
sehr künstlich gezüchteten Geschmacklerkunst Beweise
dafür, daß unser trefflicher Bundesbruder in diesem
Weltkriege auch einer inneren Reformation an Haupt
und Gliedern bedarf, um fortan in einer neuen deut¬
schen Weltkultur bestehen zu können?
Die Frage ist berechtigt, weil der Mann Deutsch¬
österreich doch auch nur von der Fichtegasse her
kennt und glaubt, das sei Deutschüsterreich. Nun
N.
Sonnabend
darüber sind in letzter Zeit ja Bücher geschrieben
worden. Der Fehler in all den reichsdeutschen Ur¬
teilen über uns ist: Falsche Verallgemeinung. Wie
wir nicht in jedem beliebigen schnoddrigen Berliner
den Typus des Reichsdeutschen sehen dürfen, so darf
der Wiener nicht als typischer Deutschösterreicher
draußen gelten. Dazu die Reklame der „großen
Presse: Die Besten sind durchaus nicht immer die
Bekanntesten, doch gerade die „Beliebtheit“ ist Vor¬
aussetzung für die Typisierung. Und in der Hinsicht
braucht es gerade kein Wiener Geschmackler zu sein,
da genügt selbst ein Karl Hans Strobl, um
einem oberflächlich urteilenden Reichsdeutschen den
Ekel vor der sogenannten österreichischen Art in die
Kehle zu locken.
Dieser „Mann aus Iglau wie ihn Schlenther
in seinen Besprechungen zu nennen pflegt — ist ein
Meister der Aufmachung übelster Art. Er weiß von
sich reden zu machen wie nicht gleich einer unserer
Literaten. Wir kennen keine Zeitschrift, die sich's zur
Ehre rechnen würde, den Karl Hans nicht unter
ihre Mitarbeiter zu zählen. Und an sein edles Antlitz
„beinahe mit Weinlaub im Haar in jedem illustrier¬
ten Heft ist man fast schon so gewöhnt wie an die
Anzeige der „Zivnobanka" in der „Neuen Freien".
Vollends noch im Kriege empfiehlt er sich uns als
Kriegsberichterstatter selbst im „Wiener Extrablatt“
Doch was sich der Vieledle gegenwärtig in der
„Leipziger Illustrierten Zeitung" leistet, geht schon
über die Hutschnur: Dort erscheint nämlich Strobl
neuestes „Werk" — wir müssen es halt doch nennen,
doch, bei Gott, ohne jede Reklameabsicht! — „Welt¬
wende. Der Roman eines Volkes" in Fortsetzungen.
Daß er der großen Geschicht sein Lichtbild und eine
spannende Autobiographie vorausschickte — habeat: Daß
er sich bemüht, glänzende Proben seines hohen Kino¬
stils zu liefern, wie etwa „der Eisenbahnwagen
entleert sich wie die Fülle einer weichen Wurst", „die
Autohupen quieken wie gekitzelte Mondkälber, „der
Oberkellner bewegt sich, bis sein weiches Körperende
genügend Schwung bekommt und mit kerndeutschen
Worten wie „Dreckseele!“ in dem Weihewerk des
großen Krieges herumwirft — beim Karl Hans muß
man's schon in Kauf nehmen. Doch er beliebt noch
weiterzugehen! Ihm, der imstande ist, bis zu einem
bestimmten Tag einen dickleibigen Roman zu schreiben
(Siehe „Der wilde Bismarck und dazu die Be¬
sprechung „Schmeißfliegenliteratur“ in der Zeitschrift
„Die Wage"), ihm ist die Dichtkunst nicht bloß Ge¬
schäft, sondern auch Mittel zum Kühlen seines Münchens