VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 34

Miscellaneous
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Ausschnitt aus:
vom 18. 6. 1916
Theater, Kunst, Musik.
Theaternotizen.
Gegen Dr. Ludwig Wüllner, den großen Gast, den wie
gegenwartig am Hofburgtheater sehen, sind alle Schmutz¬
kübel des gewissen Wiener Schocktums mobil geworden.
Wie man hört, haben gegen den, der Wiener Clique unbe¬
quemen Künstler, für den der Publikumserfolg
stürmisch spricht, schon lange vor seinem ersten Auf¬
treten ganz bestimmte feindliche Verabredungen der
Presseleute stattgefunden. Auf solche Art voreingenommen,
haben dann die Schmöcke größeren und kleineren Kalibers
alle einstimmig gefunden, daß Herrn Wüllners hochragende
Leistung halt doch nicht so ganz groß sei, wie (Gott über
der Welt) Sonnenthals König Lear=Darstellung. — Eine
der widerlichsten Blödeleien leistet sich bei diesem Anlasse
die Berta Zuckerkandl. Nachdem sie ihre Besprechung mit
der scharfsinnigen Betrachtung eingeleitet, daß der Weg,
der den Schauspieler zum Lear führt, „zwiefach sei (bei¬
leibe nicht „zweifach"!), schmeckt sie allerlei von der „Tra¬
gödie des Marasmus", von „des Königs rascher Art, seinem
ungezügelt brausenden Willen von Jugend an Widerspruch
tötend, ... wovon im Land noch das Wissen lebt.“ „Was
aber im Mannesalter klarsichtige, scharfzielige (!) Rasch¬
heit eines weitatmenden Geistes war, verdichtet sich dem
Greis zu nebeligen Phantasien einer Seele, die so unum¬
schränktes Selbstverwalten von je gewöhnt war, daß sie
in letztem tollen Fluge die Schwingen bricht." Und dann
kommt die witzige Schmöckin auf Wüllner zu sprechen und
ihre Hand zittert gar nicht, wenn sie, die kleine Zucker¬
kandl, über den großen Wüllner ihre zierlichen Blödeleien
auskramt.... Sie soll nur acht geben, daß ihr nicht auch
bei ihrem letzten tollen Fluge die Schwinge der Gans, die
nicht ganz scharfzielig sein soll, bricht. Uns wandelt schon
so ein Brechgefühl an.
Welcher Gemeinheit solch ein Schmierfink fähig sein
kann, wenn es gilt, große Künstler zu verhöhnen, das
zeigte uns kürzlich die „Wiener Karrikaturen“, dieses Wit¬
blatt, in welchem das Wiener Logentum seine Planterien
ablagert. Dieses allererbärmlichste Schmutzblättchen ver¬
höhnte die Stella Hohenfels mit folgendem „Witz: „In
der Theaterwelt herrscht große Aufregung infolge gänz¬
lichen Fehlens von Schminke. Frau Hohenfels soll alle
vorhandenen Quantitäten an „Jugendrat auf
anläßlich ihres Wiederauftretens verwendet haben.“ Wozu
bloß zu bemerken ist, daß der Schmuck, der dieses schrieb,
noch um einige Grade dämmer zu sein scheint, als er ge¬
mein ist, wie unmöglich dies auch auf den ersten Blick aus¬
sieht.
Als Beitrag zur fortschreitenden Wertschätzung unseres
sauberen, heimischen Dichters Artur Schnitzler dienen fol¬
gende trefflichen Worte, die der zehnmal größere Dichter
Fritz Lienhard im „Türmer" schreibt:
„Es gibt in unserm Heldenvolk Händler genug, die
ein Interesse daran haben, den jetzigen Zustand (des
Schmutzes) aufrechtzuerhalten und die dafür Gründe ins
Feld führen können. Sie selbst fühlen sich im Fließenden,
Unfesten, Möglichen der Geschäfte und der immer neuen
Reizungen wohl. Sie selbst würden sich in ihrem Naturell
beengt fühlen — nicht die Kunst. Und so gibt es auch Dich¬
ter genug, die durch die bisher gezüchteten Bedürfnisse
nach Interessantem und „Amüsantem mit emporgezüchtet
worden sind. Was nützt es, dem Volke Reinheit der Ehe
oder Ehrfurcht vor dem Edelweiblichen als Grundlagen
aller gesunden Staatsgemeinschaft einzuprägen, wenn auf
der Bühne im mißbräuchlichen Namen der Kunst die Brunst
verherrlicht wird? Ist nicht ein schematischer Freisinn so¬
fort bereit, diesen Brünstlingen im Namen der Freiheit
das Wort zu reden? Ich kenne die 3 Ehebruchs=Einakter
des Wieners Schnitzler nur den Inhaltsangaben nach
Wenn aber ein Mann von Ruf jetzt in bitterblutiger Zeit
unserer schwersten Kämpfe solche Bühlereien auf die Bühne
stellt, so ist das ein Anzeichen tiefster seelischer
Instinkt-Verirrung..... Wenn sich das deutsche
Volk in seinen gesunden, rein und edel empfindenden
Teilen nicht mit ganzer Wucht dieser Brünstler erwehrt,
wird unser Reich zwar nicht zerschellen, dank unsrer
Tapfern und ihres grunddeutschen Generalstabes, aber ver¬
faulen, weil die Bazillen zu mächtig werden.