VII, Verschiedenes 11, 1915–1917, Seite 47

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Abschrift der Stellen aus der Schrift des Herrn Dr. Dinter, auf Grund deren
der Vorstand, der geschäftsführende Ausschuss und der Aufsichtsrat den
Ausschluss des Herrn Dr. Dinter einstimmig beschlossen haben.
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ternheim, Wedelind, Blumenthal, Kadelburg, Fulda, Rappaport,
15. Die Schnitz
von dem ein Seitenzweig unter dem fulminanten Namen Gabriele d'Annunzio
herrlich in Italien blüht, und wie diese Chaosdichter, die keinen Tropfen deut¬
schen Blutes in ihren Adern haben, alle heissen, sie und unsere, ihrer Sippe
und ihrem Geiste verfallenen Blutsgenossen sie sind es, die im heutigen Welt¬
kriege, den wir um Sein oder Nichtsein deutscher Eigenart führen, unsere The
ater beherrschen!
Die Körperschaft nun, die vor allen andern berufen wäre, die hohe Auf¬
1.
gabe zu lösen, ein umfassendes Theatergesetz in die Wege zu leiten, der Ver¬
muss
and Deutscher Bühnenschriftsteller
hier auch versagen, da in ihm die massgebenden Stückefabrikanten die gros¬
se Mehrheit bilden und das grosse Wort führen. Sie sind natürlich eifrig dar¬
in dem sie behaglich herumplät-
bedacht, dass das trübe Tantiemenwasser.
schern, nicht filtriert wird. Trotzdem an der Spitze dieses Verbandes ein
deutschblütiger Mann steht, von echtem unverfälschtem mecklenburgischen
Schrot und Korn, der einen Ehrenplatz unter den wenigen heute lebenden Bühnen¬
schriftstellern einnimmt, denen das seltene Prädikat Dichter gebührt. Unter
den ihn umwimmelnden köstlichen Böcklingestalten der seiner Führung anvertrau¬
ten Gefolgschaft kommt er sich im Spiele der Wellen selber komisch vor. Bei
einem guten Glase Rotspon macht er daraus auch kein Hehl, zuweilen sich nicht
wenn er offiziell den Dreizack schwingt. Aber- ja eben, aber Die massgeben¬
den Kollegen sind eben zu massgebend Und nicht umsonst hat man ihm einen
gut beschnittenen Mitvorsitzenden an die Seite gesetzt, der auch in sämtlichen
Goethe, Schiller, Kleist und Shakespearebünden und -Stiftungen und sonstigen
„Kulturgesellschaften eine massgebende Rolle spielt und mit den rutto
nenden Worten „Wir Deutsche!" nur so um sich wirft Gelegentlich des Frank¬
furter Schützenfestes hat dieser einmal ein wundervolles Gedicht veröffent¬
licht, in dem er sich selber als „deutschen Schützen" einführt, der siegfreid¬
gleich unnachsichtlich und unerbittlich, mit tollkühner Unerschrockenheit al¬
les bekämpfe, was faul im deutschen Vaterlande sei! Das „Berliner Tageblatt"
hat dieses Kraftprodukt genügend gewürdigt und seinen Verfasser dadurch ge¬
ziemend geehrt, dass es seinem „Dichternamen das Prädikat „Der Schütze bei¬
fügte. In dem inredestehenden Kampfe allerdings ist auf die todbringenden
Pfeile dieses Frankfurter Schützen nicht zu rechnen. Man wird doch nicht auf
sich selber schiessen! Das wäre ja kulturwidrig „Wir Deutsche!"
S.36. Die private Regelung dieser Aufführungsvertragsfrage hatten sich bereits
im Jahre 1910 der Verband Deutscher Bühnenschriftsteller“ und der „Deutsche
Bühnenverein" zum Ziele gesetzt. Es wurde unter dem wohlberedten Vorsitze
des Königlichen Generalintendanten Professor Ernst Ritter v. Possart eine ge¬
meinsame Kommission gebildet, der anzuhören auch meine Wenigkeit das oft gar
nicht geringe Vergnügen hatte. Das platonische Interesse der hohen Behörden
an dieser Theatermaterie kam dadurch zum Ausdruck, dass der Chef der Berliner
Zensur behörde, Geheimer Oberregierungsrat von Glasenapp, an den mehr als zwei
Jahre sich hinziehenden Sitzungen ab und zu teilnahm. Die ideellen und mate¬
riellen Gegensätze der „massgebenden und nichtmassgebenden Teilnehmer
prallten aber so hart aufeinander, dass Oskar Blumenthal, der Obmann des Ver¬
bandes „deutscher Bühnenschriftsteller, seine blutigsten Witze loslassen
musste, um die Versammlung bei Laune zu erhalten. Schliesslich erblickte un¬
ter seiner sachkundigen Geburtshilfe der Wechselbalg eines kläglichen Kompro¬
missvertrages das Licht der Welt. Da aber die Generalversammlung des deut¬
schen Bühnenvereins dieser Missgeburt die legitime Anerkennung versagte, ble
ihrem väterlichen Urheber Oskar Blumenthal nichts anderes übrig, als das Pro¬
dukt seiner Liebesmühen nach einigen vergeblichen Versuchen, es umzumodeln, in
Spiritus zu setzen. Dergestalt harrt es noch heute in dem Archive des Bühnen¬
schriftstellerverbandes seiner Erweckung zu neuem Leben. Ob dieses Spiritus¬
begräbnisses waren aber die massgebenden Mitglieder des Verbandes deutscher
binnenschriftsteller gar nicht böse. Sie, die schliesslich nur unter der Wir¬
rung der andauernden Witze Oskar gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatten,
konnten sich für das moralische Plus, das ihnen die Annahme des Vertrages ein¬
gebracht hätte, nichts „Greifbares kaufen, und eine Bratwurst ziehen sie be¬
kanntlich dem ganzen homerischen Olymp. vor.