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Miscellaneous
ECHOS
Zum angeblichen Rücktritt des literarischen Bei¬
rates des Burgtheaters. Man schreibt uns: In Ihrem
heutigen Morgenblatt lese ich von den Gerüchten über den
Rücktritt des Schriftstellers Gustav Schwarzkopf vom
Posten des literarischen Beirates des Burgtheaters. Man
dürfte nicht fehlgehen, wenn man in ihm die Ursache für
das ganz unbegründete Fortdauern der Vorherrschaft des
sogenannten „Jung=Wien“ zu erblicken hat. Noch immer
dominieren Schner und Genossen, die doch längst schon
sich überlebt haben und gewiß nicht als Repräsentanten
des literarischen Wien angesehen werden können. Vor
Schwarzkopf versah den Dienst Herr Rosenbaum,
Nomina sunt omina. In diesem Falle trifft dies wirklich
scheinbar zu. Die echte bodenständige Literatur ist vom
Burgtheater ausgeschlossen geblieben. Der Ungar (*)
Monar und Schönherrs „Weibsteufel“ bleiben weiterhin
die Note. Monars „Fasching", der selbst in Budapest be¬
rechtigtes Kopfschütteln ob seiner Eindeutigkeit erregt
hat, soll am Burgtheater in eiserner Zeit aufgeführt wer¬
den. Scheinbar kommt nun doch ein Wechsel in diesen An¬
schauungen und ihr erster fühlbarer Ausdruck dürfte der
Rücktritt des Herrn Schwarzkopf und die Berufung eines
anderen Literaten sein.
H. P.
können und
Lugano hat keine Saison; der Kursaal ist bekommen, und alle Zeitungen der Welt dazu.
Sie politisieren mit Maß, denn der Mensch muß noch Roma¬
geschlossen; in den großen Hotels stehen ganze
Allzuwirkli=
Feuilleton.
das lassen, wenn die Weltgeschichte selbst an¬
Flügel leer; die bunten Läden, alle Schätze der
fängt, Politik zu treiben. Sie läßt sich nicht nach Roma¬
Welt in Regalen, unter Glas, auf gebogenen
Promenade in Lugano
dreinreden, das Schicksal will seinen natürlichen wie wir ei
Tischen, sind nicht geöffnet. Und dennoch ist
wieder sei¬
Lugano, Ende Januar.
Gang und sein logisches Ende haben.
diese zauberische Stadt voll. Deutsche bevölkern
Schoß
Dieser Winkel der Welt — die oberitalieni
Aber am Sonntag, da taucht plötzlich Jugend
sie, jene Deutschen, die Italien hatten verlassen
verstummt
schen Seen — ist wie ein Rest des versunkenen
auf. Die Angestellten der Banken, der Fabriken
müssen. Seit Jahren und Jahrzehnten dort an
Alles
Paradieses. Noch ist es nicht ganz verloren,
haben ihren freien Tag, und in jäher, kurzer
sässig, heimisch geworden, vermochten sie nicht,
und ma¬
solange diese sanft geränderten Berge, diese
die Atmosphäre des Südens zu entbehren. Sie Wiederkehr lebt die Saison auf. Die jungen
Arkad
Tessiner sind schön, schlank und feurig, haben
braunen Kastanienwälder, diese Palmenufer und
mußten wohl die Grenze überschreiten, aber im
Felsendörfer sich in einem Wasser spiegeln, in
Witz und Anstand. Sie flanieren am Kai in
nächsten Ort der ihnen freistand, fielen sie
Gassen
dem alle Farben dunkler, mystischer Sehnsucht
nieder, ein Zug südtrunkener Vögel. Es war, modischen Mänteln, die Zeitung in der Tasche.
Käse,
Und nachmittags ist das einzige Café überfüllt.
aufgelöst sind.
Lugano, schweizerisch, doch italienisch in Ge¬
alles
Es nennt sich „Riviera“, und das ist gut so, denn
präge, Sprache und Luft. Gelehrte, Kaufleute,
Aber der Winter ist hereingebrochen über diese
die
Zeitungskorrespondenten, Maler, Bildhauer, in diesen kalten Tagen macht schon dieser Name
verwunschene Landschaft. An meines Hauses
warm. Aber nur der Name! Drinnen, in den
Dichter, Rentner: diese alle bilden nun eine
klassischer Pfeilerwand hängen im Nachtfrost er¬
ital
hohen Sälen mit den Glaswänden, herrscht der
große deutsche Kolonie in Lugano. Alle
starrte rote und blasse Rosen; an den Zitronen
Frost. Man soll sich aneinander wärmen. Eine
Wohnungen sind vermietet, die Pensionen be
bäumen reifen die Früchte nicht weiter; auf den
liebenswürdige Enge von Tisch und Stuhl er¬
setzt, und tausend deutsche Herzen schlagen hier
Bambusstauden liegt Reif: ihr zartes Gefieder
möglicht das. Drei Mann machen dazu Konzert.
inbrünstig dem Frieden entgegen. Wird er
ist wie ein Federkleid unbeweglich, versteint.
Es ist fragwürdig. Aber das ganze Bild hat
ihnen die verlorene Wahlheimat alsbald zurück¬
Die Mimosen frieren in ihren Knospen; die
etwas von großer Welt: ein paar Sprachen, des
geben? Keiner glaubt wohl daran: Italien wird
Palmen braunen sich; die Eidechsen, die noch
Balk
Pelzmäntel mit schimmerndem Futter; Duft von
ihnen nicht mehr werden, was es war. Aber hier
gestern smaragdgrün über meine Schwelle
Ling
Kaffee, Kuchen, Schokolade, Blumen, Parfüms
trinken sie nun den geliebten Atem. Bitteres
blitzten, sind in den Steinritzen erstarrt. Ein
nicht
Frauenlachen; Anstoßen von Billardkugeln;
Glück: das Geliebte ist feind!
ungeheures Schweigen liegt über der Natur
Kälte
eine Autohupe; vor den Riesenfenstern das
seit der Schnee von den weichen Gipfeln herab¬
Auf der Promenade dem Kai, hört man nu¬
schred
Deutsch. Ein wenig Französisch klingt das Panorama des Sees: Monte Bré, Generosa
gedrungen ist bis an die Ufer des blauschwarzen
Was
San Salvatore. Es ist wie die Szene aus einem
zwischen, und ein kleiner Trupp Engländerinnen
Sees.
einen
Roman von Schnitzler. Hier könnte, im Rahmen
— hoch, steif, übertrieben höflich, mit ihren Raff¬
Eben noch war der Sommer hier. Die Herren
Die
von Gesellschaft und Luxus, die Tragikomödie
zähnen lächelnd, jenseits aller Mode, mit
ließen ihre Hüte im Hotel, und die Damen
zweier Seelen beginnen. Aber wie? Lugano
legt die
Skizzenheften und Büchern — marschiert lang
trugen Pelz und Boa über dem Arm. Juniglut
Deutsche
ist das nicht Schnitzler=Land? Zehn Schritte
beinig vorbei. Niemand macht große Toilette
erfüllte die Bergkessel, Junisonne brütete auf
weiter das dem Garten, in den
der Schnee
Für wen? Junge Herren, auf die es wirken
Wiesen und Weingärten, und die leeren
Georg Therese küßte und dabei die wehe Lust
der See ist
könnte, gibt es nicht. Nur weiße Männerköpfe
Sträucher und Hecken waren ein Widersinn.
der Lüge empfand; der See, auf den sie hinaus¬
punkte sie
Himmel und See wetteiferten im Blau, im drehen sich jugendlich nach einem schönen Gesicht
ruderten, die Menschen aus dem „Weg ins
Das Schw.
um. Alte Herren — ein ganzes Heer — lust
Winde lag der Duft von Sizilien und Afrika
Schweigen
Freie". Auf jenem Balkon saß Anna und
wandeln hier, langweilen sich, machen altmodisch
aber nun, plötzlich, ist der Norden in den Süder
Sterne? N
wartete...
Hof. Sie haben ihr deutsches Stammlokal, der
eingebrochen. Ein Winter, seit Jahren unbe¬
linen? Wa
Man findet sich zurück in die schnödere
Gambrinus, wo sie echtes Münchener und
kannt, ist da; Schneemassen, von Eingebornen
Wirklichkeit. Wann wird man wieder reisen Es ist Ita
Pilsener — billiger als in Deutschland
nie geahnt, sind gefallen.
Miscellaneous
ECHOS
Zum angeblichen Rücktritt des literarischen Bei¬
rates des Burgtheaters. Man schreibt uns: In Ihrem
heutigen Morgenblatt lese ich von den Gerüchten über den
Rücktritt des Schriftstellers Gustav Schwarzkopf vom
Posten des literarischen Beirates des Burgtheaters. Man
dürfte nicht fehlgehen, wenn man in ihm die Ursache für
das ganz unbegründete Fortdauern der Vorherrschaft des
sogenannten „Jung=Wien“ zu erblicken hat. Noch immer
dominieren Schner und Genossen, die doch längst schon
sich überlebt haben und gewiß nicht als Repräsentanten
des literarischen Wien angesehen werden können. Vor
Schwarzkopf versah den Dienst Herr Rosenbaum,
Nomina sunt omina. In diesem Falle trifft dies wirklich
scheinbar zu. Die echte bodenständige Literatur ist vom
Burgtheater ausgeschlossen geblieben. Der Ungar (*)
Monar und Schönherrs „Weibsteufel“ bleiben weiterhin
die Note. Monars „Fasching", der selbst in Budapest be¬
rechtigtes Kopfschütteln ob seiner Eindeutigkeit erregt
hat, soll am Burgtheater in eiserner Zeit aufgeführt wer¬
den. Scheinbar kommt nun doch ein Wechsel in diesen An¬
schauungen und ihr erster fühlbarer Ausdruck dürfte der
Rücktritt des Herrn Schwarzkopf und die Berufung eines
anderen Literaten sein.
H. P.
können und
Lugano hat keine Saison; der Kursaal ist bekommen, und alle Zeitungen der Welt dazu.
Sie politisieren mit Maß, denn der Mensch muß noch Roma¬
geschlossen; in den großen Hotels stehen ganze
Allzuwirkli=
Feuilleton.
das lassen, wenn die Weltgeschichte selbst an¬
Flügel leer; die bunten Läden, alle Schätze der
fängt, Politik zu treiben. Sie läßt sich nicht nach Roma¬
Welt in Regalen, unter Glas, auf gebogenen
Promenade in Lugano
dreinreden, das Schicksal will seinen natürlichen wie wir ei
Tischen, sind nicht geöffnet. Und dennoch ist
wieder sei¬
Lugano, Ende Januar.
Gang und sein logisches Ende haben.
diese zauberische Stadt voll. Deutsche bevölkern
Schoß
Dieser Winkel der Welt — die oberitalieni
Aber am Sonntag, da taucht plötzlich Jugend
sie, jene Deutschen, die Italien hatten verlassen
verstummt
schen Seen — ist wie ein Rest des versunkenen
auf. Die Angestellten der Banken, der Fabriken
müssen. Seit Jahren und Jahrzehnten dort an
Alles
Paradieses. Noch ist es nicht ganz verloren,
haben ihren freien Tag, und in jäher, kurzer
sässig, heimisch geworden, vermochten sie nicht,
und ma¬
solange diese sanft geränderten Berge, diese
die Atmosphäre des Südens zu entbehren. Sie Wiederkehr lebt die Saison auf. Die jungen
Arkad
Tessiner sind schön, schlank und feurig, haben
braunen Kastanienwälder, diese Palmenufer und
mußten wohl die Grenze überschreiten, aber im
Felsendörfer sich in einem Wasser spiegeln, in
Witz und Anstand. Sie flanieren am Kai in
nächsten Ort der ihnen freistand, fielen sie
Gassen
dem alle Farben dunkler, mystischer Sehnsucht
nieder, ein Zug südtrunkener Vögel. Es war, modischen Mänteln, die Zeitung in der Tasche.
Käse,
Und nachmittags ist das einzige Café überfüllt.
aufgelöst sind.
Lugano, schweizerisch, doch italienisch in Ge¬
alles
Es nennt sich „Riviera“, und das ist gut so, denn
präge, Sprache und Luft. Gelehrte, Kaufleute,
Aber der Winter ist hereingebrochen über diese
die
Zeitungskorrespondenten, Maler, Bildhauer, in diesen kalten Tagen macht schon dieser Name
verwunschene Landschaft. An meines Hauses
warm. Aber nur der Name! Drinnen, in den
Dichter, Rentner: diese alle bilden nun eine
klassischer Pfeilerwand hängen im Nachtfrost er¬
ital
hohen Sälen mit den Glaswänden, herrscht der
große deutsche Kolonie in Lugano. Alle
starrte rote und blasse Rosen; an den Zitronen
Frost. Man soll sich aneinander wärmen. Eine
Wohnungen sind vermietet, die Pensionen be
bäumen reifen die Früchte nicht weiter; auf den
liebenswürdige Enge von Tisch und Stuhl er¬
setzt, und tausend deutsche Herzen schlagen hier
Bambusstauden liegt Reif: ihr zartes Gefieder
möglicht das. Drei Mann machen dazu Konzert.
inbrünstig dem Frieden entgegen. Wird er
ist wie ein Federkleid unbeweglich, versteint.
Es ist fragwürdig. Aber das ganze Bild hat
ihnen die verlorene Wahlheimat alsbald zurück¬
Die Mimosen frieren in ihren Knospen; die
etwas von großer Welt: ein paar Sprachen, des
geben? Keiner glaubt wohl daran: Italien wird
Palmen braunen sich; die Eidechsen, die noch
Balk
Pelzmäntel mit schimmerndem Futter; Duft von
ihnen nicht mehr werden, was es war. Aber hier
gestern smaragdgrün über meine Schwelle
Ling
Kaffee, Kuchen, Schokolade, Blumen, Parfüms
trinken sie nun den geliebten Atem. Bitteres
blitzten, sind in den Steinritzen erstarrt. Ein
nicht
Frauenlachen; Anstoßen von Billardkugeln;
Glück: das Geliebte ist feind!
ungeheures Schweigen liegt über der Natur
Kälte
eine Autohupe; vor den Riesenfenstern das
seit der Schnee von den weichen Gipfeln herab¬
Auf der Promenade dem Kai, hört man nu¬
schred
Deutsch. Ein wenig Französisch klingt das Panorama des Sees: Monte Bré, Generosa
gedrungen ist bis an die Ufer des blauschwarzen
Was
San Salvatore. Es ist wie die Szene aus einem
zwischen, und ein kleiner Trupp Engländerinnen
Sees.
einen
Roman von Schnitzler. Hier könnte, im Rahmen
— hoch, steif, übertrieben höflich, mit ihren Raff¬
Eben noch war der Sommer hier. Die Herren
Die
von Gesellschaft und Luxus, die Tragikomödie
zähnen lächelnd, jenseits aller Mode, mit
ließen ihre Hüte im Hotel, und die Damen
zweier Seelen beginnen. Aber wie? Lugano
legt die
Skizzenheften und Büchern — marschiert lang
trugen Pelz und Boa über dem Arm. Juniglut
Deutsche
ist das nicht Schnitzler=Land? Zehn Schritte
beinig vorbei. Niemand macht große Toilette
erfüllte die Bergkessel, Junisonne brütete auf
weiter das dem Garten, in den
der Schnee
Für wen? Junge Herren, auf die es wirken
Wiesen und Weingärten, und die leeren
Georg Therese küßte und dabei die wehe Lust
der See ist
könnte, gibt es nicht. Nur weiße Männerköpfe
Sträucher und Hecken waren ein Widersinn.
der Lüge empfand; der See, auf den sie hinaus¬
punkte sie
Himmel und See wetteiferten im Blau, im drehen sich jugendlich nach einem schönen Gesicht
ruderten, die Menschen aus dem „Weg ins
Das Schw.
um. Alte Herren — ein ganzes Heer — lust
Winde lag der Duft von Sizilien und Afrika
Schweigen
Freie". Auf jenem Balkon saß Anna und
wandeln hier, langweilen sich, machen altmodisch
aber nun, plötzlich, ist der Norden in den Süder
Sterne? N
wartete...
Hof. Sie haben ihr deutsches Stammlokal, der
eingebrochen. Ein Winter, seit Jahren unbe¬
linen? Wa
Man findet sich zurück in die schnödere
Gambrinus, wo sie echtes Münchener und
kannt, ist da; Schneemassen, von Eingebornen
Wirklichkeit. Wann wird man wieder reisen Es ist Ita
Pilsener — billiger als in Deutschland
nie geahnt, sind gefallen.