VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 16

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1. Miscellancens
Denn Froie Prasso, Wien
S L 1
Theater= und Kunstnachrichten.
[Die künstlerische Bilanz des Burg¬
theaters im abgelaufenen Spieljahr.] Die
„Wiener Abendpost“ veröffentlicht nachstehenden Rechenschafts¬
bericht über das abgelaufene Burgtheaterjahr: In der ab¬
gelaufenen Spielzeit wurden im Hofburgtheater in 298 Vor¬
stellungen 80 Stücke von 31 Autoren gespielt. Hievon entfielen
auf Grillparzer 9, auf Schiller 7, auf Goethe, Schnitzler und
Shakespeare je 6, auf Ibsen 5, auf Fulda und Hauptmann je
4, auf Hebbel, Schönherr, Schönthan und Sudermann je 3
auf Anzengruber und Lessing je 2 Stücke und auf L'Arronge,
Björnson, Calderon, Dombrowski, Otto Ernst, Freytag, Michael
Klapp, Lilienfein, Moyer=Förster, Molière, Molnar, Moser,
Hans Müller, Adolf Paul, Raimund, Rittner und Terramare
je 1 Stück. Die Zahl der Aufführungen betrug bei Fulda 33,
Rittner 26, Schönherr 25, Grillparzer und Schnitzler 23,
Shakespeare 22, Hans Müller und Schiller 19, Goethé 15,
Ibsen 14, Hauptmann und Raimund 10, Hebbel und Suder¬
mann 9, Molnar und Terramare 8, Anzengruber 7, Lessing
und Schönthan 6, Meyer=Förster 5, Dombrowski und Lilien¬
sein 4, Freytag und Molière 3, L'Arronge, Björnson, Calderon,
Ernst, Klapp, Moser, Paul 1. Außer den im zuletzt veröffent¬
lichten Arbeitsplane genannten Stücken von Bronner, Erler,
Halbe, Hartlieb, Kranewitter, Léon, Lux, Müller, Schönhere
und Strindberg hat Hofrat v. Millenkovich folgende
Werke zur Aufführung angenommen: „Die Reise in die
Mädchenzeit“ von Engel und Saßmann, „Warren
Hastings“ von Lion Feuchtwanger, „Warbeck“ von Viktor
Hahn, „Winterballade“ von Gerhart Hauptmann, „Der
glüserne Berg“ von Mirko Jelusic, „Wieland der Schmied“
von Friedrich Lienhard, „Meine Frau, die Hofschau¬
spielerin“ von Möller und Sachs, „Unterwegs" von
Thaddäus Rittner, „Lebendige Stunden" von Artur
Schnitzler und „Die Gitana“ von Sil=Varn.
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16.0Ul. 1918
Wiene: Miltags-Zeitung
Wer wird Burgtheaterdirektor?
An der Spitze des Regiekollegiums, dem zunächst die
Leitung des Burgtheaters anvertraut ist, wirh, wie die „Berliner
Börsen=Zeitung“ aus Wien erfabren haben will. nicht Albert
Heine, sondern Max Devrient, als das rangälteste Mitglied
des Kollegiums, stehen. Allerdings ist anzunehmen, daß Albert
Heine als die stärkste geistige Persönlichkeit dieses Kreises ihm
doch mehr oder weniger die entscheidenden Linien vorzeichnen wird.
Man macht sich übrigens auf eine ziemlich lange Dauer
dieses Provisoriums gefaßt; vermutlich dürfte es bis zum
1. Jänner 1919 währen. Der Schwierigkeiten, die sich der Wahl
eines neuen Direktors entgegenstellen, sind nämlich ziemlich viele.
Man will nun einer wirklichen Gesundung des Theaters die Wege
bereiten und glaubt darum auch zunächst nur an einen Oester¬
reicher denken zu dürfen; denn das Burgtheater soll in seinem
Wesen erneuert und aufgebaut werden. Auch möchte man zu der
alten Tradition des Hauses zurückkehren und nur einem
Literaten die Führung des Theaters übergeben. So kämen die
beiden Kandidaturen nicht in Betracht, die in der Oeffentlichkeit in
den letzten Wochen am häufigsten genannt wurden: Geheimrat
Zeiß und Albert Heine. An beide Persönlichkeiten knüpften
sich mit Recht in der Diskussion der Presse wie des Publikums
ernste Erwartungen. Der Kreis verengt sich bebenklich; es bleiben
nicht mehr viel Namen, die in Betracht kommen können. Hugo
v. Hofmannsthal wurde hier bereits in diesem Zusammen¬
hang genannt. Hermann Bahr hätte gewiß heute es nicht mehr
schwer, den Direktionsstuhl des Burgtheaters zu erobern; seine
großen persönlichen Gaben fänden nunmehr die wirkungsvolle
Unterstützung katholischer Kreise, die ja zweifellos an den
für die Ernennung des Burgtheaterbirektors maßgebenden Stellen
sehr einflußreich sind. Aber es ist sehr die Frage, ob Bahr heute
noch für so weltliche Dinge, wie es die Leitung eines Theaters ist,
genügend Neigung und Eifer besitzt. Einst war ihm das Burg¬
theater gewiß ein Ziel, aufs innigste zu wünschen; heute wird es
wohl seinen Interessen sehr ferngerückt sein. Thaddäus Rittner.
der schon bei Thimigs Abgang sehr genannt wurde und seither
durch einen großen Burgtheatererfolg sein künstlerisches Ansehen
noch mehr gefestigt hat, dürfte gleichwohl seiner polnischen
Nationalität wegen wenig Geneigtheit bei den entscheidenden
Dienststellen finden. Schönherr und Schnitzler steben dem
Getriebe des Theaters ganz fern.