VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 43

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Nr. 9405
11. Januar 1920
Ein Abend bei Artur Schnitzler.
che
Von
Dr. Kurt Sonnenfeld.
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Wie freute ich mich darauf, Artur Schnitzler wiederzusehen!“
Aber heutzutage ist es nicht ganz einfach, ins Währinger Cottage
eit
zu gelangen. Die Elektrische blieb in dem wienerischen Brei von
ter
Schnee und Kot stecken, und da der Motor weder auf die Lieh¬
en
kosungen noch auf die Flüche des Wagenführers mit einem Lebens¬
für
zeichen antwortete, kam ich mit beträchtlicher Verspätung in der
ten
Sternwartestraße an. Zum Glück verbreitete der Schnee einen un¬
der
gewissen Schein, denn sonst hätte ich in der Finsternis kaum die
de.
liebe, altvertraute Villa gefunden, in der Frau Hedwig Bleib¬
treu bis zum Tode ihres Gatten Römpler gewohnt hat
nd
und die jetzt. Artur Schnitzler gehört.
ing
Bei der Gartentür treffe ich Heini, den Sohn des Dichters,
De einen bildhübschen, sympathischen jungen Menschen, dessen offenes,
ine
frisches Wesen auf manche sanfte Christine und manche kecke
Schlagermizzi seine Wirkung nicht verfehlen wird ...
Axtur Schnitzler empfängt mich mit seiner bezaubernden
Herzlichkeit, die den Besucher völlig vergessen läßt, daß er mit
nte einem berühmten Dichter spricht. Er ist völlig frei von jener gewissen
ille Pose der Selbstbespiegelung, die den Verkehr mit berühmten
en, Menschen manchmal so unerquicklich macht. Er spricht schnell und
lne lebhaft, blendend geistreich, aber niemals nur geistreich ...
ll, Müßige Brillantfeuerwerke des Geistes liebt er nicht. Starken
er= Worten und kräftigen Urteilen geht er keineswegs vorsichtig aus
nis dem Wege, und wer ihn um der gedämpften Lichter seiner
ten Jugendwerke willen für einen zimperlichen Aestheten halten wollte,
zu=würde sich sehr irren. Denn wenn auch die Tür seines
ien Arbeitszimmers mit schalldämpfenden Lederkissen gepolstert ist,
emso lauscht Schnitzler dennoch mit scharfem Ohr auf die Stimmen
der Wirklichkeit..
hi,
Daß der Dichter niemals aufgehört hat, Arzt zu sein,
#,erkennt man an seinem Blick, diesem unauffällig beobachtenden
er= Blick des erfahrenen Diagnostikers. „Ich habe noch heute eine
ort Art von Heimatsgefühl für die Medizin“, sagt er, „und darum
lich
gehe ich auch gern durch die Höfe des Allgemeinen Krankenhauses.
ing Der Geruch der Kliniken und Seziersäle ist für mich ein Jugend¬
geruch wie für andere der Düft von Veilchen und Flieder ..
jört Ich bin ja bis zu meinem vierzigsten Jahre, also auch noch als
sembekannter Schriftsteller, praktischer Arzt geblieben, und erst als
ich das volle Verfügungsrecht über meine Zeit brauchte, um
vier
itet Reisen unternehmen und ungestört arbeiten zu könner, ver¬
in abschiedete ich mich in einem Rundschreiben von meinen
Patienten.“
en,
Nun, daß der Dichter Artur Schnitzler den Arzt niemals
verleugnet hat, beweisen seine Werke, die, stattlich gebunden, im
Bücherkasten stehen. Aber die Theaterdirektoren, die mit ihm
gen
Verträge abschließen, rühmen ihm — manchmal seufzend — auch
en,
hervorragende juristische Fähigkeiten nach. Ueber die Frage,
#rt,
ser ob er nicht für einen Dichter sast zuviel Verstand, eine allzu

darüber macht er sich keine
der analytische Veranlagung habe
Sorgen: „Man kann nie genug Verstand haben ...
sen
Er liebt es nicht, sich über Tagesereignisse zu „äußern“
wie man so schön zu sagen pflegt. Er hat es ja auch gar nicht
notwendig, da ihm seine Kunst schon oft zur Tribüne geworden
eiz
ist und er in seinen Dramen und Romanen aus seinen Ueber¬
ter¬
zeugungen kein Hehl macht. Im Kriege hat er nur einmal
des
öffentlich das Wort ergriffen, um gegen eine Verleumdung
schärfsten Einspruch zu erheben. Das war damals, als irgendein
er= Schwindler eine Unterredung mit ihm erfand und ihm Worte
ene des Hasses gegen große russische und englische Dichter zuschrieb,
ber die ihm lieb und teuer sind. Romain Rolland hat Schnitzlers
ts=] Protest, der dann die Runde durch die neutrale Presse machte
und auch in der Wiener „Arbeiter=Zeitung“ veröffentlicht wurde,
ch,
ern ins Französische übersetzt.
Wir sprechen über meinen verehrten Freund Pierre Ramus
auf
ses und über die immer heller strahlende Idee der Gewaltlosigkeit.
ist Ich sage Schnitzler, daß ihn die anarchistischen Anhänger Tolstois
nd für sich reklamieren, weil er sich anläßlich des Prozesses gegen
ich den Kommunisten Ernst Toller gegen jeden Gewaltakt,
zen gegen jede terroristische Diktatur — einerlei, ob von
dersoben oder unten — aussprach. Schnitzler, der die
anarchistische Lehre der Gewaltlosigkeit genau kennt, gesteht seine
Als sie auf der langen Eisenbahnfahrt von Neapel nach
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Miesen ein#og