VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 49

1 Miscellancons
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renerreihm
war, das ist in besseren Wiener Schauspielen
die strenge Regel, ein berühmter Forscher,
Professor der Medizin. Er hat „ein Lebens¬
werk“ hinterlassen — das soll Frau Gittas
gutem Göttergatten zugeschanzt werden,
der, siehe da, auch ein Forscher ist, nur nicht #
so edel wie Frau Gittas Freund mit dem
Herzschlag, sondern „ein Materialist“. Frau
Gittas Gatte soll zum Ersatz für mancherlei
das Lebenswerk des Kollegen geschenkt
kriegen, der listig den Namen des Beschenk¬
ten (und Beraubten) auf das Titelblatt
tippen ließ.
Eine Zeitlang geht alles gut. Frau
Gitta läßt sich nichts anmerken, konversiert
mit der Frau des Toten (die teils traurig,
teils gegen eine entflohene Unbekannte eifer¬
süchtig ist), sagt zu ihr „Unser Herzeleid —“
und so, ist dem Kind des Geliebten eine
wahre Mutter, kurz, benimmt sich ebel,
bleich, schmerzdurchwühlt — bis der Gatte,
abgleich nur ein Materialist, dem edlen
Schwendel mit dem Lebenswerk auf den
Grund sieht, sodann im klassischen Stil in
ein gellendes Lachen auszubrechen und
„Der Schuft! Der Schuft!“ zu schreien be¬
ginnt -
Dialogstelle: „Wie lange hat dieses
schmutzige Verhältnis gedauert?“
„Unsere Liebe währte —
Ein dritter Akt ist auch vorhanden.
Frau Gitta gesteht der herb-keusch=sü߬
stolzen Tochter des toten Freundes alles,
weil das Mädel gar so gern die Frau kennen
möchte, mit der der Papa glücklich war.
Frau Gitta plaudert der Witwe die Sorgen
der Eifersucht von der Stirn. Sie ist ferner
bereit, „ihre Schuld zu fühnen“ und neben
dem materialistischen Gatten stunnn einher¬
huleben. Kein Orgelakkord; es ist ein
Melodrama ohne Molodie. Vorhong.
E= ist so, als ob Artur Schnitzler (der
die Hypothese verzeihen möge) in einem
Absteig.wartier mit der
hocheleganten
seligen Marlitt einen unehelichen Balg ge¬
zeugt hätte.
Die erschreckende Verarmung des Burg¬
theaters zwingt unsere Burgschauspieler,
nicht nur in verdächtigen Vorstadtkabaretts,
sondern auch in solchen Stücken aufzutreien.
Sie meistern den Kabarettkilsch und den
Ehebruchkitsch mit gutgelaunter Resignation.
Aber die unwürdige Atmosphäre, in der
sie agieren müssen, verzerrt die Umrisse.
Die Gestalten bekommen einen Zug in die
Karikatur, in jene Karikatur, die das
Spießbürgertum und das Jourbürgertum zu
geißeln bestrebt ist.
Frau Marberg allerdings vermage
zur Not, auszusehen und zu winken, wie die
Frau mit den Karfunkelsteinen. Wenn sie
oder:
sagt: „unsere Liebe währte —
„Herzele.d“ glaubt man das ihrer blonden
Glätte. Da eignet sich schon Frl. Mayen
viel schlechter zur Goldelse und zum Heide¬
prinzeßchen. Das Töchterchen,
spielt, in seiner grüblerischen Lieblichkeit
und seinem Trotz, der wie ein Pralinee
mit Süßem gefüllt ist, des ist, ohne die ge¬
ringste Schuld der Künstlerin, eine satale
Angtlegenheit. Frl. Mayer als betrogene
Wito: hat statt einer Rolle eine reinliche
Veriegenheit darzustellen; ditto der junge
Reimers als Töchterleins Werber;
landet mitten in der Karikatur. Tre߬
lers seiner Takt und männliche Art wird
A E•