VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 52

Miscellancons
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Franz Schreker und sein „Schatz
gräber“.
Anläßlich der Uraufführung des „Schat
gräber“ im Opernhaus in Frankfurt a. M
welche mit Begeisterung ausgenommen wurd
widmen sämtliche deutschen Blätter dem Dichte
und Musiker Schreler eingehende Würd
gungen. Wir entnehmen dem Verich
5 Julius Kapps in der „Vossischen Zeitung
die folgenden Zeilen:
Wagners sittlich = christlicher Welt
anschauung mit den Begriffen von Sünd
durch sinnliche Liebe und ihrer Sühne i
Ueberwindung, der bei ihm und seiner
Nachfolgern allherrschenden Erlösungs
theorie war Schreker von je abhold. In
„Schatzgräber“ aber wirft er mit klaren
Worten dieser Richtung den Fehdehandschul
hin und stellt ihr stolz sein Evangelium de¬
Lebensbejahung gegenüber. Das Glüc
nicht, das einst nur das Höchste schien: das
Glück des Erlösers, des selbstlosen Toren
Ich kenne nur Eines, ein höchstes Gebot¬
„Mir selbst das Leben! Mir selbst die
Freude!“ Seine Menschen kennen nich
Sünde und Erlösung, sie folgen in unver
fälschtem Naturgesetz ihrem Trieb den
Urelement alles Lebens, bis zur Vereini'
gung mit einem schicksalbestimmten zuge¬
hörigen Wesen. Durch ein Abirren vor
diesem Weg, in eitiem Wahn befangen, ent
stohen die schmerzlichen Konflikte.
Schreker gestaltet daher nicht gute un
schlechte Helden, sondern Tatmenschen („die
Tat allein, sie macht stolz und frei“) und
willensschwache. Hierin, wie in seiner Vor
liebe für symbotsches Rätselspiel, Ver
quickung von Traum und Wirklichkeit
Märchen und Leben, ist er ein echtes Kini
der Jungwiener=Schule (Artur Schuitz
Nur, daß seine Dichtungen deren muden
Degenerationserscheinungen glücklich
entwinden und in ihrer überschäumenden'
gesunden Sinnlichkeit zur höchsten Sinnen
lust sich emporschwingen. Der Kernpunk:
seiner Werke ist das Weib als Geltungs¬
begriff, und die Konflikte entwickeln sich je
nach Triebkraft oder Willensschwäche der
Männer in dem sich entspinnenden urewigen
Kampf der Geschlechter. Dieses Urthema —
Schreker selbst nennt es „das Schöpfungs¬
wunder in ewiger Erneuerung“
seinen vier bisherigen Musikdramen g
meinsam, in eine mehr ader minder 'ymbo¬
lische Handlung eingesponnen. Am stärksten!
kommt seiner Eigenart natürlich ein
Märchenstoff entgegen, wobei nur die eine
Gefahr droht, sich allzu sehr ins Mystische zu
verberen, dem Schrekers „Spielwerk der
Prinzessin“ verfallen ist.
Der „Schatzgräber“, dessen Held gleich
Tannhäuser im Wartburgsaal der Welt
zuruft: Was wißt ihr Armen von Schönheit
und Freude!“, scheint Schrekers Evangelium
am überzeugendsten zu künden und seine
Geschwister um Haupteslänge zu überragen.
Auch der Komponist steht hier in der Vollkraft
seines Schaffens. Der immer bewundertt.
Meisterichaft in zauberischen Klangwirkunger
und berückender Stimmungsmalerei eint sick
hier ein Reichtum an melodischer Erfindung
und lyrischer Gestaltung, daß auch der
Widerstrebende bald dem Zauber diese
Musik unterliegt. Freuen wir uns, daß unser
zerrissene, kungfeindliche Zeit ein solche
Kusek#zubringen vermochte, das si
viel echte Musik enthält, wie kein Werk de
nachwagnerischen Opernliteratur.