VII, Verschiedenes 11, 1920–1926, Seite 11

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Miscellaneous
ten
und

.
Nr. 10.023
Sonntag
Frank Wedekind — ein diabolischer Platzagent, der der
Kultur ein Offert unterbreitete, wie sie sich am besten aufhängen
könnte.
Seine Haltung war: Subordination der Tollwut, Satanismus,
habtachtgestellt vor dem guten Ton. Ja — er hatte ein Faible
für bürgerliche Tracht und Sitte. Aber aus purem Schuld¬
bewußtsein. Er fürchtete sonst als Täter alles dessen erkannt zu
werden, was er seine Helden für sich begehen ließ. Und war doch
der Täter.
Karl Kraus: ein leuchtender Saphir an Nietzsches Krone.
(Moritz Gottlieb Saphir, geboren 1795 zu Budapest, gestorben
1858 zu Wien, Subjekt des berühmten Satzes: „... hat ge¬
pflegt zu sagen.")
Der Fanatiker, der Stiefsohn Gottes, der wider die väter¬
liche Hand schlägt, weil sie ihn nicht streichelt — und damit sie
ihn streichle.
Wie glänzend paßt dazu, daß der Marquis von Casti
Piani zwei Sekunden vor seinem Tode sich im Stuhl aufrichtet:
„Man muß den hohen Herrn doch stehend empfangen. Dem
hohen Herrn war ja alles zugedacht!
Georg Kaiser: oder Sudermann als Tiefstapler.
Kennt man noch das Drama des Goethe=Freundes Klinger:
„Der Hauslehrer"? Darin kastriert sich der Held, der einen Ein¬
bruch in die bürgerliche Moral versucht hat, am Schluß selber.
Es ist der genialste und symbolischste Akt. Der Hauslehrer, der
sich kastriert, und Karl Herman, der sich erhängt, sie sind identische
Gegenpole. Zwischen beiden ist die Tiefebene der deutschen Moral.
Artur Schnitzler oder: post coitum omne animal est
typisch wienerisch-graziös.
Dr. Karl Schönherr — ordiniert täglich von 2 bis 3.
unberechnet

Neuenberg
Hamburg
APR.
ein Telegrammwechsel. Eine lustige Geschichte von
Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal
wird in „Ueber Land und Meer erzählt. Hofmannsthal be¬
sucht seinen Freund Schnitter in Ischl, und dieser bittet ihn,
da er ja sowieso nach Salzburg komme, ihm Karten für die
Salzburger Festspiele zu besorgen und diese in einem Hotel
zu hinterlegen. Es vergeht einige Zeit, während der Schnitzer
nicht mehr an die Sache denkt. Da bekommt er eines Tages
ein Telegramm: „Sitz besorgt, Hotel Gurope. Hofmanns¬
hat.“ Schnitzler grübelt und grübelt darüber nach, was wohl
dieses Telegramm bedeuten könne, und drahtet schließlich
zurück: „Warum sitzet du besorgt im Hotel Europe
Erben
„unberechnet
Täglich
Rundschau
Berlin
MAI
Allerlei
Ein Telegrammwechsel.
Eine lustige Geschichte von Arthur Schnitzler und
Hugo v. Hofmannsthal wird in „Reder Land und Meer
erzählt. Hofmannsthal besucht seinen Freund Schnitzler in Ischl,
und dieser bittet ihn, da er ja sowieso nach Salzburg komme, ihm
Karten für die Salzburger Festspiele zu besorgen und diese in
einem Hotel zu hinterlegen. Es vergeht einige Zeit, während
der Schnitzler nicht mehr an die Sache denkt. Da bekommt er
eines Tages ein Telegramm: „Sitze besorgt Hotel Europe. Hof¬
mannsthal. Schnitzler grübelt und grübelt darüber nach, was
wohl dieses Telegramm bedeuten könne und drahtet schließlich
zück: „Warum sitzest Du besorgt in Hotel Europe? Schnitzler.