VII, Verschiedenes 11, 1920–1926, Seite 52

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Miscellaneous
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon Norden 3051
BERLINNA
Ausschnitt aus:
Der Tag, Berlin
Nov. 1926
* Die vierundzwanzig „Unsterblichen".
Aus dem Sekretariat der Akademie wird die Vor¬
schlagsliste für weitere Ernennungen, die auf der
ersten Tagung der Sektion für Dichtkunst an der
Preußischen Akademie aufgestellt worden ist, ver¬
öffentlicht. Danach handelt es sich noch um fol¬
gende Dichter: Heinrich Mann, Hugo v. Hofmanns¬
thal, Arthur Schmidler-Bernhard Kellermann,
Wilhelm Schmidtvonn, Jakob Wassermann, Ri¬
tarda Huch, Hermann Hesse, Hermann Bahr, Na¬
der Maria Ville, Wilhelm Schäfer, Franz Verset.
Emil Strauß, Hermann Sudermann, Wilhelm
v. Scholz, Max Halbe. Außerdem voraussichtlich
ne und Anna Haus.
Ausschnitt aus:
Bote aus dem Riesengebirge, Hirschberg

Die Dichter=Akademiker.
Eine Berliner Zeitung hat die bisher geheimgehaltene voll¬
ständige Liste der deutschen Dichter veröffentlicht, die vom Mini¬
sterium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung aufgefordert
würden, der soeben begründeten Sektion für Dichtkunst
Es sind hier
der Preußischen Akademie der Künste beizutreten.
die bekanntesten Vertreter des deutschen Schrifttums versammelt;
einige von ihnen, Hermann Sudermann und Max
Halbe, wurzeln mit ihren schriftstellerischen Leistungen fast völlig
in der vergangenen Generation des Naturalismus, andere, wie
Rainer Maria Rilko und Hugo von Hofmanns¬
thal, gehören dem jüngeren Geschlecht der „Neuromantiker“ an.
Hofmannsthal mit seinen früheren Werken, seinen Gedichten, den
Bühnenspielen „Der Tor und der Tod“, „Der Tod des Tizian"
und seinem „Theater in Versen“ einer der prägnantesten Ver¬
treter dieser Richtung, hat sich in den letzten Jahren mehr der
literarisch=kunstgewerblichen Kleinarbeit zugewandt, dazu zählt
seine psychologisch sehr seine und zarte Komödie „Der Schwierige
seine Anthologie „Deutsche Erzähler" und sein im Verlag der
Bremer Presse erschienenes „Deutsches Lesebuch", das eine mit
umfassender Kenntnis und höchst kulturvollem Geschmack zusam¬
mengestellte Auswahl klassischer deutscher Prosa enthält.
Rilke ist über seine „Weise vom Leben und Tod des Cornets
Rille", die ein deutsches Volksbuch geworden ist, über seine Ge¬
dichtbande und über seinen Roman „Aufzeichnungen des Malte
Laurids=Briage“ hinaus bis in die letzten Jahre hinein schöpferisch
tätig gewesen; eines seiner neuesten Werke sind die „Duineser
Zu diesem Kreise der Wiener ist, wenn auch nur in
Elegien
zählen, der
lokalen Zusammenhange, Arthy
als Dramatiker und Epiker gleich erfolgreiche Wiener Dichter;
sein letztes Buch, die „Traumnovelle“, wendet in höchst reizvoller
Art die Ergebnisse der Psychoanalyse an, um Vorgänge aus dem
Gebiet des Unbewußten zu deuten und ins Tageslicht zu rücken:
ein Werk voll innerer Spannung, dessen Erscheinungen und Ge¬
schehnisse in ein magisches Dämmerdunkel gestellt sind.
Name und Werk Bernhard Kellermanns sind bekannt
genug; wir erinnern uns seiner zarten Liebesgeschichte „Yester
und Lie aus seinen Anfängen, seiner epischen Dichtung Das
Meer, seines äußerst erfolgreichen Romans „Der Tunnel", der
über hundert Auflagen erlebt hat, seines Revolutionsdrama¬
„Der 9. November und seiner Gegenwartsdichtung „Die Brüder
Zu den großen Romandichtern gehört auch
Schellenberg“.
akob Wassermann mit seinen älteren Romanen „Die
Masken Erwin Reimers" und „Kaspar Hauser und den jüngeren
„Christian Wahnschaffe, dem Buch „Laudin und die Seinen",
das das Problem der modernen Ehe dichterisch behandelt, und
seinem „Aufruhr um den Junker Ernst", der in diesen Tagen er¬
schienen ist. In diese Reihe darf man auch den seinen und stillen
Hermann Hesse stellen, und ganz besonders darf man sich
freuen, den etwas abseits stehenden und durch die Gunst des
großen Publikums nicht eben sehr verwöhnten Emil Strauß
als künftigen Akademiker zu begrüßen; aber von seinen Dichtun=
gen werden doch sein historischer Roman „Der nackte Mann", seine
„Kreuzungen" und sein Schülerroman „Freund Hein" als Werke
gewertet, die den Tag überdauern; das ist ihm zu seinem sechzig¬
sten Geburtstage im Januar dieses Jahres von vielen Seiten
warm und dankbar bestätigt worden.
Die Liste der Akademiker enthält ferner Wilhelm Schmidt¬
bonn, dessen schriftstellerische Wirksamkeit kürzlich bei einer fest¬
lichen Gelegenheit überall gewürdigt wurde, den Rheinländer
Wilhelm Schäfer, den Verfasser der „Dreizehn Bücher der
deutschen Seele", den Anekdoten und Novellen Erzähler, der
kleinere Kompositionen mit einer an Kleist erinnernden Wucht und
Prägnanz aufbaut, ferner Wilhelm von Scholz, aus dessen
umfangreichem Gesamtwerk die wirkungsvollen Dramen „Der
Jude von Konstanz und der „Wettlauf mit dem Schatten zu
nennen sind, Heinrich Mann, der die Wandlung vom sum¬
bolischen Dichter („Die Göttinnen") zum satirischen Gegenwarts¬
schilderer („Professor Unrat") und sozialistischen Schriftsteller („Der
Untertan", „Die Armen", „Der Kopf") durchgemacht hat, Ri¬
carda Huch endlich, die sich nicht nur durch ihre Dichtungen,
„Ueber die
sondern auch durch ihre wissenschaftlichen Werke
Der große
Blüte, Ausbreitung und Verfall der Romantik"
Krieg in Deutschland) in die erste Reihe der deutschen Dichter
gestellt hat
Franz Wersel gilt kraft seiner ersten Gedichtbände
„Der Weltfreund", „Wir sind — als einer der Führer des Er¬
pressionismus. Sein Drama „Schweiger“ ist mit Erfolg über
die Bühne gegangen, sein Schauspiel „Juarez und Maximilian
wurde mit dem Grillparzer=Preis ausgezeichnet, sein „Paulus
unter den Juden“ hat in diesen Tagen an mehreren Bühnen zu¬
gleich seine Uraufführung erlebt.
Zu diesen Akademikern soll noch Georg Kaiser treten,
der „Denkspieler", wie ihn der Fankfurter Kritiker B. Diebold
treffend charakterisiert, der Dramatiker, der für die Bühne die
Form des expressiven Dialogs geprägt und damit vorbildlich
dessen
wurde, endlich Leonhard Fran¬
Mensch ist ant" eine
dem Roman „Die Räuberbande aus seiner Heimatstadt Würz¬
ten Wagen
burg und seinen packenden Erzählungen
und „Die Schicksalsbrücke eine nicht gewöhnliche Kraft der epischen