VII, Verschiedenes 11, 1920–1926, Seite 60

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Miscellaneous
Nr. 43/25. November 1920
M. Der Montag Morgen
Mein Streit mit Herrn Fehler
Von Herbert Eulenberg
Im Frühling dieses Jahres bestellte das preu¬
mich als Dichter zu finden. Von seiner Sym¬
rend der ganzen Generalprobe nachsinnen.
ßische Ministerium des Innern bei mir ein Poli¬
wäre mir fast lieb gewesen, wenn er mich aus
pathie für meine übrigen Stücke zu reden, und
geistück, das, wie man mir erklärt, aus Anlaß der
mir sein Bedauern über diesen nach seiner Mei¬
diesem seinem Hause hinausgewiesen hätte.
großen Berliner Polizeiausstellung im Herbst zur
hätte so zeitgemäß gewirkt und so folgerecht
nung mißglückten Wurf auszudrücken „Und so
Aufführung kommen soll. Und zwar unter der
Gegenwart gepaßt, wenn der Dichter aus den
weiter!“, wie Gerhart Hauptmann gewichtig sagen
Voraussetzung, daß ich die Entwürfe Schillers, die
Bühnenhaus vertrieben und verbannt worden
würde. O heiliger Brahm, du warst zwar kein
wäre. Jedenfalls hätte es mir auch mehr Achtung
er zu einem gewaltigen dramatischen Seelenge¬
Gemütsriese, aber mit welcher Zartheit würdest du
die Situation erhellt und beseelt haben! Herr
vor Herrn Jeßner eingeflößt, wenn er so rein sach¬
mälde, betitelt „Die Polizey“, verfaßt hat, zur
Jeßner gibt kein Wort von sich, sondern weidet
lich und kalt gegen mich vorgegangen wäre, als
Grundlage meines Stückes mache. Wohlverstan¬
daß er sich hinterher wieder heimlich hinter die
sich nur kalt lächelnd an meiner Zwangslage. Da
den, dies war mein Auftrag, und ich sah mich
Presse machte, soweit er ihrer habhaft werden
reißt mir die Geduld angesichts dieser seiner glei¬
an diesen geschichtlichen Stoff gebunden. Könnte
genden Miene. „Sie haben sich erbärmlich be¬
konnte, um sie erneut gegen mich und mein Stück
also nicht völlig frei ins Moderne mich ergehen.
nach Kräften einzunehmen. „Exoriare aliquis
nommen!" brüll ich ihn auf der Bühne an.
Aber da ich gerne nach Aufträgen arbeite, so
„Wer hat sich erbärmlich benommen?" fragt er
habe ich ihm noch auf der Bühne zugedonnert.
war mir der vorgeschriebene Weg nicht unange¬
noch, weil er gar nicht ahnt, daß sich so etwas wie
Hoffentlich hat er's nicht für hebräisch gehalten.
nehm, noch hinderlich. Ich vollende also unter
Aber statt müßig auf meinen Rächer zu warten,
ein Dichter einmal gegen einen allgewaltigen In¬
Benutzung der Schillerschen Skizzen mein Stück in
will ich lieber schon selber heute meinen Aerger
tendanten erhoben kann. „Sie!“ wiederhole ich
verhältnismäßig kurzer Zeit, was mich viel
über diese Entwürdigung in Tinte und Drucker¬
laut, und zeige mit meinem Hut in die Rich¬
Schweiß und noch mehr Nervenschmalz gekostet
schwärze wegschwemmen. Handelt es sich ja doch
tung, wo er steht. Das Gesicht Nasos, seines
hat, und liefere mein Werk noch vor der dafür
bei diesem Fall nicht allein um mich, sondern auch
Dramaturgen, der neben ihm auf der Bühne seines
festgesetzten Frist ab. Der Tonschöpfer Reznicek,
um meine ganze Gilde, die sich heute fortgesetz
Spiellteramtes waltet, wird bleich. Nasos Nase
ein streng wählerischer und krittliger Herr, mach
lakaienhaft behandelt und vor die Theatertüre ge¬
wird länger. Er sieht aus, wie ein vornehmes
aufs angenehmste von dem Stück berührt, eine
setzt sieht. Und handelt es sich doch hierbei auch
Rassepferd, das seinen Herrn betrauert. „Aber,
reizvolle und wirksame Bühnenmusik zu einem
darum, mit wie wenig Entgegenkommen man von
Herr Doktor!" beschwichtigt er mich: „Machen Sie
Zwischenspiel, das in das Ganze von mir hinein¬
seiten der Theaterintendanz bei uns auf den sel¬
doch hier auf der Bühne keine Scene! Vor dem
geflochten worden ist.
tenen Entschluß eines unserer Ministerien, einmal
Personal!“ „Ich denke, es gibt kein Personal
Das preußische Ministerium des Innern, das
etwas für die Kunst auszuwerfen, antwortet und
mehr in der Republik", erwidere ich. „Bitten Sie
dies alles veranlaßt hat, wendet sich nun an Herrn
sich rührt. Das preußische Ministerium des In¬
doch Herrn Intendanten um eine Unterredung
Jener als den Intendanten des Staatstheaters
nern wird jedenfalls nach diesen Erfahrungen mit
allein und unter vier Augen!“ redet mir Naso
mit der Litte um die Aufführung des Stückes.
Herrn Jeßner so bald nicht wieder Lust verspüren.
gut zu. „Nun wohl! Ich bitte um diese Unter¬
Jeßner konnte nun zweierlei tun. Zunächst wär¬
einem Künstler eine Festdichtung in Auftrag zu
redung. Sofort!
es sein gutes Recht gewesen, zu erklären: „Nein
geben. Und wer könnte es ihm nach solchem Hin¬
Daraufhin erklärt Jener dem Vermittler:
Die ganze Richtung Eulenbergs paßt mir nicht
tertreppenspiel auch weiter verdenken?
„Nein! Sagen Sie Herrn Doktor Eulenberg, er
und dies sein Werk besonders nicht. Ich kann
würde mir mit Recht gleichfalls eine Aussprache
Es bleibt ein Jammer, daß durch den rohen,
es nicht bringen.“ Dies hätte ihm, der ja nicht im
verweigern, wenn ich mich so in seinem Hause
bildungslosen Betrieb unserer heutigen Schau¬
Untertanenverhältnis zum Ministerium des In¬
benommen hätte, wie er soeben in meinem Hause.
bühnen schließlich noch die letzten Poeten von
nern steht, kein Mensch verarzt und verargen dür¬
Damit eilt er fort. Und ich kann ihm nur noch
diesen Stätten gedrängt werden, an denen bald
fen. Sogar ich nicht einmal. Oder aber, wenn
nachrufen: „Wenn Sie sich in meiner Lage be¬
nur noch Macher und Schieber gedeihen. Es kann
er das Stück annahm, so mußte er als Intendant
fänden, so dürften Sie sich gegen mich in meinem
leicht sein, daß die für das nächste Jahr geplante
auch alles dafür tun, daß es so gut und schön wie
Hause ebenso aufführen, wie ich hier. So viel
große und umfassende Theaterausstellung in Mag¬
möglich an seinem Theater herauskam.
Temperament wie mir gestehe ich Ihnen zu.
deburg zugleich Ruhmes- wie Grabeshalle der
Jenner tut nicht das eine noch das andere, son¬
Schaubühne, wie sie Schiller und die seines Stre¬
Aber er zieht sich scheu zurück. Und mir bleibt
dern beginnt heimlich einen Krieg gegen den
bens sahen und sehen, werden kann, und daß vor
nichts übrig, als ihm durch seinen Dramaturgen,
Dichter und sein Stück zu führen. Zunächst in¬
ihrem Eingangstor, unsichtbar für die Menge, aber
Dr. Naso, noch bestellen zu lassen, daß ich als
zeniert er es nicht selbst, noch läßt er es von
deutscher Dichter jedes Theater, wenigstens vom
sichtbar jedem Dichter, die Worte prangen: „Hier
seinen Spielleitern vorbereiten, sondern bestellt
ruht das deutsche Theater. Es starb an Roheit,
Vorhang an bis zur letzten Bühnenwand, auch als
seinen Dramaturgen, Doktor Eckart von Naso,
Sachlichkeit, Dichterhaß, Politisiererei und anderen
mein Haus betrachte. „In meinem
dazu, der das abendfüllende Werk auf die heute so
zeitgenössischen Gebrechen.
Hause!" Diesem Wort Jeßners mußte ich wäh¬
beliebte Anderthalbstundenlänge, also fast auf ein
Einakterformat, zusammenpreßt.
Dann besetzt Jeßner es nicht mit seinen ersten
Kräften, sondern mit zweiten und dritten. Jeden¬
Erwiderung an Herrn Dr. Herbert Eulenberg
falls nicht mit Premierenschauspieler. Herr
Von Leopold Jener
Doktor von Naso, der sich übrigens als besserer
Regisseur, denn als Dramaturg an dem Stück
befehligt war, hat seine Kräfte bis zum letzten in
offenbart, und die übrigen Herrschaften, die tapfer
den Dienst einer Sache gestellt, die sicherlich nicht
Herr Dr. Herbert Eulenberg hält mich —
und schön bei seiner Aufführung mitgeholfen haben,
dem eigenen Lorbeer — wohl aber einer festlichen
warum nur — für seinen Feind und für einen
kennen mich zu gut, um nicht zu wissen, daß ich
Veranstaltung von allgemeinem Interesse galt. Des
Intriganten dazu. Der Gedanke ist frei.
dies nicht anführe, um sie herunterzusetzen, son¬
Autors Wünsche, selbst wenn sie der (künstleri¬
kann daran — trotzdem ich weder des einen noch
dern um nur Jeßners Verhalten mir gegenüber
schen) Meinung der Leitung und Regie zuwider¬
des anderen mir bewußt bin — leider nichts an¬
zu enthüllen.
liefen, wurden im Sinne des besonderen Charak¬
dern. Aber sachlich muß ich einiges richtig¬
ters der Aufführung erfüllt. Und wenn der „hohe
Ich erscheine zu den letzten Dähnenproben
stellen.
Herr Jntendant dem Dialog einige schärfere
Wenn ich der kleinste, unbedeutendste Anfänger ge¬
Ich konnte — sagt Dr. Eulenberg — sein Fest¬
Schlaglichter aufgesetzt wünschte, so wollte er da¬
wesen wäre, so hätte der Jntendant jetzt ein Wort
spiel „Die beste Polizei ablehnen. Anderenfalls
mit gewiß nicht „Rembrandt" und „Kokoschka
finden müssen, mir sein sonderbares feindseliges
mußte ich es gut aufführen. Letzteres geschah.
vermengen — und seine „Stillosigkeiten hätten
Verhalten zu erklären. In Frankreich und Eng¬
Erstere Behauptung aber verschiebt die sachliche
sich lediglich auf der Linie bewegt, die der Autor
land wäre ein solches verschwiegenen, verbitterte
Basis.
selbst vorgezeichnet hatte. Uebrigens sprach mir
Benehmen, wie er es mir gegenüber beliebte, schon
Ich habe das Stück von vornherein nicht für

macht: auch nur
werden, das auf
Es gefällt Herr
Oeffentlichkeit mit
Bühne des mira¬
Hauses" — mit
Szene mit aller
lichen Vergnügen
Antworten ist
sie ihm ins
nämlich auf
erwidert; da
mentes —
„kaltlächeln
mehr die
eine R
erzogen ha¬
lich rekap
quis..."
nicht für
hierzu nu¬
sicherlich
da ich als
Kenner
Doch in
vates verlie
hier auf dem
Herr Herber
um einen Ab¬
um das Fest
setzung. Si¬
zip der Verga
genwart.
durch Jahre
den Geist¬
Wandlung sie
Wie aber kan
wenn er sie in
nungsformen
tun, statt de
zu erfüllen
griffen ha¬
wirklich
„verdräng
Stätten
kaum ein
auch
Waffe und
en
wenig
Worte!
Eulenberg ei
seinen Feind
verstand. M.
rungen haben
Eulenberg,
stehen, nur we
Aber im
kenberg. Ueb¬
seinen Streit
Tag kommen
wieder als „
ter Festspiel auto
einem neuen
Mögen inzwischen
meinem Schattenri
Ber¬