VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 7

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Miscellaneous
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ren nicht mehr gekauft als an

Während fast alle Branchen am Goldenen Sonntag höhere Ein¬
etwas hinauszuschieben, und da war von vom ein
nahmen erzielen als an den Wochentagen, ist dieser Tag für das
Auge zu. Aber offiziell, und bei den meisten auch in Wirklichkeit,
feine Konfektionsgeschäft nur ein gewonnener
bleibt die Sperrstunde 6 Uhr.
weitaus größeren Zeit des Jahres nur ungenügend
Der Alldeutsche Verband schlägt eine Rede an, die in
besetzt sehen!
einer völkischen Versammlung als Protest gegen die Wahl
Die Durchführung dieses Planes der Oesterreichischen
Professor Hupkas zum Dekan der rechts- und staats¬
Bundesbahnen ist berufen, darin Wandel schaffen und den
wissenschaftlichen Fakultät gehalten wurde. Hier heißt es:
Semmering dem Mittelstand und auch den weniger Bemittelten
„Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, wer legt die
der Wiener Bevölkerung dauernd zugänglich zu machen
Hände feig in den Schoß? — wir haben zu wählen zwischen
und zu erhalten. Es wäre nur zu wünschen, daß die Verhand¬

lungen mit den Hotels und Pensionen des Semmerings möglichst
Freiheit und Sklaverei! Wir wollen nicht Frieden
mo
rasch in günstiger Weise beendet würden, damit die Wochenend¬
und Ruhe in Schlamm und Schmutz fremder Beherr¬
Hier
frage nun endlich auch für den Semmering gelöst würde.
schung. Es geht ums Ganze ! Die Schicksalsfrage ist, ob wir
Herren im Lande sein sollen oder Diener der Juden. Deutsch¬
Ar
land den Deutschen oder Deutschland den Juden. Wir
Eine Kulturschande an der Universität.
deutsche Studenten entscheiden uns für die Kultur, die Arndt,
Die antisemitischen Anschlagtafeln in der Anla.
Goethe und Fichte gegeben haben und nicht für die, die
Von akademischer Seite.
Lassalle, Schnitzler und Korngold uns bringen.
„Die Juden sind die minderwertigste Köterrasse, die
Außer Dekan Professor Hupka waren früher auch
auf der Welt ihr Unwesen treibt"; sie sind „eine scheuß
schon andere Professoren und Behörden Gegenstand wüster
liche Bastardrasse, die größte Promenadenrasse, welche, be¬
Angriffe. So sah man früher lange Zeit Plakate mit An¬

haftet mit allen Lastern eines typischen Bastards, überall
griffen gegen den damaligen Rektor Gruntzel und gegen den
Fäulnis und Morast verbreitet"! Sie wollen ihre Leichen
Bürgermeister von Wien wegen der von ihnen getroffenen

nicht sezieren lassen, weil sonst herauskommen würde, daß
amtlichen Verfügungen.
sche
„ihr Körper der Sitz aller Abnormitäten ist und daß ihr
Es besteht an der Universität ein sogenanntes
letz
Gehirn andere Windungen hat als nichtjüdische Gehirne
„Kulturamt der deutschen Studenten¬
Han
weshalb gerade der unsinnige Pazifismus nur in jüdischen
schaft“, das unter Leitung eines eigenen Agitators sich
Schrei¬
Gehirnen geboren wurde." — Dies ist nicht etwa an den
ausschließlich der Judenhetze widmet und sich dabei eine Art
schwer
Wänden einer Schnapsbude oder eines Irrenhauses zu lesen,
amtlicher Stellung anmaßt. Mit ihm wetteifern zahlreiche
ohne
sondern an einer Anschlagtafel der Nationalsozialisten an
ähnliche Vereine.
der
der Wiener Universität, gleich bei der Aula, wo täglich
Die Universitätsvorschriften des Rektorats über An¬
stunde
tausende Studenten vorübergehen.
schläge bestimmen nun wörtlich in § 3: „Von der Ver¬
kam
Wer einen Rundgang durch die Universität macht, findet
öffentlichung im Anschlagkasten sind ausgeschlossen: a)
war.
auf Schritt und Tritt hakenkreuzgeschminkte Anschlagtafeln
Bücher und Broschüren, ferner Karikaturen und unanstän¬
nach
mit den absurdesten und lächerlichsten Hetzereien gegen die
dige Zeichnungen oder andere bildliche Darstellungen;
keine
Juden, die beschuldigt werden, alles Unglück und alle
alle Anschläge, welche Angriffe gegen die Behörden der
Schmach über das deutsche Volk gebracht zu haben.
Hochschulen, deren Lehrversonen und Organe sowie gegen
Si
jüngster Zeit waren da auch widerliche Karikaturen, voll¬
eine andere studentische Gruppe enthalten." Im Zweifel sind
kommen unrichtige Statistiken und
Zitatensammlungen
alle Anschläge dem Rektor zur Bewilligung vorzulegen,
antisemitischer Tendenz zu sehen, ferner große Plakate mit
Uebertretungen werden mit disziplinärer Bestrafung und
der Ankündigung einer ganzen Reihe judenfeindlicher „Vor¬
Entziehung der Anschlagkasten bedroht.
träge, gelegentlich auch solcher mit Lichtbildern. An der
Es ist ferner zu bemerken, daß viele dieser Anschläge
.
eingangs erwähnten Tafel hängen Porträts Hitlers und
ganz offenkundig einen Verstoß gegen die §§ 302 und
Fab
Bilder aus der Hitler=Bewegung.
An vielen Stellen
303 des Strafgesetzes darstellen. Ihre Duldung
20 A
scheint sich die Universität überhaupt in eine hakenkreuz
oder Begünstigung verstößt ferner gegen Artikel 7 der
als er
lerische Kolportageeinrichtung verwandelt zu haben.
Bundesverfassung und die Pflichten der Bundesbeamten.
Augen
den Schaukästen zahlreicher Vereine sieht und sah man da
In Deutschland ist gewiß auch ein beträchtlicher Teil der
werke
Schriften, wie: Das Judentum in Oesterreich; Jüdelach,
Studenten antisemitisch gesinnt, aber vergebens wird man
beamt
Jüdelach hepp hepp hepp; Der völkische Ludendorf, Judas in der Aula der Berliner Universität einen einzigen Anschlag bereits
Schuldbuch: und Dutzende ähnliche Produkte.
dieser Art, ja selbst nur ein Hakenkreuz suchen. Wiederholt gebra¬