VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 49

Wien.) Der Gemeinderatsausschuß für allgemeine Verwaltung
un
zahl hat beschlossen, den zwischen der Hohen Warte und der Heiligen¬
städterstraße gelegenen Teil der Dionysius=Andrassy-Straße in
Döbling in Gallmayergasse umzubenennen. Die Erläuterungstafel
un
wird lauten: „Josefine Gallmeyer, 1838—1881, Schauspielerin,
ge=
Wirkte als eine der bedeutendsten Volksschauspielerinnen am
der
Strampfer=Theater, Theater an der Wien und am Carl-Theater.
Der zwischen der Heiligenstädterstraße und der Gunoldstraße
ihren
gelegene Teil der Dionysius=Andrassy-Straße wird in Geistinger¬
gasse umbenannt. Dort wird die Erläuterungstafel lauten: „Marie
Geistinger, 1833—1903, Schauspielerin und Operettensängerin.
Sie gehörte durch ihre geniale Darstellungsgabe auf dem Gebiete
der Operette wie des Dramas zu den besten Vertreterinnen öster¬
reichischer Schauspielkunst.
(Der gewesene Erzherzog Max in London.)
Aus London wird uns telegraphiert: Der gewesene Erzherzog
Max Habsburg von Oesterreich weilte in den letzten Tagen hier
unter dem Inkognito eines Grafen Wernsdorf. Angeblich
soll der Zweck seiner Reise hieher der gewesen sein, mit dem
Maharadscha von Patuala in Verbindung zu treten. Der
Maharadscha war aber unmittelbar vor der Ankunft des gewesenen
Erzherzogs nach Madrid abgereist. Gestern ist der Habsburgerprinz
nach Paris abgereist.
(Eröffnung der Grabmalausstellung am Zentralfriedhof.)
Gestern eröffnete Bundespräsident Dr. Hainisch die Grabmal¬
ausstellung am Haupteingang des Zentralfriedhofes, die vom Verband
österreichischer Bildhauer veranstaltet wurde. Verbandsobmann Bildhauer
Stund begrüßte den erschienenen Gast und dankte Staat und Gemeinde
für die bisher erwiesene werktätige Förderung. Der Bundespräsident
erklärte mit dem Ausdruck seiner Anerkennung für dieses glückliche
Beginnen der Wiener Bildhauerschaft die Ausstellung für eröffnet.
Bürgermeister Seitz betonte, daß die Gemeinde auch weiterhin stets
bereit sein werde, den Künstlern zu helfen, auf die Wien stolz sei. Die
Gäste besichtigten hierauf die sehr geschmackvoll angelegte Ausstellung.
Vor einer von Architekten Pollak=Hellwig entworfenen Halle sind die
in echt künstlerischem Geiste gehaltenen Grabmale auf einer freien Rasen¬
fläche sehr günstig verteilt. Ein besonderes Verdienst um das Zustande¬
kommen der eigenartigen und eindrucksvollen Exposition erwarb sich
Bildhauer C. A. Zinsler.
(Die Rede Painlevés im Penklub.) Wie wie
berichteten, hielt Painley gelegentlich des Empfanges im Pen¬
klub auf die Ansprache Felix Saltens eine längere Rede,
deren Inhalt nunmehr im umfangreichen Wortlaut vorliegt und
einige bedeutsame Details enthält, die es verdienen nachgetragen
zu werden. „Ich habe“, führte Painlevé in Erinnerung an das
Wien der Vorkriegszeit aus, „in meinem im Kulturbund gehaltenen
Vortrag des Genies Hofmannshals bereits Erwähnung
getan. Präsident Felix Salten, einer der interessantesten
Schriftsteller, war der Führer jener Kritiker, die durch ihr gro߬
zügiges Verständnis und die Streiflichter, die sie gleicherweise auf
die Traditionen der Vergangenheit wie auf die Pfade der Zukunft
warfen, der jungen literarischen Generation den Weg wiesen.
Artur Schnitzler eröffnete jene lebendigen und tief¬
schürfenden psychologischen Untersuchungen, jene innere Kine¬
matographie, die in die Kunst des Theaters und des Romans, ja
selbst bis in die Psychiatrie eine Umwälzung hineintrug, die nur jener
vergleichbar ist, die wir Ibsen verdanken. In den Wissen¬
schaften schritt Bolzmann der neuen Bewegung revolutio¬
nierender mathematischer und physikalischer Grundsätze voran.
Emil Zuckerkandl zeichnete den Atlas der menschlichen
Histologie. Im Reiche der Töne übte Gustav Mahler in der
Oper jenen genialen Despotismus aus, der unvergeßliche Tradi¬
tionen schaffen sollte. Seither hat sich eine europäische Katastrophe
zugetragen. Unsere Generationen haben Ungeheures vernichtet.
Nicht bloß materielle Güter und Menschenleben. Auch im
moralischen Leben hat der Krieg die Einheitlichkeit intelle¬
tueller und künstlerischer Zielstrebungen zerstört. Eine Ein¬
heitlichkeit, die der Beginn des 19. Jahrhunderts noch
kannte, wenn sie auch bereits an der allzu imperia¬
listischen Einstellung des Nationalismus litt. Ein tiefes
Unbehagen, eine Seelenzerrüttung aller und jedes Einzelnen.
Und sicherlich gab einer der Ihren dieser Stimmung den
erschütterndsten Ausdruck, einer der größten unter den lebenden
Dichtern, nicht nur der deutschen, sondern aller Sprachen: Franz
Werfel. In ergreifender Weise entwirft er das Bild des mehr
en denn je zwischen Vätern und Söhnen bestehenden Antagonista,
aus dem die Gefahr eines schwierigen und durchaus notwendigen
vermittelnden Ueberganges entspringt, den zu erleichtern die Auf¬
gabe unserer Generation ist. Das Verschwinden einer

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