VII, Verschiedenes 11, 1926–1929, Seite 50

Miscellaneous
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Donnerstag
Heimstätte der Kunst und des Denkens wie

des Ihrigen wäre für die Menschheit ein
unersetzlicher Verlust. In den Jahren der furchtbarsten
Erschütterungen hat sie jedoch Beweise einer solchen Lebensfülle
bracht, die für ihre Unzerstörbarkeit zeugen.
(Das Girardi=Denkmal.) In der jüngsten Sitzung
des Girardi=Denkmalkommitees machte das den Vorsitz führende
Präsidialmitglied Siegfried Loewy die Mitteilung, daß, da die
Bildhauerarbeit im Laufe des Sommers rege Fortschritte geacht
habe, die Fertigstellung, beziehungsweise Enthüllung denk¬
mals in der ersten Hälfte April in bestimmte
Aussicht genommen werden könne, vorausgesetzt, daß der auf die
mit 28.000 Schilling präliminierten Kosten des Standbildes noch
fehlende Betrag bis dahin aufgebracht sein wird. Der Vorsitzende
konnte weiters mitteilen, daß Max Reinhardt dem Präsidium
die Zusage gemacht habe, dem Denkmalfonds eine Vorstellung im
Theater in der Josefstadt, eventuell im Theater an der Wien zu
widmen, was mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen
wurde. Zu Beginn der Sitzung widmete der Präsident dem ver¬
storbenen Komiker Franz Glawatsch, der ein eifriges Mitglied
des Girardi=Denkmalkomitees gewesen ist, einen von den Ver¬
sammelten stehend angehörten warmen Nachruf.
(Die Auswirkung des 7. Oktober auf die
Mietenfrage.) Der Reichsbund der Haus= und Grundbesitzer
Oesterreichs hatte für gestern abend in Meidling eine Massen¬
versammlung einberufen, in der über den derzeitigen Stand der
Mietenfrage Bericht erstattet wurde. Als erster Redner sprach der
Obmannstellvertreter des Landesverbandes Wien Dr. Brück, der siche
unter anderem ausführte: „Im Parlament wird nun endlich die
Mietenfrage behandelt. Die erste Lesung des Gesetzes ist vorüber schaft
und zu unserem Erstaunen hat die Opposition entgegen ihrem
früheren Verhalten noch keine Obstruktion unternommen.
diesen
(Zwischenruf: Das machen die Heimwehren,
Sicherlich ist das auch ein Verdienst der Heimwehren. Aber auch zur de
der unausgesetzte Ausbau des Bandesheeres, der Polizei und
delle
Gendarmerie sind daran beteiligt. Der 7. Oktober hat die An¬
bewiesen, daß sich die Machtverhältnisse

in diesem Staate wesentlich geändert
haben. Man sinkt nicht mehr in die Knie, wenn die Sozial¬ Tragi
demokraten auf die Straße marschieren. In absehbarer Zeit wird ist ein
Schö¬
die Opposition des Nationalrates de Gewalttätigkeit endgültig
begraben und einen Frieden im Sinne der Majorität schließen bekan
Volu
müssen. Mit Hupen und Tschinellen haben die Linksparteien bis
Bild
her jede Beschlußfassung in der Mietenfrage unmöglich gemacht.
leger
Sie haben diese Politik bereits aufgegeben, weil
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Widerstände im eigenen Lager dagegen aufgetreten sind. Der
Präsident der Reichsorganisation der Hausbesitzer Jugoslawiens wirkt
Scho
Oberst Cackovic wies darauf hin, daß das Mietengesetz in
Sch.
Jugoslawien zur selben Zeit entstanden sei wie in Oesterreich
„Glücklicherweise gab es bei uns“, meinte er, „keine Sozialisten
(Zwischenruf: Bolschewiken), die uns in dieser Frage solche
Schwierigkeiten bereitet hätten. Uns ist der Abbau des Gesetzes
gelungen und er wäre uns noch früher gelungen, wenn man
nicht immer mit dem Finger nach Oesterreich gewiesen hätte.
Nationalrat Pistor, der als nächster Redner sprach,
erkläre, daß die Hausbesitzer von der im Nationalrat
eingebrachten Vorlage keineswegs voll befriedigt seien.
Aber angesichts der Tatsache, daß Hunderte Hausbesitzer in Oester¬
reich nicht wissen, woher sie das Geld für Brot nehmen sollen,
ist es besser, wenn eine schlechte Vorlage, als wenn überhaupt
keine Vorlage zur Annahme gelangt. Nationalrat Pistor wandte
sich schließlich scharf gegen die von den Sozialdemokraten so
gepriesene öffentliche Bautätigkeit, die der Freunderwirtschaft nur
Tür und Tor öffne und eine Verschwendung der Steuergelder der
Bevölkerung bedeute.
(Die europäische Fahrplankonferenz in Wien.) Wie be¬
richtet, tagt seit Montag in Wien die europäische Fahrplan- und
Magenbeistellungskonferenz. Die Sitzung der gestrigen Hauptverhandlung