VII, Verschiedenes 11, 1929–1931, Seite 8

1.
Miscellaneous
box 42/4
Wien, Montag
tung und Weltanschauung, Männer der Feder, die uns die öffent¬
liche Meinung machen, dann ist es zwar gewiß ehrenvoll und oft
recht wirksam, in diesem Kreise zu Worte zu kommen, aber auch
ein wenig gefährlich. Doch fürchten Sie nicht, daß ich
Sie jetzt auf ein gefährliches Gebiet führe, auf das Glatteis ge¬
wisser Fragen, die zu erörtern einem Berufeneren zukommt. Ich
freue mich ja, unter den illustren Gästen auch den Herrn
Bundeskanzler hier zu sehen, der sozusagen rastlos, wie
immer, mitten aus der politischen Werkstatt kommt. Seine
aktive Natur wird ihn gewiß dazu drängen, uns Interessantes
aus seiner Werkstatt zu erzählen, obwohl ich ihm gern gegönnt
hätte, diese sonntägliche Stunde als wohlverdiente Ruhepause zu
genießen. Es steht Ihnen daher gewiß noch ein hoher Genuß
bevor.
Ich selbst aber möchte mich heute auf einen herzlichen Glück¬
wunsch beschränken zur Jubelfeier Ihrer Vereinigung. Sie feiern
deren 70. Jahrbestand. Für das Leben des einzelnen Menschen
bedeuten 70 Jahre außerordentlich viel. Mit dem Siebziger be¬
ginnt das Greisenalter, das fast nur mehr in der Erinnerung an
das Vergangene schwelgt. Sie aber als Vereinigung wollen
nicht, wie Großvaterchen, nur Rückschau halten in eine lange
bewegte Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart leben, ihren
drängenden Aufgaben gerecht werden und trotz der 70 Jahre jung
sein, mit Jugendkraft an der Zukunft bauen. Dazu beglück¬
wünsche ich Sie vom Herzen.
Ihre Vereinigung, die auch durch ihr humanitäres
Wirken besondere Anerkennung verdient, führt den sym¬
pathischen Namen „Concordia". Concordia heißt zu deutsch
Eintracht. Aber das lateinische Wort besagt eigentlich viel
mehr: Zusammenklang der Herzen. Guten Klang
gibt es aber nur, wenn sie im Rhythmus der Liebe schlagen. Das
ist es gerade, was unserer Zeit not tut. Welche Ge¬
fühle löst dieses Wort in uns aus, welche Verantwortung, welch
hohe Aufgabe, welches Ziel stellt es jedem von uns! Nicht in
letzter Linie sei Ihnen, meine Damen und Herren von der Feder,
„Concordia“, ernste Mahnung, täglicher Appell an das Gewissen,
sei Ihnen Methode und Ziel in Ihrem beruflichen Streben und
Schaffen, im geistigen Ringen um Wahrheit und Recht, um alles
Gute und Edle, auf daß Concordia nicht ein schöner Traum
bleibe in deutschen Landen, sondern Wirklichkeit werde und
daß daraus erwachse Glück und Wohlfahrt unseres Volkes,
wahre Freiheit und wahrer Frieden unseres
Vaterlandes. Dies sei mein Herzenswunsch, mein Angebinde zu
Ihrer Jubelfeier (Stürmischer Beifall.)
Die Rede des Bundeskanzlers.
Bundeskanzler Schober (mit stürmischem Beifall be¬
grüßt) sagte unter anderm: „Herr Bundespräsident ! Eure
Exzellenzen! Hochverehrliche Festversammlung! Die „Concordia
feiert ihren 70. Geburtstag, und die Bundesregierung hat es
für ihre selbstverständliche Pflicht erachtet, die Glückwünsche der
Bundesregierung dem jubilierenden Verein heute aufrichtig und
herzlich hier abzustatten. Diese Glückwünsche gelten vor allem
der charitativen Tätigkeit der „Concordia". Die
Tränen, welche die „Concordia“ getrocknet hat, sind so viele, daß
sie ein Ehrenbuch der Liebe ausfüllen könnten. Sie sind aus
Neue Freie Presse
lichen Aufstieg zu schaffen. Diesem Zwecke sollen das
Verfassungswerk und andere Vorlagen dienen. Sie
können nur die Grundlagen bilden für die Wiederherstel¬
lung des Friedens in diesem Lande, für den
Frieden, auf dessen Boden allein die Wirtschaft
wieder wird gedeihen können. Und da komme ich zur
„Concordia". Die „Concordia muß uns dabei helfen, diese
Vereinigung von Männern der Feder, die in ihren Reihen so
viele militante Kämpfer aller Geistesrichtungen zählt, und die
wir bitten, vor allem diese Militanz zu betätigen in der Wieder¬
herstellung des Friedens im Lande und in der Verbreitung der
Wahrheit über Oesterreich im Ausland. (Stürmischer Beifall.)
Oesterreich hat eine lange Geschichte und viele berühmte
Männer hat dieses Land geboren. Aber trotzdem kommt es heute
noch vor, daß man elf Jahre nach dem Weltkrieg in Kreisen des
Auslandes, von denen man es gar nicht vermuten sollte, noch
immer nicht weiß, daß Oesterreich=Ungarn beider zugrunde¬
gegangen ist. Es gibt sogar im angelsächsischen Territorium Leute,
die glauben, daß Wien die Hauptstadt der Czechoslowakei
und Budapest die Hauptstadt von Rum nien ist. Wie
soll erst dieses Ausland dann unser heutiges
Oesterreich verstehen, wie schwer wird es ihm, unsere
Verfassung zu begreifen. Da muß ich wieder an die „Concordia“
appellieren. Einer ihrer Paladine, der heute hier begrüßt wurde,
Herr Dr. Ehrlich, schließt seinen heutigen Artikel in einer
großen Wiener Zeitung mit den Worten: Durch Wahrheit zur
Freiheit. Auch die Bundesregierung bittet Sie, beizutragen, daß
wir durch Wahrheit zur Freiheit kommen, daß
dieses Land sich entwickle, daß hier jeder nach seiner
Fasson selig werden kann. (Lebhafter Beifall.) Wenn
die „Concordia“ in zehn Jahren ihren achtzigsten Geburtstag
feiert, möge es unter einem glücklicheren Stern sein, als der es
ist, unter dem das heutige Oesterreich lebt, es möge in einem
freien und unabhängigen Oesterreich sein, das
seinen Platz, den es verdient, wieder gefunden hat. (Stürmischer
Beifall.)
Die Rede des Bürgermeisters.
Bürgermeister Seitz (mit lebhaftem Beifall und Hände¬
klatschen begrüßt) sagte unter anderm: Werte Festgäste! Wir
sind also mitten in der großen Politik, wenn auch noch nicht in
der Parteipolitik. Vielleicht mag manches Mitglied der „Concordia“
bei der Feststellung des Bundeskanzlers, daß das Wiener und das
österreichische Volk an diesem Kriege nicht schuld sei, ein wenig
gezückt haben. Richtig ist, daß dieses Volk an dem Kriege un¬
schuldig ist. (Zustimmung.) Heute wird vielleicht manches anders
geschrieben werden als vor 15 bis 20 Jahren, nachdem man die
Erfahrungen der letzten 15 Jahre gemacht hat. Wir sind aus
einem Staate des Elends und der Verzweiflung in diesen elf
Jahren doch um ein gutes Stück vorwärts gekommen. Wenn wir
in diese Zeiten zurückschauen und dann die heutigen Verhältnisse
betrachten, so können wir sagen, sie sind dank der Verfassung
und dank dieser harten Arbeit ein gutes, ja mit Stolz sei es ge¬
sagt, ein gutes Stück nach vorwärts gekommen. (Lebhafter
Beifall.)
schwere, eine düstere Zeit in der wir
R 1
szeni
künst¬
wen
theat
kasse
Be¬
nist
bruch
führe
ihre
zie
einer
min
zieht
Halt
Ver¬
wür
Er
bu¬
hiel