VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 131

12. 12.
Schnitzle Schnitzle
s Death s Death
Bühne denkend. In den verschiedensten Lebens¬ Bühne denkend. In den verschiedensten Lebens¬
lagen, doch nie ohne Verliebtheit, auch nie ohne lagen, doch nie ohne Verliebtheit, auch nie ohne
selbstpersiflierende Schmerzlichkeit, zeigt uns selbstpersiflierende Schmerzlichkeit, zeigt uns
Schnitzler diesen eleganten Wiener Jüngling — Schnitzler diesen eleganten Wiener Jüngling —
von dessen Lebensberuf, salls er einen haben von dessen Lebensberuf, salls er einen haben
sollte, wir nichts ahnen, in dessen leichtbeweg¬ sollte, wir nichts ahnen, in dessen leichtbeweg¬
liches, leichtentzündliches Herz wir aber Zug für liches, leichtentzündliches Herz wir aber Zug für

Zug hineinschauen. Ein Kaffeehaus=Lebejüngling Zug hineinschauen. Ein Kaffeehaus=Lebejüngling
icht. icht.
mag er wohl sein, wenn auch von der verfeiner¬ mag er wohl sein, wenn auch von der verfeiner¬
testen Art. Wäre er dies nicht, er wäre ja kein testen Art. Wäre er dies nicht, er wäre ja kein
rzelt rzelt
echter Wiener. Und so ist denn auch Schnitzler echter Wiener. Und so ist denn auch Schnitzler
selbst von einem literarisch interessierten Kaffee¬ selbst von einem literarisch interessierten Kaffee¬
hauskreise natürlich unter den (hier anfangs leise hauskreise natürlich unter den (hier anfangs leise
einem einem
widerstrebenden) Weihen Hermann Bahrs, zunächst widerstrebenden) Weihen Hermann Bahrs, zunächst
stets stets
entdeckt worden. Gleichsam ein Wiener Lokal¬ entdeckt worden. Gleichsam ein Wiener Lokal¬
ereignis. ereignis.
dher, dher,
Doch sehr rasch wuchs er über das Lokale hin¬ Doch sehr rasch wuchs er über das Lokale hin¬
Typ Typ
aus. In Berlin faßte man, seine vornehme, geistige aus. In Berlin faßte man, seine vornehme, geistige
ahrhaft ahrhaft
Qualität erkennend, alsbald Interesse für ihn, Qualität erkennend, alsbald Interesse für ihn,
Er Er
und ganz Deutschland stimmte dem zu. Auch Pa¬ und ganz Deutschland stimmte dem zu. Auch Pa¬
einem einem
die ris, London, New York und die anderen Welt¬ die ris, London, New York und die anderen Welt¬
nten. nten.
um um
ahre ahre
Ar¬ Ar¬
box 42/7 box 42/7
städte ließen sich von Schnitzler willig erobern. städte ließen sich von Schnitzler willig erobern.
Seinem bestrickenden Scharm konnte eben niemand Seinem bestrickenden Scharm konnte eben niemand
widerstehen. Und seine kultivierte vibrierende widerstehen. Und seine kultivierte vibrierende
Empfindsamkeit gewann ihm die Herzen, nament¬ Empfindsamkeit gewann ihm die Herzen, nament¬
lich der Frauen. Sein erster großer Erfolg wurde lich der Frauen. Sein erster großer Erfolg wurde
(1895) „Liebelei“. Alle Eigenschaften des Menschen (1895) „Liebelei“. Alle Eigenschaften des Menschen
und Künstlers Schnitzler blitzten darin auf, seine und Künstlers Schnitzler blitzten darin auf, seine
ganze Liebenswürdigkeit, all seine Grazie, nicht ganze Liebenswürdigkeit, all seine Grazie, nicht
minder seine von Tragik umwitterte, ironische minder seine von Tragik umwitterte, ironische
Lebensstimmung. Aber darüber hinaus zeigte sich, Lebensstimmung. Aber darüber hinaus zeigte sich,
wie sicher er das Szenische der Bühne beherrschte. wie sicher er das Szenische der Bühne beherrschte.
Mit „Freiwild“, dem „Einsamen Weg", den Mit „Freiwild“, dem „Einsamen Weg", den
Einaktern des „Grünen Kakadu", dann später Einaktern des „Grünen Kakadu", dann später
dem „Jungen Medardus", dem „Weiten Land“, dem „Jungen Medardus", dem „Weiten Land“,
„Fink und Fliederbusch", um nur einige der wich¬ „Fink und Fliederbusch", um nur einige der wich¬
tigsten Komödien zu nennen, faßte Schnitzler wei¬ tigsten Komödien zu nennen, faßte Schnitzler wei¬
ter festen Fuß auf der Bühne. Und erst die ter festen Fuß auf der Bühne. Und erst die
neueste, gewiß nicht besonders erfreuliche Entwick¬ neueste, gewiß nicht besonders erfreuliche Entwick¬
lung hat ihn einen seltneren Gast auf den Bret¬ lung hat ihn einen seltneren Gast auf den Bret¬
tern werden lassen. Gelegentlich gab es auch tern werden lassen. Gelegentlich gab es auch
Streit um ihn — welch echtem Dramatiker hätte Streit um ihn — welch echtem Dramatiker hätte
der fehlen dürfen! Wer erinnert sich nicht der der fehlen dürfen! Wer erinnert sich nicht der
Skandale und des Prozesses, die sich — wann war Skandale und des Prozesses, die sich — wann war
es doch eigentlich? — um die Dialogserie „Der es doch eigentlich? — um die Dialogserie „Der
Reigen" bei uns entspann? Lang, lang ist's her, Reigen" bei uns entspann? Lang, lang ist's her,
möchte man sagen. Ach, und es war doch beinahe möchte man sagen. Ach, und es war doch beinahe
vorgestern. vorgestern.
Doch nicht dem Dramatiker allein darf man in Doch nicht dem Dramatiker allein darf man in
Schnitzler huldigen. Er war auch ein überaus Schnitzler huldigen. Er war auch ein überaus
feiner Erzähler. Hier ganz besonders zeigt sich feiner Erzähler. Hier ganz besonders zeigt sich
eine seiner erlesensten Gaben: seine eminent sub¬ eine seiner erlesensten Gaben: seine eminent sub¬
tile Kunst zergliedernder Seelenmalerei. Zumal tile Kunst zergliedernder Seelenmalerei. Zumal
in seinen Novellen, vor allem in „Dämmerseelen“, in seinen Novellen, vor allem in „Dämmerseelen“,
dann auch in „Masken und Wunder", „Frau Beate dann auch in „Masken und Wunder", „Frau Beate
und ihr Sohn" und zuletzt noch „Fräulein Else“ und ihr Sohn" und zuletzt noch „Fräulein Else“
entwickelt sich höchste Meisterschaft in prägnantester entwickelt sich höchste Meisterschaft in prägnantester
Kürze. Kaum minder verraten Schnitzlers Ro¬ Kürze. Kaum minder verraten Schnitzlers Ro¬
mane, vor allem „Der Weg ins Freie", den hohen mane, vor allem „Der Weg ins Freie", den hohen
Könner wie überall auch den stimmungsvollen Könner wie überall auch den stimmungsvollen
Poeten. Und fast allenthalben ist es die Wiener Poeten. Und fast allenthalben ist es die Wiener
Atmosphäre, die uns umstrickt; manchmal gestreift Atmosphäre, die uns umstrickt; manchmal gestreift
von einem wärmenden Hauch des Südens. Die von einem wärmenden Hauch des Südens. Die
ganze Klaviatur des wienerischen Empfindens hat ganze Klaviatur des wienerischen Empfindens hat
er wie ein Virtuose beherrscht, wohl hie und da er wie ein Virtuose beherrscht, wohl hie und da
mit leiser zweiflerischer Kühle, niemals mit mit leiser zweiflerischer Kühle, niemals mit
innerer Kälte. Jedenfalls, unter allen, die nach innerer Kälte. Jedenfalls, unter allen, die nach
ihm kamen im so reichen Wiener Reigen der Ta¬ ihm kamen im so reichen Wiener Reigen der Ta¬
lente, gibt es keinen, der ihm nicht irgendwie lente, gibt es keinen, der ihm nicht irgendwie
innerlich verpflichtet gewesen wäre. Sein Einfuß innerlich verpflichtet gewesen wäre. Sein Einfuß
auf die Stilbildung war wohl noch durchgreifenden auf die Stilbildung war wohl noch durchgreifenden
als bei Hofmannsthal. Wie die gesamte deutsche als bei Hofmannsthal. Wie die gesamte deutsche
Dichtung, so verliert insbesondere Wien in ihm Dichtung, so verliert insbesondere Wien in ihm
eine seiner repräsentativsten Erscheinungen. Schon eine seiner repräsentativsten Erscheinungen. Schon
jetzt planten manche Wiener Bühnen zu Schnitzlers jetzt planten manche Wiener Bühnen zu Schnitzlers
70. Geburtstage, den er am 15. Mai des kom¬ 70. Geburtstage, den er am 15. Mai des kom¬
menden Jahres hätte feiern sollen, Aufführungen menden Jahres hätte feiern sollen, Aufführungen
seiner Dramen. Leider werden es jetzt Toten¬ seiner Dramen. Leider werden es jetzt Toten¬
feiern werden. feiern werden.
Fraur derragk. Fraur derragk.