12. Schnitzler's Death 12. Schnitzler's Death
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I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt au Ausschnitt au
Kethe l'aune, Hien Kethe l'aune, Hien
23. OKT. 1937 23. OKT. 1937
vom: vom:
Artur Schnitzler gestorben. Artur Schnitzler gestorben.
Gestern abends ist der Dichter Dr. Artur Gestern abends ist der Dichter Dr. Artur
Schnitzter, wenige Monate vor Voll¬ Schnitzter, wenige Monate vor Voll¬
endung seines 70. Lebensjahres, gestorben. endung seines 70. Lebensjahres, gestorben.
Der Dichter Arthur Der Dichter Arthur
Schnitzler gestorber Schnitzler gestorber
Fast 70 Jahre alt, ist gestern der be¬ Fast 70 Jahre alt, ist gestern der be¬
kannte Wiener Dichter Arthur Schnitz¬ kannte Wiener Dichter Arthur Schnitz¬
ler gestorben. Er war Zeit seines Lebens ler gestorben. Er war Zeit seines Lebens
der repräsentative Dichter einer untergehen¬ der repräsentative Dichter einer untergehen¬
den Welt. Die besonderen Verhältnisse der den Welt. Die besonderen Verhältnisse der
seudal=bürgerlichen Dekadenz der altösterrei¬ seudal=bürgerlichen Dekadenz der altösterrei¬
chischen Monarchie widerspiegelnd, hat seine chischen Monarchie widerspiegelnd, hat seine
Dichtung schon zu Anfang seines Schaffens Dichtung schon zu Anfang seines Schaffens
in den Neunzigerjahren des vorigen Jahr¬ in den Neunzigerjahren des vorigen Jahr¬
hunderts, nichts von dem kritischen und hunderts, nichts von dem kritischen und
aggressiven Geist des deutschen Naturalis¬ aggressiven Geist des deutschen Naturalis¬
mus dieser Zeit gekannt, der eine lezte Auf¬ mus dieser Zeit gekannt, der eine lezte Auf¬
lehnung gegen den Verfall der bürgerlichen lehnung gegen den Verfall der bürgerlichen
Kunst darstellte. Schnitzler hat im Gegen¬ Kunst darstellte. Schnitzler hat im Gegen¬
teil immer mit zärtlicher Liebe diese Men¬ teil immer mit zärtlicher Liebe diese Men¬
schen einer verfaulenden Gesell¬ schen einer verfaulenden Gesell¬
schaft die aussterbende Aristokratie, das schaft die aussterbende Aristokratie, das
ihr na ichstrebende Bürgertum und alle ihre ihr na ichstrebende Bürgertum und alle ihre
„seelischen Probleme" geschildert. Zwei The¬ „seelischen Probleme" geschildert. Zwei The¬
men beherrschen seine Werke: Die Liebe und men beherrschen seine Werke: Die Liebe und
der Tod. Seine Menschen führen ein nutz¬ der Tod. Seine Menschen führen ein nutz¬
loses Leben, sie verzetteln sich in tausend loses Leben, sie verzetteln sich in tausend
„Liebeleien" und so sind die sich ewig wie¬ „Liebeleien" und so sind die sich ewig wie¬
derholenden Gestalten in Schnitzlers Wer¬ derholenden Gestalten in Schnitzlers Wer¬
ken der weltschmerzlerische Genießer und ken der weltschmerzlerische Genießer und
das „süße Wiener Mädel", die beide durch das „süße Wiener Mädel", die beide durch
seine Darstellung als Wiener Typen Welt¬ seine Darstellung als Wiener Typen Welt¬
berühmtheit erlangt haben. Doch über all berühmtheit erlangt haben. Doch über all
dieser „Wiener Anmut" schwebt wehmütiger dieser „Wiener Anmut" schwebt wehmütiger
Todesschauer, Resignation, verzweiseinde Todesschauer, Resignation, verzweiseinde
Slepsis: Slepsis:
„Wir wissen nichts von andern, nichts „Wir wissen nichts von andern, nichts
von uns. von uns.
Wir spielen immer, wer es weiß, ist Wir spielen immer, wer es weiß, ist
klug." klug."
Das Spiel des Lebens einer verlogenen, Das Spiel des Lebens einer verlogenen,
zerfallenden Gesellschaft stellt Schnitzler auf zerfallenden Gesellschaft stellt Schnitzler auf
die Bühne. Seine Dichtung war immer nur die Bühne. Seine Dichtung war immer nur
der Schwanengesang des Bürger¬ der Schwanengesang des Bürger¬
tums. Ist er anfangs damit oft auf tums. Ist er anfangs damit oft auf
Widerstand gestoßen bei denen, die ihren Widerstand gestoßen bei denen, die ihren
Untergang und dessen künstlerischen Ausdruck Untergang und dessen künstlerischen Ausdruck
nicht wahr haben wollten, so ist Schnitzler nicht wahr haben wollten, so ist Schnitzler
später, da seine „Analyse des Lebens" den später, da seine „Analyse des Lebens" den
ge'stigen Bedürfnissen eines übersättigten, ge'stigen Bedürfnissen eines übersättigten,
ästhetisierenden Publikums entsprach, zum ästhetisierenden Publikums entsprach, zum
Modedichter der Bourgeoisie geworden. Modedichter der Bourgeoisie geworden.
Die bürgerlichen Zeitungen widmen ihm Die bürgerlichen Zeitungen widmen ihm
seitenlange Nachrufe Bezeichnend für das seitenlange Nachrufe Bezeichnend für das
vollkommene Aufgeben jedes proletarischen vollkommene Aufgeben jedes proletarischen
Standpunktes auch auf künstlerischem Ge¬ Standpunktes auch auf künstlerischem Ge¬
biet ist die Beurteilung Schnitzlers durch biet ist die Beurteilung Schnitzlers durch
„Schnitzlers Werke „Schnitzlers Werke
die „Arbeiter=Zeitung" die „Arbeiter=Zeitung"
sind tief ins Volk georungen, haben die gei¬ sind tief ins Volk georungen, haben die gei¬
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Artur Schnitzler gestorben. Artur Schnitzler gestorben.
Gestern abends ist der Dichter Dr. Artur Gestern abends ist der Dichter Dr. Artur
Schnitzter, wenige Monate vor Voll¬ Schnitzter, wenige Monate vor Voll¬
endung seines 70. Lebensjahres, gestorben. endung seines 70. Lebensjahres, gestorben.
Der Dichter Arthur Der Dichter Arthur
Schnitzler gestorber Schnitzler gestorber
Fast 70 Jahre alt, ist gestern der be¬ Fast 70 Jahre alt, ist gestern der be¬
kannte Wiener Dichter Arthur Schnitz¬ kannte Wiener Dichter Arthur Schnitz¬
ler gestorben. Er war Zeit seines Lebens ler gestorben. Er war Zeit seines Lebens
der repräsentative Dichter einer untergehen¬ der repräsentative Dichter einer untergehen¬
den Welt. Die besonderen Verhältnisse der den Welt. Die besonderen Verhältnisse der
seudal=bürgerlichen Dekadenz der altösterrei¬ seudal=bürgerlichen Dekadenz der altösterrei¬
chischen Monarchie widerspiegelnd, hat seine chischen Monarchie widerspiegelnd, hat seine
Dichtung schon zu Anfang seines Schaffens Dichtung schon zu Anfang seines Schaffens
in den Neunzigerjahren des vorigen Jahr¬ in den Neunzigerjahren des vorigen Jahr¬
hunderts, nichts von dem kritischen und hunderts, nichts von dem kritischen und
aggressiven Geist des deutschen Naturalis¬ aggressiven Geist des deutschen Naturalis¬
mus dieser Zeit gekannt, der eine lezte Auf¬ mus dieser Zeit gekannt, der eine lezte Auf¬
lehnung gegen den Verfall der bürgerlichen lehnung gegen den Verfall der bürgerlichen
Kunst darstellte. Schnitzler hat im Gegen¬ Kunst darstellte. Schnitzler hat im Gegen¬
teil immer mit zärtlicher Liebe diese Men¬ teil immer mit zärtlicher Liebe diese Men¬
schen einer verfaulenden Gesell¬ schen einer verfaulenden Gesell¬
schaft die aussterbende Aristokratie, das schaft die aussterbende Aristokratie, das
ihr na ichstrebende Bürgertum und alle ihre ihr na ichstrebende Bürgertum und alle ihre
„seelischen Probleme" geschildert. Zwei The¬ „seelischen Probleme" geschildert. Zwei The¬
men beherrschen seine Werke: Die Liebe und men beherrschen seine Werke: Die Liebe und
der Tod. Seine Menschen führen ein nutz¬ der Tod. Seine Menschen führen ein nutz¬
loses Leben, sie verzetteln sich in tausend loses Leben, sie verzetteln sich in tausend
„Liebeleien" und so sind die sich ewig wie¬ „Liebeleien" und so sind die sich ewig wie¬
derholenden Gestalten in Schnitzlers Wer¬ derholenden Gestalten in Schnitzlers Wer¬
ken der weltschmerzlerische Genießer und ken der weltschmerzlerische Genießer und
das „süße Wiener Mädel", die beide durch das „süße Wiener Mädel", die beide durch
seine Darstellung als Wiener Typen Welt¬ seine Darstellung als Wiener Typen Welt¬
berühmtheit erlangt haben. Doch über all berühmtheit erlangt haben. Doch über all
dieser „Wiener Anmut" schwebt wehmütiger dieser „Wiener Anmut" schwebt wehmütiger
Todesschauer, Resignation, verzweiseinde Todesschauer, Resignation, verzweiseinde
Slepsis: Slepsis:
„Wir wissen nichts von andern, nichts „Wir wissen nichts von andern, nichts
von uns. von uns.
Wir spielen immer, wer es weiß, ist Wir spielen immer, wer es weiß, ist
klug." klug."
Das Spiel des Lebens einer verlogenen, Das Spiel des Lebens einer verlogenen,
zerfallenden Gesellschaft stellt Schnitzler auf zerfallenden Gesellschaft stellt Schnitzler auf
die Bühne. Seine Dichtung war immer nur die Bühne. Seine Dichtung war immer nur
der Schwanengesang des Bürger¬ der Schwanengesang des Bürger¬
tums. Ist er anfangs damit oft auf tums. Ist er anfangs damit oft auf
Widerstand gestoßen bei denen, die ihren Widerstand gestoßen bei denen, die ihren
Untergang und dessen künstlerischen Ausdruck Untergang und dessen künstlerischen Ausdruck
nicht wahr haben wollten, so ist Schnitzler nicht wahr haben wollten, so ist Schnitzler
später, da seine „Analyse des Lebens" den später, da seine „Analyse des Lebens" den
ge'stigen Bedürfnissen eines übersättigten, ge'stigen Bedürfnissen eines übersättigten,
ästhetisierenden Publikums entsprach, zum ästhetisierenden Publikums entsprach, zum
Modedichter der Bourgeoisie geworden. Modedichter der Bourgeoisie geworden.
Die bürgerlichen Zeitungen widmen ihm Die bürgerlichen Zeitungen widmen ihm
seitenlange Nachrufe Bezeichnend für das seitenlange Nachrufe Bezeichnend für das
vollkommene Aufgeben jedes proletarischen vollkommene Aufgeben jedes proletarischen
Standpunktes auch auf künstlerischem Ge¬ Standpunktes auch auf künstlerischem Ge¬
biet ist die Beurteilung Schnitzlers durch biet ist die Beurteilung Schnitzlers durch
„Schnitzlers Werke „Schnitzlers Werke
die „Arbeiter=Zeitung" die „Arbeiter=Zeitung"
sind tief ins Volk georungen, haben die gei¬ sind tief ins Volk georungen, haben die gei¬