VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 346

2. Schnitzler's Death 2. Schnitzler's Death
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heute mag er den cinen als unmodern, den anderen als Klassiker heute mag er den cinen als unmodern, den anderen als Klassiker
gelten, so rasch ging und verging diese Epoche. Er aber wurde gelten, so rasch ging und verging diese Epoche. Er aber wurde
immer mehr in ihr, was er stets war: der Dichter. Schon äußerlich immer mehr in ihr, was er stets war: der Dichter. Schon äußerlich
trotz seiner kleinen gedrungenen Gestalt mit seinen mächtigen trotz seiner kleinen gedrungenen Gestalt mit seinen mächtigen
schönen Kopf, den geistfunkelnden ernst lächelnden Augen als schönen Kopf, den geistfunkelnden ernst lächelnden Augen als
Dichter legitimiert. Unerschrocken, wo es galt, die Rechte der Dichter legitimiert. Unerschrocken, wo es galt, die Rechte der
Menschlichkeit und des Geistes zu wahren: er, der Liebelei-Dichter, Menschlichkeit und des Geistes zu wahren: er, der Liebelei-Dichter,
schreibt seinen „Professor Bernhardi“, das Stück ohne Frauen, alc schreibt seinen „Professor Bernhardi“, das Stück ohne Frauen, alc
Kampf der freien Menschlichkeit gegen dogmatische Beschränkung. Kampf der freien Menschlichkeit gegen dogmatische Beschränkung.
In seiner letzten Geschichte die Gebiete des Wahnsinns mit einer In seiner letzten Geschichte die Gebiete des Wahnsinns mit einer
Kunst streifend, die an Dostojewski reicht. Man hat gesagt, er ahme Kunst streifend, die an Dostojewski reicht. Man hat gesagt, er ahme
die Franzosen nach, verwende den Raisonneur; aber all dies fiel die Franzosen nach, verwende den Raisonneur; aber all dies fiel
längst von ihm ab, und immer mehr drang er in das „Weite Land" längst von ihm ab, und immer mehr drang er in das „Weite Land"
der Seele, ging er leicht erschaudernd den „einsamen Weg“: „Den der Seele, ging er leicht erschaudernd den „einsamen Weg“: „Den
Weg hinab gehen wir alle allein.“ Neben sich den Tod, Weggefährte, Weg hinab gehen wir alle allein.“ Neben sich den Tod, Weggefährte,
den er niemals vergalt. den er niemals vergalt.
Sein letzter Satz an mich: „Wann werde ich endlich die Freude Sein letzter Satz an mich: „Wann werde ich endlich die Freude
haben, Sie wiederzuschen?“ Erinnerung an viele gute Stunden, da haben, Sie wiederzuschen?“ Erinnerung an viele gute Stunden, da
das Gespräch wie eine hohe Flamme sich entzündete. Und nun das Gespräch wie eine hohe Flamme sich entzündete. Und nun
mit der brennenden Wunde ist es nicht eben leicht, mit nassen mit der brennenden Wunde ist es nicht eben leicht, mit nassen
Augen abzuwägen, Urteil und Spruch bereitzuhalten. Und mir fällt Augen abzuwägen, Urteil und Spruch bereitzuhalten. Und mir fällt
ein, wie er mir einmal sagte, als ich über ein neues Schauspiel ein, wie er mir einmal sagte, als ich über ein neues Schauspiel
von ihm geschrieben hatte: „Sie haben mich wieder einmal über¬ von ihm geschrieben hatte: „Sie haben mich wieder einmal über¬
schätzt!“ Ohne Bescheidenheit, sachlich und unerschüttert. Denn schätzt!“ Ohne Bescheidenheit, sachlich und unerschüttert. Denn
er, der die Illusion der Liebe stets neu wiedergab, wurde immer er, der die Illusion der Liebe stets neu wiedergab, wurde immer
mehr desillusioniert, kühl auch gegen sich selbst. Nun soll kein mehr desillusioniert, kühl auch gegen sich selbst. Nun soll kein
Pathos ihn belästigen, das er maliziös abgewehrt hätte. Wir haben Pathos ihn belästigen, das er maliziös abgewehrt hätte. Wir haben
nur zu erkennen: der Dichter einer überreifen Zeit und einer ver¬ nur zu erkennen: der Dichter einer überreifen Zeit und einer ver¬
sunkenen Gesellschaft starb. Einer, der ganz er selbst war. Ein sunkenen Gesellschaft starb. Einer, der ganz er selbst war. Ein
Feinstez. In jedem Sinne: Ein Vollendeter. Feinstez. In jedem Sinne: Ein Vollendeter.
DAS BEGRÄBNIS DAS BEGRÄBNIS
OSKAR MAURUS FONTANA OSKAR MAURUS FONTANA
An einem sonnigen, kalten Herbstvormittag haben sie Arthur An einem sonnigen, kalten Herbstvormittag haben sie Arthur
Schnitzler begraben. Er hatte in seinem Testament um ein Begräbnis Schnitzler begraben. Er hatte in seinem Testament um ein Begräbnis
letzter Klasse gebeten, und daß man an seinem Sarg keine Blumen letzter Klasse gebeten, und daß man an seinem Sarg keine Blumen
niederlege. Dennoch waren Blumen gekommen. Aus Kopenhagen niederlege. Dennoch waren Blumen gekommen. Aus Kopenhagen
„von alten Freunden . Das gehörte zu ihm. Auch ein großer schöner „von alten Freunden . Das gehörte zu ihm. Auch ein großer schöner
Kranz mit roten Rosen war abgegeben worden. Keine Schleife an Kranz mit roten Rosen war abgegeben worden. Keine Schleife an
ihm. Wer diese letzten Grüße sandte, war nicht festzustellen. Auch ihm. Wer diese letzten Grüße sandte, war nicht festzustellen. Auch
dieses Schweigen der Liebe und Dankbarkeit gehörte zu ihm. Er dieses Schweigen der Liebe und Dankbarkeit gehörte zu ihm. Er
hätte ohne diese Blumen, die aus dem Dunkel ihm, der ins Dunkel hätte ohne diese Blumen, die aus dem Dunkel ihm, der ins Dunkel
ging, stumm gereicht wurden, nicht begraben werden können. ging, stumm gereicht wurden, nicht begraben werden können.
Vor der Zeremonienhalle des jüdischen Friedhofes warteten die Vor der Zeremonienhalle des jüdischen Friedhofes warteten die
Schriftsteller Wiens und die Schauspieler Wiens und viele Ärzte Schriftsteller Wiens und die Schauspieler Wiens und viele Ärzte
auf den Sarg. Schnitzlers Gestalten waren noch einmal versammelt. auf den Sarg. Schnitzlers Gestalten waren noch einmal versammelt.
Man hörte viele tiefsinnige literarische Gespräche über Sterben Man hörte viele tiefsinnige literarische Gespräche über Sterben
1707 1707
er und alle seine Mitgemanigten stait der Repubiikaner gestorben er und alle seine Mitgemanigten stait der Repubiikaner gestorben
wären. Der Klassen-Kämpfer sagt mit Recht: Tränen und Wünsche wären. Der Klassen-Kämpfer sagt mit Recht: Tränen und Wünsche
sind billig. Heine aber lebte von Tränen und Wünschen und Auf¬ sind billig. Heine aber lebte von Tränen und Wünschen und Auf¬
wallungen und nicht als rauher Krieger unter dem Joch einer wallungen und nicht als rauher Krieger unter dem Joch einer
Kriegsparole: er war ein Küinstler, kein Politiker. Kriegsparole: er war ein Küinstler, kein Politiker.
Man kann sagen: der Künstler-Typ muß ausgerottet werden in Man kann sagen: der Künstler-Typ muß ausgerottet werden in
der Ara des bewußten Klassenkampfes. Gut! Man kann sagen: es der Ara des bewußten Klassenkampfes. Gut! Man kann sagen: es
ist ein Verbrechen, während des Endkampfes um eine gerechte ist ein Verbrechen, während des Endkampfes um eine gerechte
Ordnung der Menschheit produktive Kräfte für Phantasie-Gebilde Ordnung der Menschheit produktive Kräfte für Phantasie-Gebilde
zu vrd muß man chen die Poeten dieser Zeit er- zu vrd muß man chen die Poeten dieser Zeit er-