VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 644

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12. Schuitzler s Deatl 12. Schuitzler s Deatl
Wil Wil
TELEPHON K-23-0. TELEPHON K-23-0.
Ausschnitt aus: Folkszeitung, Wien Ausschnitt aus: Folkszeitung, Wien
2 5. OKT. 1937 2 5. OKT. 1937
vom: vom:
Schnitzlers Nachlaß. Schnitzlers Nachlaß.
Schauspiel, Tonfilm und Novelle. Schauspiel, Tonfilm und Novelle.
Man kann nach dem Tode eines Dichters Man kann nach dem Tode eines Dichters
nie sofort entscheiden, ob nicht in seinem nie sofort entscheiden, ob nicht in seinem
Schreibtisch noch irgendein wertvolles, viel¬ Schreibtisch noch irgendein wertvolles, viel¬
leicht besonders geliebtes und deshalb der leicht besonders geliebtes und deshalb der
Oeffentlichkeit vorenthaltenes Werk zu finden Oeffentlichkeit vorenthaltenes Werk zu finden
sein wird. Im Falle Artur Schnitzlers aller¬ sein wird. Im Falle Artur Schnitzlers aller¬
dings sind Ueberraschungen voraussichtlich dings sind Ueberraschungen voraussichtlich
leider nicht zu erwarten. Denn wenn auch leider nicht zu erwarten. Denn wenn auch
Schaffens und Stizzierung seines Lebens so Schaffens und Stizzierung seines Lebens so
über die Einzelheiten noch nichts bekannt ist über die Einzelheiten noch nichts bekannt ist
wertvollen Blätter nicht vor dreißig bis wertvollen Blätter nicht vor dreißig bis
so steht doch mit ziemlicher Gewißheit fest, vierzig Jahren in die Oeffentlichkeit gelangen so steht doch mit ziemlicher Gewißheit fest, vierzig Jahren in die Oeffentlichkeit gelangen
daß die Freunde im allgemeinen über seine daß die Freunde im allgemeinen über seine
können. können.
Gesamtproduktion orentiert sind, und nur Gesamtproduktion orentiert sind, und nur
An Fragmenten dürfte wohl nichts An Fragmenten dürfte wohl nichts
in den ersten Stunden haben sich verschiedent¬ in den ersten Stunden haben sich verschiedent¬
Wesentlicheres vorliegen, denn Schnitzler be¬ Wesentlicheres vorliegen, denn Schnitzler be¬
lich falsche Nachrichten verbreitet. lich falsche Nachrichten verbreitet.
schäftigte sich in den letzten Jahren viel mit schäftigte sich in den letzten Jahren viel mit
Schnitzlers Sohn Heinrich ist der Schnitzlers Sohn Heinrich ist der
der Aufteilung seiner Werke und hat stets mit der Aufteilung seiner Werke und hat stets mit
alleinige Verwalter des literarischen Nach¬ alleinige Verwalter des literarischen Nach¬
besonderer Sorgfalt gearbeitet. Erst schrieb er besonderer Sorgfalt gearbeitet. Erst schrieb er
lasses und auch befähigt zu dessen Sichtung lasses und auch befähigt zu dessen Sichtung
in seiner nach Tagen für ihn selbst unles¬ in seiner nach Tagen für ihn selbst unles¬
Trotzdem wird ihm Dr. Richard Beer¬ Trotzdem wird ihm Dr. Richard Beer¬
baren Schrift — selbst mit der Hand die erste baren Schrift — selbst mit der Hand die erste
Hoffmann als Berater, dem letzten Hoffmann als Berater, dem letzten
Fassung nieder, und diktierte dann gleich Fassung nieder, und diktierte dann gleich
Willen des Dichters entsprechend, zur Seite Willen des Dichters entsprechend, zur Seite
seiner Sekretärin diese Skizzen, indem er seiner Sekretärin diese Skizzen, indem er
stehen. Das Material ist außerordentlich um¬ stehen. Das Material ist außerordentlich um¬
während des Diktats noch Verbesserungen ge¬ während des Diktats noch Verbesserungen ge¬
fangreich. Vor allem ist da das abendfüllende fangreich. Vor allem ist da das abendfüllende
danklicher oder stilistischer Art vornahm. danklicher oder stilistischer Art vornahm.
Theaterstück „Zug der Schatten", das Theaterstück „Zug der Schatten", das
Monatelang ließ er Manuskripte liegen, um Monatelang ließ er Manuskripte liegen, um
vollkommen fertiggestellt ist und aufführungs¬ vollkommen fertiggestellt ist und aufführungs¬
sie später wieder hervorzuholen und noch sie später wieder hervorzuholen und noch
reif wäre. Dann wird man an Prosa die reif wäre. Dann wird man an Prosa die
einmal Korrekturen anzubringen. Und so hat einmal Korrekturen anzubringen. Und so hat
Novelle „Der Sekundant“ finden, die Novelle „Der Sekundant“ finden, die
er, der noch am Abend vor seinem Tod zu er, der noch am Abend vor seinem Tod zu
Schnitzler wohl zweimal umdiktiert, aber Schnitzler wohl zweimal umdiktiert, aber
einem Freund begeistert von der Schönheit einem Freund begeistert von der Schönheit
immer wieder zur letzten Ausfeilung zurück¬ immer wieder zur letzten Ausfeilung zurück¬
des Lebens sprach, so hat er bis in die letzten des Lebens sprach, so hat er bis in die letzten
gestellt hat. Zahllos sind die Aphorismen gestellt hat. Zahllos sind die Aphorismen
Stunden unermüdlich geschaffen und ge¬ Stunden unermüdlich geschaffen und ge¬
zum Thema „Kritik und Fälschung“. zum Thema „Kritik und Fälschung“.
arbeitet, tief gekränkt durch Verkennung und arbeitet, tief gekränkt durch Verkennung und
in der Idee verwandt mit „Fink und Flieder¬ in der Idee verwandt mit „Fink und Flieder¬
Mißachtung, schwer geprüft vom Leben, das Mißachtung, schwer geprüft vom Leben, das
busch“. Außerdem hat er ein Tonfilm¬ busch“. Außerdem hat er ein Tonfilm¬
ihn wahrhaft hart anpackte und doch bis ihn wahrhaft hart anpackte und doch bis
manuskript hinterlassen, das jedoch über die manuskript hinterlassen, das jedoch über die
zuletzt, wenn auch in sich gekehrt, aber doch zuletzt, wenn auch in sich gekehrt, aber doch
ersten Anfänge der Behandlung eines ersten Anfänge der Behandlung eines
Aufrecht ein ganzer Künstler, ein ganzer Aufrecht ein ganzer Künstler, ein ganzer
Kriminalfalles nicht hinaus gediehen ist. Kriminalfalles nicht hinaus gediehen ist.
Mensch. Mensch.
Neben den Aphorismen, die außer¬ Neben den Aphorismen, die außer¬
ordentlich Tiefes und dem Dichter selbst Wert¬ ordentlich Tiefes und dem Dichter selbst Wert¬
volles enthalten, sind die autobiographischen volles enthalten, sind die autobiographischen
Aufzeichnungen von großer Bedeutung. Sie Aufzeichnungen von großer Bedeutung. Sie
hat Schnizler oft und oft in Gesprächen hat Schnizler oft und oft in Gesprächen
mit seinen Freunden als das Beste be¬ mit seinen Freunden als das Beste be¬
zeichnet, das er je geschrieben hat. Es ist zeichnet, das er je geschrieben hat. Es ist
allerdings kein einheitliches Werk, sondern allerdings kein einheitliches Werk, sondern
eine Folge von Tagebüchern, die aus dem eine Folge von Tagebüchern, die aus dem
vierzehnten Lebensjahr des Dichters herüber¬ vierzehnten Lebensjahr des Dichters herüber¬
reichen bis in seine letzten Stunden. Sie ent¬ reichen bis in seine letzten Stunden. Sie ent¬
halten intime Bemerkungen über Privat¬ halten intime Bemerkungen über Privat¬
personen seiner Umgebung, über Familie und personen seiner Umgebung, über Familie und
Eigenleben, selbstverständlich auch über Welt Eigenleben, selbstverständlich auch über Welt
und Zeit: tiefe psychologische Erkenntnisse und und Zeit: tiefe psychologische Erkenntnisse und
rückhaltslose Bekenntnisse. Eben deshalb aber rückhaltslose Bekenntnisse. Eben deshalb aber
und mit Rücksicht auf einzelne Persönlich¬ und mit Rücksicht auf einzelne Persönlich¬
keiten werden diese für den Dichter. Menschen keiten werden diese für den Dichter. Menschen
und Küstler, für die Würdigung seines und Küstler, für die Würdigung seines