VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 774

12. Schnitzler s Death 12. Schnitzler s Death
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Wien 1, Wollzelle 11, Telephon R-23-0-43 Wien 1, Wollzelle 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnittdliener Zeitung Ausschnittdliener Zeitung
19.kAI 1936 19.kAI 1936
vom: vom:
Artur Schnitzler=Abend Artur Schnitzler=Abend
Jüdisches Kukturtheater Jüdisches Kukturtheater
Der 74. Geburtstag Artur Schnitzlers gab Anlaß für Der 74. Geburtstag Artur Schnitzlers gab Anlaß für
eine kleine, eindrucksvolle Feier. Es kamen Prosawerke eine kleine, eindrucksvolle Feier. Es kamen Prosawerke
des Dichters zur Vorlesung: „Der Witwer“, „Ein Er¬ des Dichters zur Vorlesung: „Der Witwer“, „Ein Er¬
folg", „Die Toten schweigen, „Leutnant Gustl“ und folg", „Die Toten schweigen, „Leutnant Gustl“ und
eine Szene aus dem Theaterstück „Professor Bern¬ eine Szene aus dem Theaterstück „Professor Bern¬
hardi“. Seltsam, wie der Tod in diesen Dichtungen hardi“. Seltsam, wie der Tod in diesen Dichtungen
zum Zeugen aufgerufen wird, der Tod, verbunden mit zum Zeugen aufgerufen wird, der Tod, verbunden mit
einer Entdeckung, mit einer Katastrophe oder in eine einer Entdeckung, mit einer Katastrophe oder in eine
Verkleidung vermummt, die einer Absage an das Verkleidung vermummt, die einer Absage an das
Leben gleichkommt. Er hat sein Teil am Spiel, er hat Leben gleichkommt. Er hat sein Teil am Spiel, er hat
sogar ein Gewissen, ein weltlich forschendes Gewissen sogar ein Gewissen, ein weltlich forschendes Gewissen
von besonderer dialektischer Kraft. Kein Tod also den von besonderer dialektischer Kraft. Kein Tod also den
die Legende verklärt, der geheiligt wäre und damit die Legende verklärt, der geheiligt wäre und damit
außerhalb der Debatte stünde. Eine tragische Blamage außerhalb der Debatte stünde. Eine tragische Blamage
des Lebens festzustellen, dazu dient all dies Sterben, des Lebens festzustellen, dazu dient all dies Sterben,
eine Lüge aufzudecken, die nicht über die Lippen der eine Lüge aufzudecken, die nicht über die Lippen der
Lebenden zu kommen wußte. Er soll es wissen, der Tod, Lebenden zu kommen wußte. Er soll es wissen, der Tod,
was im Leben falsch war, was nicht geraten wollte und was im Leben falsch war, was nicht geraten wollte und
konnte, er soll es wissen, und es ihm quasi ins Ge¬ konnte, er soll es wissen, und es ihm quasi ins Ge¬
sicht zu sagen, diese eindeutige Gelegenheit schafft nur sicht zu sagen, diese eindeutige Gelegenheit schafft nur
er. Meisterhaft, wie der psychologische Weg, der zu den er. Meisterhaft, wie der psychologische Weg, der zu den
Auseinandersetzungen führt, real vorbereitet ist, wie Auseinandersetzungen führt, real vorbereitet ist, wie
das Labile einer Stimmung der Deutlichkeit der Szene das Labile einer Stimmung der Deutlichkeit der Szene
zu weichen hat. Die Schlußpointe, die Schlußmoral, die zu weichen hat. Die Schlußpointe, die Schlußmoral, die
Abrechnung, sie alle sind aus einer Kritik gewonnen, Abrechnung, sie alle sind aus einer Kritik gewonnen,
die mit unerbittlichen Schlüssen Gerichtstag gehalten die mit unerbittlichen Schlüssen Gerichtstag gehalten
hat. Die Vorlesenden, Maria Gutmann und Ludwig hat. Die Vorlesenden, Maria Gutmann und Ludwig
Roth, waren dort gut und im Sinn ihres Vorhabens, Roth, waren dort gut und im Sinn ihres Vorhabens,
wo sie sich enthielten, die Pointen des Textes schau¬ wo sie sich enthielten, die Pointen des Textes schau¬
spielerhaft hervorzukehren. Diskretion ist die Tugend spielerhaft hervorzukehren. Diskretion ist die Tugend
des Vorlesers. Der „nichtschauspielzünftige“ Heinrich des Vorlesers. Der „nichtschauspielzünftige“ Heinrich
Schnitzler war da gewiß im Vorteil. A. B. W. Schnitzler war da gewiß im Vorteil. A. B. W.
box 44/3 box 44/3
Schnitzler=Feier. Schnitzler=Feier.
* Ein vierundsiebzigster Geburtstag gehört zwar * Ein vierundsiebzigster Geburtstag gehört zwar
in der Regel kaum zu den offiziellen Gedenktagen in der Regel kaum zu den offiziellen Gedenktagen
— aber immer ist es schön und beglückend Arthur — aber immer ist es schön und beglückend Arthur
Schnitzlers zu gedenken; und der Zuschauer¬ Schnitzlers zu gedenken; und der Zuschauer¬
raum des Jüdischen Kulturtheaters konnte kaum raum des Jüdischen Kulturtheaters konnte kaum
alle fassen, die sich eingefunden hatten, längst alle fassen, die sich eingefunden hatten, längst
Bekanntes von neuem zu hören. Maria Gutmann, Bekanntes von neuem zu hören. Maria Gutmann,
Heinrich Schnitzler und Ludwig Roth interpretier¬ Heinrich Schnitzler und Ludwig Roth interpretier¬
ten, weit über den Rahmen einer „Vorlesung" ten, weit über den Rahmen einer „Vorlesung"
hinaus, das Wort und vor allem die trotz aller hinaus, das Wort und vor allem die trotz aller
Milieugebundenheit zeitlose und menschlich ewig Milieugebundenheit zeitlose und menschlich ewig
nahe Schnitzlersche Geistes= und Gedankensphäre. nahe Schnitzlersche Geistes= und Gedankensphäre.
Meisterhaft in jeder kleinsten Nuance zeichnet Meisterhaft in jeder kleinsten Nuance zeichnet
Heinrich Schnitzler den „Leutnant Gustl“ — neben Heinrich Schnitzler den „Leutnant Gustl“ — neben
dem dichterischen Erlebnis eine große schauspiele¬ dem dichterischen Erlebnis eine große schauspiele¬
rische Leistung. Man bedauert, daß so selten Ge¬ rische Leistung. Man bedauert, daß so selten Ge¬
legenheit ist, dieses einzigartige österreichische legenheit ist, dieses einzigartige österreichische
Kulturbild in unmittelbarster Lebendigkeit zu Kulturbild in unmittelbarster Lebendigkeit zu
genießen. Wirkungsvoll wie auf der Bühne prä¬ genießen. Wirkungsvoll wie auf der Bühne prä¬
sentierte sich auch diesmal die große Auseinander¬ sentierte sich auch diesmal die große Auseinander¬
setzung zwischen Arzt und Priester aus „Professor setzung zwischen Arzt und Priester aus „Professor
Bernhardi" (Bernhardi: Ludwig Roth, Priester: Bernhardi" (Bernhardi: Ludwig Roth, Priester:
Schnitzler). Zwei Novellen aus der „Kleinen Schnitzler). Zwei Novellen aus der „Kleinen
Komödie“ — „Der Witwer“ und „Ein Erfolg“ - Komödie“ — „Der Witwer“ und „Ein Erfolg“ -
sowie „Die Toten schweigen“ wurden von Ludwig sowie „Die Toten schweigen“ wurden von Ludwig
Roth und Maria Gutmann einfach und unpathe¬ Roth und Maria Gutmann einfach und unpathe¬
tisch, von innerem Leben erfüllt, gelesen. Eine tisch, von innerem Leben erfüllt, gelesen. Eine
andächtige Schnitzler=Gemeinde dankte den Vor¬ andächtige Schnitzler=Gemeinde dankte den Vor¬
tragenden überaus herzlich. tragenden überaus herzlich.