VII, Verschiedenes 13, 1932–1933, Seite 29

Mauersischen der
als Wasaa-
Knapp vor seiner Abreise nach Wien.
Von
Oskar Geller.
München=Bogenhausen, im Dezember,
Das elegant vornehme, neue Villenviertel jenseits der
Isar — die Kolonie der Künstler, Literaten und all der glück¬
lichen Menschen, die es sich leisten können, dem polternden,
lärmenden und hastenden Trubel der Großstadt zu enteilen.
Inmitten von Gärten zierliche Villen; an den Wänden und
an den schmiede eisernen Eingangstoren klettert herbstlich ge¬
färbter, rostbrauner Efeu empor — drin aber umfängt uns
behaglich wohle Gefälligkeit.
Wir sind bei Gust. Waldau zu Gaste. Seine Gattin, die
scharmante, liebenswürdige Künstlerin Frau v. Hagen, bietet
uns in papierdünnen chinesischen Täßchen mit schmalem Gold¬
rand duftigen Mokka. Gustl Waldau hat Zigaretten und dicke
Zigarren mit goldenen „Bauchbinden“ bereitgestellt. Der sü߬
herbe, aromatische Duft des Kaffees erfüllt den Raum und
weckt verblaßte Erinnerungen an phantastisch mondhelle Nächte
in Istambul. Milchigblauer Zigarettenrauch windet sich in aben¬
teuerlichen Figuren und bald in Nichts zerfließend, zur Decke
empor.
„Wie finden Sie München?" wende ich mich an Direktor
Geyer.
Er sieht mich eine Sekunde lang an, lächelt wie ein
Mensch, der guten Grund hat, zufrieden zu sein, und antwortet:
„Ich komme immer wieder gern nach München, diese Stadt
bietet jedesmal viel Interessantes und Anziehendes. Diesmal
habe ich eine ganz besondere Freude erlebt, habe im Residenz¬
theater unseren Waldau als George Dandin gesehen — wirklich
großartig! Was Sie darüber im „Neuen Wiener Journal" ge¬
schrieben, kann ich Wort für Wort unterstreichen. Aber auch
„Der zerbrochene Krug hat mir in der höchst originellen und
eindrucksvollen Inszenierung gefallen. Den Adam spielte an
Stelle Wernickes Herr Hoch — ein famoser, tüchtiger Künstler!
„Es ist sehr lieb von Ihnen, daß „George Dandin“ Ihnen
so gut gefallen hat. Ich möchte ihn sehr gern auch in Wien
spielen," nahm Waldau das Wort, „glauben Sie nicht, daß
wir mit dem Stück Erfolg haben?"
„Mein lieber Waldau, antwortete Direktor Geyer, „das
wissen Sie doch selbst ganz gut, daß man beim Theater nicht
prophezeien darf! Man verspricht sich als Theaterleiter von
einem Stück einen großen Erfolg und erlebt einen glänzenden
Durchfall — man geht an ein anderes Stück nur zögernd und
mit Herzklopfen heran und zur größten Ueberraschung stellt
sich stürmischer Beifall ein. Es ist wirklich ein undankbares
Geschäft, sich den Kopf der Presse und des Publikums zu zer¬
brechen, es kommt ja doch meistens anders, als man gedacht hat.
„Aber wir müssen doch, lieber Herr Direktor, über das
Repertoire meines Gastspiels ins reine kommen.
„Gewiß! Nun, eine Anzahl Stücke sind ja bereits fest¬
gelegt. Dazu kommen noch ein Schnitzler=Abend und Guitrys
„Nachtwächter“. Alles weitere wird sich auch noch finden."
„Sie sehen sich doch heute noch „Hut ab vor Onkel Teddy
— ich glaube bestimmt, daß ich gerade mit diesem Stück
in Wien sehr gut abschneiden werde. Zudem hat auch meine
Frau darin eine sehr schöne und dankbare Rolle."
„Ja, ich bin heute abend im Theater und Sie dürfen
versichert sein, daß ich der Aufführung mit viel Aufmerksamkeit
folgen werde.
„Wenn Ihnen also „Onkel Teddy" gefällt, nahm
Frau v. Hagen das Wort...
„Was mir in München am besten gefällt," unterbrach
sie Direktor Geyer lächelnd, „ist die Tatsache, daß das Theater
ausgezeichnet geht. Ausverkaufte Häuser! Wohl empfindet man
dabei so etwas wie Neid, anderseits weckt es frohe Hoffnungen,
die Theaterverhältnisse seien auf dem besten Wege, so richtig
in Zug zu kommen. Die Theater beginnen wieder zu gehen,
wie man zu sagen pflegt, und da München und Wien eng
verschwistert sind...
„Toj, toj, tj, fiel ihm Waldau ins Wort und klopfte
dreimal mit dem Knöchel des Zeigefingers auf den Tisch,
nachdem er die Tischdecke weggeschoben. „Und darauf", fuhr
er dann fort, „muß man trinken. Worauf er in die Kristall¬
gläschen goldgelben Cognac einschänkte...