VII, Verschiedenes 13, 1932–1933, Seite 30

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scellane
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
13 JAN. 1933
vom
er von der
schlägen des Windes, der jetzt die zärtlich bereisten
taufte irgend jemand die sch wenig übertreibend
Rosmarinsträucher um den Bildstock am Ende de¬
sacht über die Nordflanke nale Straße, die sich
Salmannsdorf bei Wien.
des Michaelerberges Sommerhaidenweges bewegt und mit den dunklen
l, Sommeren
Von Herbert Strutz.
nichts zu sehen. Aber mars. Von Heide ist freilich Zypressen spielt, die den Garten jener Villa be¬
schatten, in der einst Arthur Schnitzler in den
ein ehemals vielleicht nimmt es hin, beseligt
daß das Volkes — und zutreffender Name im Jahren 1905 bis 1907 seinen Roman „Der Weg
Bei einiger Phantasie kann man es entdecken: Mund es erkannt — schließlich auch von der
ins Freie" schrieb. Wer dieses Buch gelesen hat,
Hier im Nordwesten Wiens hat die Stadt einen
Behörden alle Veränderungen
kennt auch die Landschaft: Salmannsdorf. Wie
sternförmigen Rand. Die Zacken dieses Stern¬
hinweg fortdauert. Musik in diesem Namen, ein Nest liegt es zu Füßen dieser Hügeleinsamkeit;
werden von den eingemeindeten Ortschaften Dorn
eine Versprechung für Menschen, die sich gern der die Weingärten, jetzt abgerüstet, auf den Terrassen
bach, Neustift am Walde, Salmannsdorf, Sievering, Einsamkeit zuwenden, und eine lieblosende Dank
der jenseitigen Höhen; dort Wunden, die die
Grinzing und Kahlenbergdorf gebildet. Diese Art sagung für etwas, das war
Sieveringer Steinbrüche in die Vorberge des Her¬
der Besiedlung ergab sich aus der natürlichen
Jetzt säumen die Straße Haselstauden, Hecken
mannskogels geschlagen haben.
Bodenbeschaffenheit, aus dem Vordringen der
rosen und andere Büsche. Wiesen gleiten nach
Nur wenig hat sich seit den Tagen der Lieb¬
Stadt in die Talfurchen zwischen den Wienerwald¬
Salmannsdorf hinab und steigen zum Dorotheer
Anna Rosners zu Georg von Wergenthin ver¬
Bergen. Das steinerne Meer floß in die buchen
wald hinan. Selten einmal wird ein Acker aus
ändert. In der Nähe des ärmlichen ebenerdigen
und wiesenrandeten Buchten und warf sein
dem grünen Grund geschnitten und zum Schutz
Hauses, an dem eine Inschrift verkündet, daß hier
Brandung noch ein wenig auf die Hänge. Ab¬
gegen unbedachte. Sonntagstouristen mit Stachel
Johann Strauß seinen ersten Walzer komponierte,
oben blieben die schmalen Höhen frei, von oben draht umzogen. Dann und wann springt ein Haf¬
steht die kleine Villa mit dem blauen Tonengel im
her drängt sich noch heute das Land in die Stadt, über den Weg oder ein Reh, das sich zu nahe an
Garten, in der Anna ihre Niederkunft erwartete.
wirft der Föhn den ersten Duft der Erde in di¬
die Stadt wagte. Husch — schon ist das zauberhaft
Gegenüber vom „Komponierhäusel“ einer unsterb¬
Straßen. Hier oben ist der erste Frühlingsvogel
Bild vorbei, die schlanke Bewegung, die lautlos
lichen Dreivierteltaktmelodie berichtet eine Tafel
laut zu Hause.
Flucht diese erdenahen Geschöpfes. Aber ein von Soliman, dem Türkenbelagerer Wiens, der
tiefer Eindruck, bleibt zurück; die Beseligung, die hier sein Prunkzelt aufgeschlagen hatte und nach
Wiesen kräuseln sich im Winde. Weingärten
hängen in der Sonne. Man steht wie auf schmalen uns diese enge, innige Verbundenheit von Stadt dem der Ort Solimannsdorf — später Salmanns¬
dorf — benannt wurde.
und Land bereitet. Das naturverschwisterte Wien
Landzungen, die weit in das immer lärmende
Mächtig und brausend liegt die Stadt hinter
Im Haus Nr. 6 komponierte Franz Schubert
immer bewegte Meer der grauen Häuser vorstoßen
uns, eine Rebelkappe über ihrem Haupt. Ihr
sein Quartett „Ich lobe mir mein Dörschen".
Ein unendliches Glücksgefühl mag einen dieser
Hügelrücken, der sich über Sievering hinzieht, „Am unablässiger Rhythmus verklingt unter den Flügel=Rudolf Hans Bartsch erzählt in seinem Roman