VII, Verschiedenes 13, 1932–1933, Seite 33

13.
scellaneous
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WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Wr. Allgemeine Zeitung, Wien
16 JAN
vom
Alfons Petzolds
zehnter Todestag
Heute Mittwoch jährt sich zum zehnten
Male der Tag, an dem der Wiener Dichter
Alfons Petzold in Kitzbühel gestorben
ist. Wer mit der Bahn nach Kitzbühel fährt,
der kann, wenn er mit der Gegend vertraut
ist, das Kreuz auf dem im malerischen Orts¬
friedhofe gelegenen Grab erkennen. An diesem
Grabe hat Friedrich Austerlitz die Ab¬
schiedsrede gehalten, hat Artur Schnitzler
tiefbewegt gestanden.
Alfons Petzold wurde 1882 in Wien
geboren. Sein Vater war ein armer Arbeiter,
der in Leipzig wegen Hochverrates verfolgt
worden war und sich deshalb nach Wien
wandte. Er starb früh. Die Mutter, die sich
als Waschfrau kümmerlich fortbrachte, wird
vom Dichter selbst als richtige Künstler¬
mutter geschildert, sonderbar gebildet und
belesen. Durch sie lernte der wißbegierige
Knabe zuerst die deutschen Klassiker kennen.
Er besuchte eine Klosterschule und wollte Arzt
werden. Finanzielle Not und Krankheit hin¬
derten ihn daran. Die Mutter starb, als er
noch die Schule besuchte. Der Fünfzehnjährige
kam als Hilfsarbeiter in eine Glasschleiferei,
in eine Schokoladenfabrik — und wurde
schließlich Kellner, blieb aber auch bei diesem
Erwerb nicht, sondern hungerte sich durch viele
andere Berufe, wodurch seine Gesundheit
immer mehr erschüttert wurde.
In der Blütezeit der Wiener
Volksbildung genoß Alfons Petzold im
Ottakringer Volksheim, im Seitlement
und in den Volksbüchereien seine Aus¬
bildung. Dr. Josef Luitpold Stern nahm
sich zuerst des hochbegabten, aber schwerkranken
jungen Mannes an. Als Gregori im Volks¬
heim, dem „Haus mit den 100 Fenstern", seine
„Ballade von der Revolution" las,
wurde Petzold sozusagen über Nacht ein be¬
rühmter Mann. Professor Reich und Gre¬
gori ermöglichten ihm einen Kuraufenthalt
in Alland, wo er seine nachmalige Gattin
Johanne kennenlernte, die jedoch nach we¬
nigen Jahren glücklicher Ehe schon an Tuber¬
kulose starb. Arthur Schnitzler vermittelte
Alfons Petzold eine jährliche Spende eines
unbekannt gebliebenen Freundes, der das Geld
auf geheimnisvolle Weise stets bei Professor
Reich hinterlegte.
Petzold schloß eine zweite Ehe, wurde mit
Stefan Zweig und Ginzkey bekannt. Sei¬
nen ersten Büchern „Seltsame Musik und
„Trotz alledem folgten bald weitere. Der
Dichter, der im Anfange nur Lyrik geschaffen
hatte, wandte sich allmählich auch der Erzähl¬
kunst zu. War er ehedem trotz mangelhafter
Sprache ein großer Lyriker gewesen, so wurde
er später, da er die Sprache immer mehr kul¬
tivierte, ein subtiler Erzähler. Seine letzten
Lebensjahre verbrachte er in Kitzbühel, wo
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er eine kleine Papier= und Buchhandlung be¬
nen Gedichten wurde noch wenig erforscht. Aber
trieb. Dort starb er eines plötzlichen Todes.
eines wissen wir alle: daß aus seinen Ge¬
Die seltsame Mischung von Sozialismus,
dichten, von denen viele vertont wurden, der
Nationalismus und tiefer Heimatliebe in sei¬
österreichische Genius zu uns spricht. E. Th.
net,
28 JAN. 1933
60 Jahre Jünger der „Schwarzen Kunst.
Ein nicht alltägliches Jubiläum begeht der Inhaber
der Druckerei Bruno Bartelt, 18. Bez., Theresiengasse 3,
Herr Adalbert Carl Trupp. Am 1. Februar sind
60 Jahre seit dem Tag verflossen, an dem er den Buch¬
druckerberuf ergriff. Am 5. April 1860 in Wien ge¬
boren, begann er als erst Dreizehnjähriger am 1. Fe¬
bruar 1873 seine Lehrzeit als Buchdrucker bei Grasser
am Schottenring Nr. 8. Kaum ein Jahr am „Kasten
stehend, wurde Trupp, der viel Fleiß entwickelte, schon
Metteur-en-pages und es wurden ihm bald Zeitungen
übertragen, die er noch vor Beendigung seiner Lehrzeit
selbständig machen mußte, so Hafners „Oeffentliche
Meinung", „Der Cursalon", „Wiener Leben", später
Langers „Hans Jörgl. u. a. Als das Geschäft in den
Besitz des Faktors Bruno Bartelt überging, wurde
Trupp bei diesem Faktor und unter seiner Leitung
wurden zahlreiche Wiener Zeitschriften hergestellt,
darunter die „Wiener klinische Wochenschrift und „Danzers
Armeezeitung". Trupp stand mit Trägern von auch
heute noch klingenden Namen in Verkehr, so mit Anton
Langer, Dr. Magnus Hirschfeld, Ferdinand v. Saar,
Dr. Artur Schnitzler, Hugo v. Hoffmannsthal u. a. Im
Jahr 1915 wurden der nunmehrige Jubilar und seine
Gattin stille Gesellschafter der Firma Bartelt, 1916
wurde er als verantwortlicher Leiter bestellt, und als
sich vier Jahre später Herr Bartelt vom Geschäft
zurückzog, übernahmen dieses Trupp und seine Frau,
welch letztere ihrem Gatten jederzeit eine wertvolle
Stütze war und ist, ebenso nun auch der Sohn Adalbert
Trupp. Und so dient A. C. Trupp nun 60 Jahre
der „Schwarzen Kunst", ist Jünger derselben, und trotz
seiner 73 Lebens= und 60 Arbeitsjahre ist der Jubilar
geistig und körperlich frisch wie ein Jüngling. Er ist
nicht nur gesellschaftlich geachtet, sondern auch bei seinen
Angestellten beliebt, denen er mehr Vater als Chef ist.
Sie veranstalten daher am Samstag, den 28. d. M.,
im Saal der Oberösterreicher in der Jörgerstraße ein
großes Jubiläumsfest, das dem Jubilar zahlreiche
Ehrungen bringen wird. Adalbert Trupp jun hat seinem
Vater eine mit dem Leitwort „Gott grüß die Kunst
versehene Festschrift gewidmet, die anerkennende Würdi¬
gungen des Wirkens des Jubilars durch Abgeordneten
Doppler, durch die leitenden Persönlichkeiten der
fachlichen Verbände, Zeitungsherausgeber, Schriftsteller,
Gelehrte, Vereine und seine Mitarbeiter enthält.