VII, Verschiedenes 13, 1932–1933, Seite 36

„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 1
TELEPHON 20
1.
Ausschnitt aus:
11.33
vom
Ausland-Werbung
Von
Hans Friedrich Blunck.
Wir geben im folgenden auszugsweise einen wich¬
tigen Aufsatz wieder, den wir im letzten Heft der „Neuen
Literatur fanden.
Ich will ohne eigene Bemerkung und Schlußfolgerung
über eine Erfahrung berichten, die ich in Turin gelegent¬
lich einer Vorlesung machte und die ein Beispiel für un¬
sere Unterlegenheit in jenem Kampf mit geistigen Waffen
ist, in dem wir auch in Ländern, die uns politisch gewo¬
gen sind, eine Niederlage nach der anderen erleiden.
Turin ist die Hauptstadt des Piemont, ist die viert¬
größte Stadt Italiens, hochkatholisch, beweglich, arbeitsam
und eine der großen Industriestädte Europas. Der Buch¬
handel ist lebhaft; mehrere Geschäfte haben drei oder
vierfenstrige Schauladen; oft ist einer der Läden auslän¬
discher Literatur gewidmet.
Der Buchhandel in Turin ist auf die Italiener einge¬
stellt; man sieht es daran, daß das englische Buch fast
völlig fehlt; die Kenntnis englischer Literatur wird durch
deutsche und französische Uebersetzungen vermittelt.
Den deutschen Büchern hat man dagegen freigebig
Raum gegeben, es sind ihrer in einem Laden, den ich als
Beispiel nehme, etwa fünfzig bis sechzig ausgestellt, die ich
nachfolgend anführe. Da ist zunächst die „kulturgeschicht¬
liche Bexualliteratur einiger Wiener Firmen, die ich, —
ich bin weiß Gott kein Mucker — weder hier noch bei uns
in Schaufenstern zu sehen wünsche. Ich verstehe also durch¬
aus die Bemerkung einiger Vorübergehender über das
Dann folgen italienische Ueber¬
„deutsche Geschmier
setzungen aus dem Deutschen; meist solche politischer Art.
Danach, neben einer Gruppe von Ullsteinbüchern, folgende
deutsche Autoren: Weiniger, Marx, Vicki Baum (viermal),
Arnold Zweig, Kyber, Roth, Emil Ludwig (achtmal),
Grimm (einmal), Ompteda, Thomas, Werfel, Leonhard
Frank, Feuchtwanger, Thieß, Glaser, Schnitzler, Döblin,
Thomas Mann (einmal), Jung, Kläbund, Neumann
Specht, Hauptmann (einmal). Wahrend ich, es war kurze
Zeit, vor dem Laden stand, wurden drei deutsche Bücher
zur Vorlage nach drinnen geholt. (Eines von ihnen war
Feuchtwangers „Erfolg. Ich möchte wissen, wie der lite¬
raturbeflissene italienische Käufer nach der Lektüre über
Bayern denkt).
Nach meiner flüchtigen Einsicht und nach den Versiche¬
rungen meiner liebenswürdigen Gastgeber ist die Be¬
setzung in den anderen Buchhandlungen ungefähr dieselbe.
Die Bücher werden angeblich von einer mailändischen
Vertriebsstelle geliefert, der italienische Buchhändler selbst
wisse wenig von dem, was er verkauft.
Die französische Literatur, die neben der deutschen
stand, war auf Werbung und Wirkung beschaut, vorzüg¬
lich ausgewählt; gute Namen der Gegenwart, einige ver¬
liebte Geschichten vom Montmartre und eine Reihe klassi¬
scher Neuausgaben standen in der Ausstellung. Knicke¬
bockers Buch über Nationalismus und Kommunismus in
Deutschland lag in französischer Bearbeitung vor; neben
ihm stand, in der Mitte des Ladens, gleichsam als Er¬
gänzung deutscher pornographischer Literatur ein neues
Buch „L’amour en Allemagne, hommes — hommes, fem¬
mes — femmes“. Ein wenig abseits ein Buch über die
Erschießung der Edith Cavell.
Ich berichte heute, es hat keinen Zweck, zum hundert¬
sten Male einen Klageruf über das Versagen deutscher
Werbung auszustoßen. Der Leser sieht aus obigen Auf¬
zählungen aber, daß es in der deutschen Ausstellung nicht

viele Bücher gab, die über unsere geschichtlichen Leistungen
oder über den Geist des Widerstandes gegen Versailles
berichten, oder eine Rechtfertigung des Deutschland von
heute enthielten, wohl aber eine große Zahl, die — sagen
wir in Deutschland, durch ihre Kritik abschreckend wirken
wollten, die aber draußen bei den Italienern, die sich
mühsam befleißigten, unsere Sprache zu lernen und aus
unserer Literatur Neues zu erfahren, zerstörend wirken
müssen. Soweit Schüler oder Studenten einige dieser Bü¬
cher in die Hand bekommen, muß bei dem tiefen Eindruck,
den erste fremde Literatur auf alle Jugend macht, durch
solche Literatur eine Skepsis gegen uns geweckt werden,
die noch das nächste Geschlecht zu tragen hat. Die franzö¬
sische Buchverteilung dagegen war für ihre Literatur
repräsentativ, vorwiegend ernst und gut ausgewählt.
Wir haben für vielerlei Dinge Mittel, aber die weni¬
gen Stellen, die Erfahrungen gesammelt hatten und gut
zu arbeiten begannen — ich denke an eine bestehende Kul¬
turabteilung in Berlin —, müßten mit dem Vielfachen
ausgestattet werden, mit dem sie heute arbeiten; sie mü߬
ten die Möglichkeit haben, de
durch Kredite die kommission
bung im Ausland zu ermö¬
alles Kredite gegeben!),
ängstliche Finanzbehörde
Selbstrechtfertigung vorm A¬
gar manche noch bestehende
schen Lebens, zumal eine
dauern. (Auch das Turiner
Laufe der letzten beiden Jah¬
der Kolonie eine deutsche S
den italienischer Musikfreund
von Schillings und Furtwä
nen). Statt dessen wird fast
halt, werden die winzigen
Ausland prozentual verkürzt
bruch im Rundfunk verkünd¬
der kulturellen Situation de
und der Arbeit im Auslan
Verständigung gegeben!